Etwa 500 Personen kamen zu der unangemeldeten Demonstration. Nach den Kontrolleinsätzen der Polizei kam es in den vergangenen Tagen immer wieder zu Protesten.

Hamburg. Um 19 Uhr stürmten aus mehreren Richtungen schwarz gekleidete Demonstranten auf den Gänsemarkt. Viele kamen aus den U-Bahnabgängen. Die knapp 500 Protestler formierten sich auf der Straße zu einem Demonstrationszug, wollten den Jungfernstieg in Richtung Rathaus marschieren. Die Polizei war vorbereitet und stoppte die Demonstranten nach wenigen Metern.

Die Demonstranten gingen zurück auf den Gänsemarkt und wurden dort eingekesselt. Mehrere Versuche der Polizei einen Ansprechpartner aus den Reihen der Demonstranten zu bekommen, der sich als Anmelder für einen Aufzug zur Verfügung stellt, scheiterten. Gut eine halbe Stunde riefen die Demonstranten Parolen. Leuchtraketen wurden abgeschossen.

Insgesamt blieb es vermutlich angesichts der massiven Polizeipräsenz friedlich. Gegen 19.35 Uhr wanderten die ersten Teilnehmer der Aktion ab. Nur einzelne Personen oder kleine Gruppen durften den Gänsemarkt in Richtung Dammtorstraße verlassen. Kurz nach 20 Uhr waren nur noch einige Demonstranten auf dem Gänsemarkt.

Im Anschluss tauchten im Stadtgebiet, unter anderem am Hauptbahnhof, immer wieder Gruppen mit Demonstranten auf. Zunächst kam es dabei zu keinen größeren Zwischenfällen.

Im Internet wird jedoch schon zu einer weiteren Aktion aufgerufen: Freitag soll der Bahnhof Dammtor ab 9.30 Uhr für zwei Stunden blockiert werden.

Offener Brief an Olaf Scholz

Nachdem sich die Situation um die in Hamburg lebenden Flüchtlinge in den vergangenen Tagen zugespitzt hat, signalisiert die Flüchtlingsgruppe „Lampedusa in Hamburg“ nun Gesprächsbereitschaft. In einem Offenen Brief haben sie sich an Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann (beide SPD) gewandt. Mit dem Schreiben wollen sie ihr Gesprächsangebot „in aller Deutlichkeit ein weiteres Mal erneuern“. Nur ein konstruktives Gespräch zwischen allen Beteiligten könnte einen „Ausweg aus der Spirale der Eskalation“ schaffen. Der Offene Brief ist von vier Sprechern der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ unterzeichnet - mit vollem Namen und Telefonnummer.

In dem Offenen Brief heißt es: „Wir haben um Gespräche mit Ihnen, der Hamburger Regierung, zur Findung einer politischen Lösung für unsere traumatische und rechtlose Lage gebeten. Sie haben nicht das Gespräch mit uns gesucht, sondern sich hinter einem Gesetz versteckt, welches für uns eine Bedrohung unserer Leben ist.“ Und weiter: „Sie haben (...) die Rückführung nach Italien als einzige (gesetzliche) Möglichkeit dargestellt und ignorieren dabei die gefährliche Situation, in der sich Flüchtlinge dort wiederfinden.“

Innenbehörde forderte Offenlegung der Identitäten

In dem Schreiben gehen die Verfasser auch auf den derzeit brisantesten Aspekt ein: Die von der Innenbehörde geforderte Offenlegung ihrer Identitäten. Diese Forderung sorgte in den vergangenen Tagen wiederholt für teils gewalttätige Protestaktionen in der Stadt. In dem Schreiben wehren sich die Flüchtlinge gegen den Vorwurf, sie würden sich weigern, ihre Identität preiszugeben. „Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, unsere Papiere den Behörden auszuhändigen, sodass Recht geltend gemacht werden kann. Angesichts der Ablehnung jeglicher Annäherung und Offenheit unserer existentiellen Not, befürchten wir jedoch, dass Sie lediglich unserer unmenschliche Abschiebung vorbereiten. In unserer verzweifelten Lage müssen wir wissen, was passiert, wenn wir uns den Behörden anvertrauen.“

Seit Monaten tobt der Streit um den Verbleib der schätzungsweise 300 Afrikaner, die Anfang des Jahres über Libyen und Italien nach Hamburg gekommen waren. 80 von ihnen gewährt die St. Pauli Kirche seit Juni Obdach. Diese Gruppe fordert, dass ausnahmslos alle Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitserlaubnis in Hamburg bekommen. Das Bleiberecht solle ihrer Meinung nach aus humanitären Gründen gewährt werden, ohne dass die individuellen Umstände der einzelnen Flüchtlinge geprüft werden sollen.

Der Senat ließ am Donnerstag verlauten, dass man auf Offene Briefe grundsätzlich nicht reagiere. In einem internen Schreiben der Hamburger Innenbehörde, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es: „Hamburgs Senat sieht keine rechtlichen Möglichkeiten, dieser Forderung nachzukommen, zumal die Männer offenbar in Italien Zuflucht gefunden hatten.“ Mit der Weigerung der Flüchtlinge, sich an die Behörden zu wenden, werde die Einzelfallprüfung unmöglich gemacht: Diese Prüfung dient gerade dem Zweck, beurteilen zu können, inwieweit durch den Staat Schutz vor Verfolgung zu gewähren ist.

Eine Einzelfallprüfung habe zum Ziel, den in vielen Fällen illegalen Aufenthalt der Flüchtlinge zu beenden – entweder durch einen Wechsel in einen legalen Aufenthalt oder durch eine Rückführung. Diese Entscheidung wird nach einer Einzelfallprüfung getroffen. Eine Rückführung sei jedoch immer die „Ultima Ratio“. Keineswegs würden Flüchtlinge - wie befürchtet - nach einer Kontrolle umgehend abgeschoben werden.

Auf der Pressekonferenz am Freitag wollen Sprecher der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” Stellung zu den Ereignissen der vergangenen Tage beziehen. (HA)