Der Berufsverband warnt: Es gebe weiße Flecken in der Stadt, an denen Pünktlichkeit von vornherein ausgeschlossen sei. Der Feuerwehr in Hamburg fehlen 640 Mann.
Hamburg. Die Hamburger Feuerwehren sind unterbesetzt. Sie haben zu wenig Feuerwachen und kommen deshalb deutlich zu spät am Einsatzort an. Das geht aus einem Gutachten hervor, das die Bonner Firma Forplan schon 2010 für Hamburg erstellt hat. Bisher aber sei die Stadt nur zögerlich gegen die Missstände vorgegangen, kritisiert Daniel Dahlke, Vorsitzender des Berufsverbands Feuerwehr in Hamburg.
„Um die allgemein in Deutschland üblichen Richtwerte für Schnelligkeit und Mannstärke am Einsatzort überhaupt erreichen zu können, bräuchten wir für den Einsatzdienst 640 ausgebildete neue Leute, sechs neue Wachen und drei zusätzliche Neubauten, die sich durch notwendige Verlegungen von Wachen ergeben“, sagt Dahlke. „Wir fordern eine Ansage, wann Hamburg die Versorgung sicherstellen will.“
In der letzten Innenausschusssitzung der Bürgerschaft habe der Staatsrat erklärt, seine Behörde würde über den Neubau von Feuerwachen nicht einmal nachdenken. Derzeit hat Hamburgs Feuerwehr 1840 Leute im Einsatzdienst, 17 Feuer- und Rettungswachen sowie eine Umweltschutzwache.
Die Innenbehörde wirft dem Berufsverband dagegen eine „Vollkasko-Mentalität“ vor. Die Kritik sei „vollkommen fehl am Platze“. Der Neubau einer einzigen Wache kostet zwölf bis 15 Millionen Euro, das erforderliche Personal etwa fünf Millionen Euro im Jahr.
Behördensprecher Frank Reschreiter verweist auf den bereits beschlossenen Neubau der alten Feuerwache Finkenwerder. „Für den Neubau zusätzlicher Wachen sind kurzfristig keine Mittel vorgesehen, es gibt sie einfach nicht.“ Die mittelfristige Finanzplanung sei für eine Zu- oder Absage „noch nicht konkret genug“. Man müsse sich auch über die anzulegenden Maßstäbe klar werden. „Es ist nicht sinnvoll, immer eine 100-prozentige Erfüllung von Zielen anzustreben. Dann sind die letzten Prozentpunkte oft so teuer, dass sie keiner bezahlen kann.“
Das Forplan-Gutachten und die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland halten eine Erfüllungsquote von 95 Prozent in einer modernen Großstadt für angemessen. Demnach müssten in 95 Prozent der Einsätze nach acht Minuten zehn Kräfte vor Ort sein, nach 13 Minuten 16. Der dafür angenommene Fall ist ein Wohnungsbrand in einem Mehrfamilienhaus mit Personenrettung. Die Innenbehörde plant derzeit mit einer Erfüllungsquote von 85 Prozent. Diese abgesenkte Quote soll ab Februar 2014 erreicht werden. „Das ist eine klare Verbesserung“, sagte Reschreiter, der die derzeitig erreichte Erfüllungsquote mit 75 Prozent angibt. Die Feuerwehr selbst sprach von 35 Prozent.
„Um die 85 Prozent im Februar zu schaffen, haben wir 48 Leute eingestellt, die Wache Rossdamm geschlossen, den Krankenstand von 13 auf neun Prozent gedrückt, Personal verschoben und die Weiterbildungskurse zeitlich um die Hälfte verkürzt, sodass rechnerisch und praktisch mehr Leute im Einsatzdienst und auf den Löschzügen sind“, sagte Dahlke. Doch mit nur 85 Prozent Erfüllungsquote möchte die Feuerwehr sich nicht abfinden. Laut Dahlke gibt es „zu viele weiße Flecken“, Stadtteile, in denen die Entfernungen zu den Wachen so groß sind, dass Pünktlichkeit am Einsatzort von vornherein ausgeschlossen ist.
„Wir brauchen viel mehr Feuerwachen“
Daniel Dahlke, der Vorsitzende des Berufsverbands Feuerwehr in Hamburg nannte insbesondere die Stadtteile Niendorf, Langenhorn, Bramfeld, Allermöhe, Fischbek und Rissen. Hier müssten seiner Meinung nach neue Wachen entstehen.
Aus gleichem Grund verlegt werden müssten die Wachen Finkenwerder, Harburg und Billstedt. Das bisher geltende Konzept ist auf die statistisch zu erwartenden 13 Großbrände im Jahr ausgerichtet.
Es gibt deshalb wenige, aber große Wachen in Hamburg. Die Wehren wurden aber den wachsenden Anforderungen durch die moderne Großstadt nie angepasst. „Gemessen am alten Konzept sind wir praktisch immer zu spät oder mit zu wenig Leuten da“, sagte Dahlke.
„Das neue, ab Februar gültige Konzept geht für Hamburg von ungefähr 5500 Wohnungsbränden im Jahr aus und stellt die Personenrettung in den Mittelpunkt. Und das finde ich gut und richtig so.“ Dieses Konzept erfordert aber viele und dafür kleinere Wachen, weil der für Menschenleben gefährliche Wohnungsbrand überall ausbrechen kann. Die Gefahr von Großbränden besteht dagegen vor allem in der Nähe von Industrieanlagen oder Flughäfen. Sie sind heute weniger gefährdet, weil sie oft eigene Feuerwehren unterhalten und der Brandschutz deutlich besser geworden ist.
Behördensprecher Frank Reschreiter sagte, Hamburg sei auf dem richtigen Weg. „Wir bilden aus und stellen ein. Der Personalbestand der Feuerwehr wächst jedes Jahr. Wenn uns jemand vor drei oder vier Jahren so hart kritisiert hätte, wäre das vielleicht noch verständlich gewesen. Aber jetzt?“ Daniel Dahlke hielt der Innenbehörde das Beispiel München vor: Dort werde der Stadtkämmerer jetzt 500 Millionen Euro in die Hand nehmen, fünf Wachen neu und zwei umbauen und entsprechend Personal einstellen, sagte Dahlke. Für Hamburg will Dahlke eine niedriger liegende Latte durchaus gelten lassen. „Wenn wir pro Doppelhaushalt eine neue Wache bauen, wären wir in 18 Jahren durch.“
Behördensprecher Frank Reschreiter hielt dagegen: „München ist München, und Hamburg ist Hamburg. Wir liegen mit unserer Erfüllungsquote von 85 Prozent plus x im Städtevergleich sehr gut. Fragen Sie doch mal in Berlin oder in Bremen!“
Daniel Dahlke dankte dem Innensenator ausdrücklich dafür, dass er die vom Berufsverband geforderte Umstellung der Dienstpläne ermöglicht habe. Dahlke: „Wir können uns jetzt zwischen dem Wechsel von Tag- auf Nachtschicht und umgekehrt vernünftig regenerieren. Deshalb sind auch nicht mehr so viele Leute krank.“