Etwa 500 Personen kamen zu der unangemeldeten Demonstration. Nach den Kontrolleinsätzen der Polizei kam es in den vergangenen Tagen immer wieder zu Protesten.
Neustadt. Rund 500 Unterstützer der sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge haben sich am Donnerstagabend zu einer nicht angemeldeten Protestaktion auf dem Gänsemarkt versammelt. Die Polizei kesselte sie ein und verhinderte einen Zug durch die City. Laut Polizei kam es zu einigen Rangeleien zwischen Linksautonomen und Beamten. Später ließ die Polizei die Teilnehmer im strömenden Regen auseinandergehen. Erst am Dienstag waren bei Ausschreitungen im Schanzenviertel zehn Polizisten verletzt worden.
Um 19 Uhr stürmten aus mehreren Richtungen schwarz gekleidete Demonstranten auf den Gänsemarkt. Viele kamen aus den U-Bahn-Ausgängen. Als sie sich zu einem Demonstrationszug formten, um über den Jungfernstieg zum Rathaus zu marschieren, stoppte die Polizei den Aufzug. Die Teilnehmer strömten zurück auf den Gänsemarkt und wurden eingekesselt.
Mehrere Versuche der Polizei, einen Ansprechpartner aus den Reihen der Demonstranten zu bekommen, der sich als Anmelder für einen Aufzug zur Verfügung stellt, scheiterten. Gut eine halbe Stunde lang skandierten die Demonstranten Parolen. Zudem wurden Leuchtraketen abgeschossen. Schon gegen 19.35 Uhr wanderten die ersten Teilnehmer wieder ab. Nur einzeln oder in kleinen Gruppen durften die Demonstranten den Gänsemarkt in Richtung Dammtorstraße verlassen. Danach tauchten im Stadtgebiet immer wieder Gruppen von Demonstranten auf – so auch im Hauptbahnhof. Bis Redaktionsschluss kam es zu keinen größeren Zwischenfällen. Die Flüchtlingsgruppe „Lampedusa in Hamburg“ hatte unterdessen einen offenen Brief an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Innensenator Michael Neumann (SPD) geschrieben. Damit wolle sie ihr Gesprächsangebot „in aller Deutlichkeit ein weiteres Mal erneuern“. Nur ein konstruktives Gespräch zwischen allen Beteiligten könnte einen „Ausweg aus der Spirale der Eskalation“ schaffen. Der offene Brief ist von vier Sprechern der Gruppe unterzeichnet – mit Namen und Telefonnummer.
In dem offenen Brief heißt es: „Wir haben um Gespräche mit Ihnen, der Hamburger Regierung, zur Findung einer politischen Lösung für unsere traumatische und rechtlose Lage gebeten. Sie haben nicht das Gespräch mit uns gesucht, sondern sich hinter einem Gesetz versteckt, welches für uns eine Bedrohung unserer Leben ist.“ Und weiter: „Sie haben (…) die Rückführung nach Italien als einzige (gesetzliche) Möglichkeit dargestellt und ignorieren dabei die gefährliche Situation, in der sich Flüchtlinge dort wiederfinden.“
Die Flüchtlinge seien „nicht grundsätzlich dagegen“, den Behörden ihre Papiere auszuhändigen, sodass Recht geltend gemacht werden könne. „Angesichts der Ablehnung jeglicher Annäherung und Offenheit unserer existenziellen Not, befürchten wir jedoch, dass Sie lediglich unsere unmenschliche Abschiebung vorbereiten. In unserer verzweifelten Lage müssen wir wissen, was passiert, wenn wir uns den Behörden anvertrauen.“
Der Senat ließ am Donnerstag verlauten, dass man auf offene Briefe grundsätzlich nicht reagiere. Die Ausländerbehörde hingegen wehrte sich gegen den Vorwurf, die Flüchtlinge einfach nur abschieben zu wollen. Ein Sprecher der Ausländerbehörde bestätigte, dass einem von der Polizei aufgegriffenen Mann aus Togo nach der ausländerrechtlichen Anhörung sofort eine Ausreiseaufforderung ausgehändigt wurde. Der Sprecher sagt aber auch: „Dieser Mann war bereits Ende 2012 in Hamburg angetroffen und zur Ausreise aufgefordert worden. Dieser Aufforderung kam er damals freiwillig nach.“
Seit Monaten schwelt der Streit um den Verbleib der etwa 300 Afrikaner, die Anfang des Jahres über Libyen und Italien nach Hamburg gekommen waren. Wie aus einem internen Schreiben der Innenbehörde hervorgeht, hat die Polizei seit Freitag vergangener Woche bereits rund 60 Personen kontrolliert, „von denen knapp die Hälfte nach erkennungsdienstlicher Behandlung bei der Polizei an die Ausländerbehörde überstellt wurde, damit diese die ausländerrechtlichen Verfahren einleiten kann.“
Die Polizei setzte am Donnerstag ihre Kontrollen illegaler Flüchtlinge fort. Teils wurden die Beamten dabei von Anhängern der linken Szene gestört. Bereits am Morgen hatten knapp 30 Protestler den Berufsverkehr auf der St. Pauli-Hafenstraße zu Erliegen gebracht. Sie blockierten die Straße für knapp eine halbe Stunde. Gegen 9 Uhr war sie wieder frei. Für heute Tag sind weitere Protestaktionen geplant.
Nach der Ankündigung der linken Szene, auch mit nicht legalen Protesten gegen die Flüchtlingspolitik des Senats vorgehen zu wollen, hat die Polizei den Schutz von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Innensenator Michael Neumann (SPD) verstärkt. Die Sicherheitsstufen der Politiker wurden erhöht, hieß es aus Polizeikreisen. Details wurden nicht genannt. Den Schutz für den Bürgermeister hatte die Polizei erstmals am Dienstag erhöht. So hatte sie ihre Präsenz am Wohnort des Bürgermeisters in Altona bereits während der Krawalle im Schanzenviertel deutlich erhöht. Grund: Versprengte Gruppen gewaltbereiter Autonomer hatten sich der Wohnstraße genähert, woraufhin zwei Züge der Bereitschaftspolizei vor dem Mehrfamilienhaus in Stellung gebracht wurden. Informationen des Abendblatts aus Polizeikreisen, wonach die Randalierer gezielt zu der Wohnung von Scholz gelangen wollten, wiesen offizielle Stellen jedoch zurück.
Olaf Scholz war bereits mehrfach Opfer von Anschlägen: 2001, Scholz war damals Innensenator, gossen Unbekannte Buttersäure durch den Briefschlitz seiner Wohnung. Linksautonome wollten mit der Tat gegen einen Brechmitteleinsatz protestieren, bei dem ein 19-jähriger Nigerianer zu Tode gekommen war. Das Thema spielt auch in der aktuellen Debatte in linken Internetforen wieder eine Rolle: „Olaf Scholz hat die Verfolgung von Flüchtlingen zu seiner persönlichen Chefsache erklärt, um eine bundespolitische Karriere voranzubringen und sich als harter Hund zu präsentieren“, hieß es in einem Gewaltaufruf in dieser Woche.