Immer weniger Großeinsätze: Hamburger Feuerwehr ändert Konzept und strukturiert um. Künftig kleinere Löschzüge. CDU fordert zusätzliche Wachen.
St. Georg/Hamm. Meterhoch schlugen die Flammen aus dem Dach der Lagerhallen am Hammer Deich. Das Feuer wütete auf einer Fläche von mehr als 600 Quadratmetern. 160 Feuerwehrleute kämpften gegen den Großbrand. Irgendwann gaben die Beamten die einsturzgefährdete Halle auf und konzentrierten sich darauf, dass die Flammen nicht auf andere Gebäude übergriffen. Etliche Gewerbetreibende verloren ihre Geschäftsräume.
So zerstörerisch sich die Kraft des Feuers bei dem Großbrand am 18. November auch präsentierte, ein Blick in die Statistik verrät: Katastrophen wie diese sind selten geworden. Rückte die Feuerwehr in den 70er-Jahren noch zu 200 Großbränden aus, sind es aktuell nur noch knapp ein Dutzend pro Jahr. Grund: besserer Brandschutz, weniger Industrieanlagen, mehr Neubauten.
Für die Hamburger Feuerwehr, die mehr als 6000 Brände pro Jahr löscht, darunter viele Wohnungsbrände, ist dies einer von mehreren Gründen, ihr Konzept neu auszurichten. Das Ergebnis ihrer Bemühungen präsentierte sie am Mittwoch unter dem Titel „Umstellung des Schutzzieles“ in der Hauptfeuerwehrwache am Bahnhof Berliner Tor.
Bisher ist das Stadtgebiet in fünf Risikoklassen aufgeteilt, die die Schnelligkeit und das Kräfteaufgebot bei Einsätzen bestimmen. Dabei wird Industrieanlagen und dem Elbtunnel mit den dort möglichen Großbränden eine besondere Beachtung geschenkt. Da Großbrände so selten geworden sind, wollen die Beamten ihr Konzept künftig ausschließlich an Wohnungsbränden ausrichten, bei denen Menschenleben in Gefahr sind.
Der Hintergrund: Hamburg hat immer mehr Einwohner. Künftig, genauer gesagt, vom kommenden Montag an sollen also nicht mehr besonders gefährdete Gebiete bei der Brandbekämpfung herausgehoben werden, sondern alle Teile der Hansestadt nach den gleichen Zeit- und Kräftevorgaben bedient werden. Für die Praxis heißt das: Nach der Alarmierung sollen die ersten zehn Feuerwehrleute nach acht Minuten am Brandort sein. Weitere fünf sollen spätestens nach 13 Minuten eintreffen.
Diese Zeitvorgaben gehen auf den „kritischen Wohnungsbrand“ zurück, den die Feuerwehr als „Musterszenario“ vorgibt, wie Feuerwehr-Chef Klaus Maurer erklärte. Ausgehend von einem „Wohnungsbrand im Obergeschoss eines mehrgeschossigen Gebäudes bei verrauchten Rettungswegen“ reichen bereits wenige Minuten, bis Menschen etwa wegen einer Rauchvergiftung bewusstlos sind. Die kritische Grenze, um Leben retten zu können, gibt die Feuerwehr mit acht Minuten an. Deshalb soll der erste Stoßtrupp spätestens dann eintreffen. Die Erfahrungen hätten zudem gezeigt, dass es etwa 13 Minuten nach Ausbruch eines Brandes zu einem sogenannten „Flashover“ kommen kann, einem Durchzünden der Flammen mit großem Zerstörungspotenzial. Dies soll durch die nachrückenden Feuerwehrleute verhindert werden.
Dieses neue Schutzziel hat weitreichende, insbesondere organisatorische Folgen: Waren die Feuerwachen vormals auf Gebiete mit hoher Risikoklasse konzentriert, sollen Berufs- und Freiwillige Feuerwehren künftig gleichen Schutz überall bieten. Die Feuerwehr hat deshalb mehrere Einheiten wie die Höhenretter an andere Standorte verlegt und die Ausstattung der 17 Berufsfeuerwehrwachen neu geregelt.
Die aktuellen Bemühungen gehen auf eine Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren (AGBF) zurück, die in anderen Städten bereits umgesetzt wird. Kritikern aber geht die Hamburger Offensive nicht weit genug. Grund: Vor einigen Jahren hatte ein Gutachter in seinem „Strategiepapier 2010“ einen überaus schlechten Zustand der Feuerwehr diagnostiziert. In dem Strategiepapier, das auch Grundlage für die Umstrukturierung ist, heißt es: Um die Vorgaben der AGBF erfüllen zu können, müsse die Hamburger Berufsfeuerwehr nicht nur mehr Personal einstellen, sondern auch sechs neue Wachen errichten und weitere drei verlegen. Davon ist allerdings bislang keine Rede. Stattdessen bleiben die Standorte weitgehend unangetastet.
Wie dies mit dem neuen Schutzziel vereinbart werden könne, erklärt die Feuerwehr mit Verweis auf den „Zielerreichungsgrad“. Dieser zeigt auf, in wie viel Prozent der Einsätze die neuen Zeitvorgaben durchschnittlich geschafft werden sollen. Und während die AGBF einen Zielerreichungsgrad von 95 Prozent empfiehlt, will sich die Feuerwehr nur auf 85 Prozent einlassen, deutlich weniger. Sie gibt damit schon von Anfang an zu, dass das neue Schutzziel nicht überall in der Stadt erreicht werden könne.Der Grund für dieses intern beklagte Dilemma, sind die strikten Haushaltsvorgaben. Geld für neue Wachen ist nicht da. Immerhin sollen künftig pro Jahr 80 Feuerwehrleute ausgebildet werden. Der enorme Krankenstand wurde durch ein neues Dienstplanmodell von zwölf auf mittlerweile neun Prozent gesenkt. Und nicht zuletzt sollen die schon stark belasteten Freiwilligen Feuerwehren noch stärker eingebunden werden. Ohne diese würde der Zielerreichungsgrad noch niedriger liegen.
„Der Senat hat sich keinen Millimeter bewegt“, sagte Daniel Dahlke, Landesvorsitzender des Berufsverbandes Feuerwehr. Der Bau neuer Wachen sei unerlässlich. Selbst wenn dies nicht sofort umsetzbar sei, sollte mindestens eine Baumaßnahme pro Doppelhaushalt veranschlagt werden.“
Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator kritisiert: Alle Hamburger müssten „die gleiche Chance auf eine schnelle Hilfe durch die Feuerwehr haben, unabhängig davon, wo sie wohnen“. Er fordert, „in einem zweiten Schritt einen Zielerreichungsgrad von 95 Prozent sicherzustellen, sodass die Feuerwehr die Hilfsfrist in allen Stadtteilen einhalten kann. Dafür braucht es sechs zusätzliche Feuerwachen und zusätzliches Personal.“