Benefizkonzerte, Ersatzlager, Rechtsbeistand: Tausende Freiwillige, viele in Facebook-Gruppen, bieten jungen Unternehmern ihre Unterstützung an. Der Schaden nach dem Großbrand dürfte in die Millionen gehen.
Hamburg. Viele junge Unternehmen hatten sich in dem riesigen Lagerhallenkomplex am Hammer Deich zu günstigen Mieten angesiedelt. Jetzt droht einigen das Aus, nachdem ein Großbrand am Montag die Lagerhalle in eine Ruine verwandelte. Doch die Hilfsbereitschaft der Hamburger ist groß: Die Angebote reichen von Benefizkonzerten und kostenlosen Ersatzlagern bis hin zu Rechtsbeistand.
Geschäftsleute, von denen längst nicht alle gegen Brandschäden versichert sind, bangen um ihre Existenz, während Musiker den Verlust ihrer Instrumente beklagen. Insgesamt saßen dort mehr als 40 Firmen, die älteren waren im In- und Export tätig.
Leidtragende des Feuerdramas von Hamm sind unter anderem zwei Modelabels, ein Software-Unternehmen und die Nutzer mehrerer Proberäume. Der Schaden dürfte in die Millionen gehen. Doch können die Betroffenen das wahre Ausmaß der Verwüstungen noch immer nicht überblicken, weil der akut einsturzgefährdete Komplex nicht betreten werden darf.
Ein Lichtblick sind da die vielen Hilfsangebote. Vor allem die Musiker erhalten Unterstützung von allen Seiten. So wie Eike Freese, dessen Ton- und Regieräume nach dem Brand nur noch Schutt und Asche sind. „Wir kriegen viel Unterstützung“, sagt er. „Das erschlägt einen fast.“ Neben einzelnen Hilfs- und Spendenangeboten ist auch in dem Internet-Netzwerk Facebook eine wahre Hilfswelle entstanden. Unter dem Titel „Help 4 Hammer Studios“ werden Eindrücke ausgetauscht, Erlebnisse und Verluste geschildert. Und vor allem immer wieder Mitleid bekundet.
Tausende von Menschen sind Gruppen beigetreten, in denen Spenden und andere Hilfen koordiniert werden. Bars und Veranstaltungsorte in und um Hamburg bieten ihre Räume an und laden gemeinsam mit Bands bereits zu ersten Benefizkonzerten ein. Die Erlöse sollen jenen zugutekommen, die in dem Feuer Proberäume und Instrumente verloren haben.
Das Grundproblem aber bleibt: Zwei Tage nach dem verheerenden Großbrand der Lagerhalle am Hammer Deich wissen viele Mieter noch nicht, wie es weitergehen soll. Jan Thelen vom Öko-Modelabel Recolution hat in dem Feuer die gesamte Winterkollektion verloren. Er sagt: „Wir sind quasi noch in Schockstarre und müssen uns erst einmal sortieren.“ Enorm sei jedoch die Resonanz auf die Medienberichte und ihre eigene Berichterstattung auf der Homepage. Über Facebook haben sich in kürzester Zeit fast 100 Menschen bei Recolution gemeldet: Mitleidsbekundungen, Hilfsangebote, aufmunternde Worte. So habe eine Firma aus Wilhelmsburg, deren Beschäftigte den Rauchpilz am Montag sehen konnten, ihre Lagerräume angeboten. Andere Firmen offerieren Rechtsbeistand. Jan Thelen und sein Geschäftspartner sind dankbar für die Angebote und die Anteilnahme. „Jetzt muss nur noch die Versicherung zahlen“, sagt er. Dann ginge es schon wieder bergauf.
Ein weiteres Start-up-Unternehmen, das ökologische Surf-Label kb. Klabauter, muss ebenfalls um sein Überleben zittern. Im Firmenkomplex, der an die Ruine grenzt, stehen die Näh- und Schneidemaschine des erst im Juni gegründeten Unternehmens. Auch die bisher gefertigten Taschen, Surf-Klamotten, T-Shirts und Kapuzenpullover werden dort gelagert. Alles zusammen hat einen Wert von mehr als 15.000 Euro. Doch Tim Lüneburg, der das Label zusammen mit Alexander Roeske gegründet hat, darf wie alle anderen Geschädigten die Räume neben der baufälligen Halle nicht betreten. „Hauptsache, die Maschinen sind unversehrt“, sagt Lüneburg. Wegen der starken Rauchentwicklung hat der 33-Jährige die Textilien aber schon mehr oder weniger abgeschrieben. Das sei finanziell ein herber Schlag, kaum verkraftbar, sagt Lüneburg, „weil uns dadurch das Weihnachtsgeschäft entgeht“.
Viele Freunde haben auf der Facebook-Seite von kb.Klabauter bereits ihr Mitgefühl mit den jungen Firmengründern bekundet. „Wir müssen jetzt eine neue Fläche finden, und dann machen wir weiter“, sagt Lüneburg. Er klingt tapfer. Oder versucht es zumindest.
In der zerstörten Halle können die Brandermittler vermutlich erst in einigen Tagen Spuren sichern – eben weil niemand hineindarf. Im Januar 2012 standen Brandermittler des Landeskriminalamts vor vergleichbaren Problemen. Damals war an der Nartenstraße in Harburg eine Lagerhalle niedergebrannt, in der Kautschuk gelagert war.
Zwar konnte nicht die exakte Ursache des Feuers ermittelt werden. Es gab jedoch mehrere Spuren, die auf einen technischen Defekt an einem Gabelstapler oder an einem Stromkasten als Brandursache hinwiesen. Nahezu ausgeschlossen werden konnte, dass in dem Fall das Feuer gelegt worden war.
Ob der Großbrand früher eingedämmt worden wäre, wenn das aus Harburg angeforderte Löschboot früher am Hammer Deich gewesen wäre, ist unklar. Exakt eine Stunde und 39 Minuten brauchte das Boot, das zudem zwei Schleusen passieren musste. Möglicherweise hätte das Löschboot der Innenstadtwache an der Kehrwiederspitze nicht so lange gebraucht. Doch das „LB 11“ war zum 1. Juni 2013 „temporär“ außer Dienst gestellt worden, weil das Personal anderweitig benötigt wurde. Wie die Feuerwehr auf Abendblatt-Anfrage bestätigte soll es mit seiner dreiköpfigen Besatzung vom 1. Februar an wieder eingesetzt werden. Möglich wird das durch Umstrukturierungen im Zuge der sogenannten Schutzzielumstellung bei der Feuerwehr.