Endlich ist der spektakuläre Bau fertig, am 1. April beginnt der Semesterbetrieb. Nur die Ausstattung ist etwas karg. Die Bauverzögerungen lassen an die Elbphilharmonie denken.

Hamburg. Der Blick durch die haushohe gläserne Eingangsfassade auf Elbphilharmonie und HafenCity ist beeindruckend, die Lage direkt an der Elbe für eine Hochschule einzigartig. Vom lichten Foyer führt eine Treppe auf eine breite Galerie und weiter in die Hörsäle. Offene Fluchten, spitze Winkel, Etagen und ganze Gebäudeteile, die zu schweben scheinen – die Architekt des Neubaus für Hamburgs jüngste Hochschule ist spektakulär, auch wenn der überall gegenwärtige Sichtbeton und die freiliegenden Leitungen und Schächte fast an einen Rohbau erinnern.

Am 1. April beginnt hier der Semesterbetrieb für die rund 2500 Studenten der HafenCity Universität (HCU), das Abendblatt hat vorab einen Blick in den fast fertigen Neubau geworfen. Zug um Zug sind hier in den vergangenen Wochen die verschiedenen Abteilungen, die bisher an fünf Standorten über die Stadt verstreut waren, eingezogen. Die ersten Büros mit Blick auf das Wasser sind bereits eingerichtet, doch am Ende der Flure stapeln sich noch die Umzugskartons. In der Bibliothek, die sich links vom Eingang über drei Etagen erstreckt, werden die Bücher aus den Beständen der bisherigen Standorte einsortiert. In der Mensa rechts vom Foyer sind Küche und Essensausgabe zwar eingebaut, doch Tische und Stühle fehlen noch. In zehn Tagen sollen hier Hunderte von Studierenden und Wissenschaftlern essen. Auf einem Schild wird handschriftlich die Zeit zurückgezählt, die noch bis zur Eröffnung bleibt.

Viele Restarbeiten werden noch bei laufendem Semesterbetrieb erledigt

Kanzlerin Stephanie Egerland-Rau wacht über einen detaillierten Ablaufplan. „Der Umzug ist sehr komplex, eine logistische Herausforderung“, sagt sie. Das gilt umso mehr, als der Prestigebau kurz vor Semesterbeginn noch immer nicht fertig ist. Arbeiter sind dabei, die Treppen zu beschichten; einzelne Bodenplatten werden noch eingebaut, die Haustechnik justiert. Im Foyer steht ein Kran, von dem aus die Wände vom Baustaub befreit werden, die Tiefgarage ist noch unfertig. „Es sind noch Restarbeiten zu erledigen und Mängel zu beseitigen“, sagt der Präsident der HCU, Walter Pelka. Vereinbart sei, dass an den Wochenenden gearbeitet werde, um den Studienbetrieb nicht zu sehr zu stören. Vor dem Neubau reihen sich die Baucontainer. „Schneller bauen“, wirbt darauf die Baufirma. Das ist im Zusammenhang mit diesem Bauprojekt nicht ohne Ironie. Denn ursprünglich sollte das Gebäude schon im Sommer 2012 bezugsfertig sein, der Semesterbetrieb zum Wintersemester 2012 starten. So war es 2009 geplant, als die Bürgerschaft den Neubau bewilligte. Doch bald nach dem Baubeginn 2010 begannen die Verzögerungen. Damals war noch von einer Fertigstellung im Frühjahr 2013 die Rede. Nun ist es ein weiteres Jahr später geworden.

Die Bauverzögerungen lassen an die Elbphilharmonie denken, die ein paar Hundert Meter weiter in die Norderelbe ragt. Hier wie dort ist die Architektur anspruchsvoll, es sollte etwas ganz Besonderes entstehen. Doch der Siegerentwurf des Dresdner Büros Code Unique Architekten erwies sich in der Praxis „als fast nicht baubar“, wie Präsident Pelka sagt. Zwar sei die Planung vernünftig gewesen, 80 Prozent der Arbeiten waren bei Baubeginn vergeben. Doch die Komplexität des Entwurfs wurde unterschätzt, heißt es auch aus der Wissenschaftsbehörde, die Bauherrin des Gebäudes ist. Das lag an den schlanken Decken, wenig Stützen zum Abfangen der Traglasten und dem Verzicht auf eine rechtwinklige Gebäudeform, die der Entwurf vorsah. Jede fertiggestellte Decke musste sehr viel länger mit Stützen gesichert werden als ursprünglich geplant, rund ein Jahr lang standen Schalstützen auf fünf Etagen. Weil sich der Rohbau um viele Monate verzögerte, lief die Bindungsfrist für die nachfolgenden Gewerke ab. Sie boten neu an, waren aber nicht mehr unbedingt zum passenden Zeitpunkt verfügbar und verlangten mehr Geld. „Es war eine Kettenreaktion, die da in Gang kam“, sagt Pelka.

In der Folge stiegen auch die Kosten. Die einzelnen Arbeiten wurden teurer, die längere Bauzeit schlug zu Buche, und die anderen Standorte der HCU mussten sehr viel länger angemietet werden. 65,8 Millionen Euro hatte die Bürgerschaft 2009 für den Bau bewilligt. Die Wissenschaftsbehörde rechnet nun mit „erheblichen Mehrkosten“, wie ihr Sprecher Alexander von Vogel sagt. Wie hoch sie sind, könne noch nicht beziffert werden, weil die Baufirmen die Möglichkeit hätten, ihre Nachforderungen erst im Rahmen der Schlussrechnung vorzulegen. Jede einzelne Nachforderung werde genau geprüft, so von Vogel. Auch das erinnert an die Skandalbaustelle Elbphilharmonie.

Die Wandverkleidung wurde eingespart, so ist viel grauer Beton sichtbar

Anders als bei dem Konzerthaus drückten die Beteiligten beim HCU-Bau aber frühzeitig auf die Kostenbremse – zulasten der Ausstattung des Gebäudes. Wissenschaftsbehörde und Universität gründeten eine Arbeitsgruppe, die sich ans Streichen machte. Als Erstes musste eine teure Fassade aus Recyclingglas dran glauben, auf die Polka „zähneknirschend verzichtete“, wie er sagt. Anstelle von Teppich und Kautschukbelag kam Linoleum auf die Böden. Weil die geplante Wandverkleidung eingespart wurde, ist nun überall grauer Beton zu sehen. Auch auf die Deckenverkleidung wurde verzichtet. Stattdessen liegt nun das silberfarbene Gewirr aus Lüftungsrohren und Leitungen offen.

Sehr kühl muten die Büros und Flure der Universität nun an. Das kann man modern und cool finden oder auch karg und unfertig. Die Verantwortlichen standen vor der Frage, ob sie das bestmögliche Gebäude realisieren wollten oder die Kosten einigermaßen in den Griff bekommen. An der HafenCity Universität hat man sich – anders als bei der Elbphilharmonie – für Letzteres entschieden.

„Es hat schon wehgetan, wenn man auf eine Innenverkleidung verzichtet, um 90.000 Euro zu sparen, aber über Nacht 200 Millionen Euro auf die Kosten der Elbphilharmonie aufgeschlagen wurden“, sagt Pelka. Unzufrieden ist er dennoch nicht: „Wir sind ästhetische Kompromisse eingegangen, aber es gibt keine Einschränkung bei der Funktionalität des Gebäudes. Dort, wo gelernt wird, bei den Hörsälen und Laboren, Werkstätten und Mitarbeiterbüros, sei zudem nicht gespart worden.

Und die haben ihren Reiz: Von den offenen studentischen Arbeitsplätzen im ersten Stock gibt es freie Sicht auf den Hafen ebenso wie aus den Büros der Professoren. In sechs Studios sitzen die Dozenten gemeinsam mit wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten. Die Fachgebiete sind im Haus bunt gemischt untergebracht, um den Austausch zu fördern. Die Büros wurden bei einer Party verlost. So sitzt ein Baubetriebler neben einem Architekturhistoriker und einer Sozialwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Stadtkultur. Von vielen Ecken aus gibt es beeindruckende Ausblicke auf Marco-Polo-Tower, Großmarkt, Elbbrücken und die Sandwüste des Überseequartiers, das erst noch entstehen muss. Die Cafeteria dürfen die Studenten selbst planen. Großen Anklang dürfte bei ihnen auch die große Terrasse zur Elbe finden.

Pelka ist trotz allem froh, dass die verschiedenen Bereiche der Hochschule, die auf einen fächerübergreifenden Ansatz setzt, nun endlich unter einem Dach sind und die „Universität für Baukunst und Metropolenentwicklung“ eines der spannendsten Stadtentwicklungsprojekte Europas direkt vor der Haustür hat. Er sei der Stadt dankbar, dass sie dieses Gelände am Wasser für die Universität bereitgestellt hat, anstatt es teuer zu verkaufen. Und er hat sich mit der Ausstattung versöhnt. „Für eine Bau-Universität sind die Accessoires nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass die Architektur gut ist.“