In dem Schreiben wollen die sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge dem Senat Gesprächsbereitschaft signalisieren. In dem Brief erklären sie auch, warum sie ihre Identitäten bisher nicht preisgegeben haben.

Hamburg. Nachdem sich die Situation um die in Hamburg lebenden Flüchtlinge in den vergangenen Tagen zugespitzt hat, signalisiert die Flüchtlingsgruppe „Lampedusa in Hamburg“ nun Gesprächsbereitschaft. In einem Offenen Brief haben sie sich an Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann (beide SPD) gewandt. Mit dem Schreiben wollen sie ihr Gesprächsangebot „in aller Deutlichkeit ein weiteres Mal erneuern“. Nur ein konstruktives Gespräch zwischen allen Beteiligten könnte einen „Ausweg aus der Spirale der Eskalation“ schaffen. Der Offene Brief ist von vier Sprechern der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ unterzeichnet - mit vollem Namen und Telefonnummer.

In dem Offenen Brief heißt es: „Wir haben um Gespräche mit Ihnen, der Hamburger Regierung, zur Findung einer politischen Lösung für unsere traumatische und rechtlose Lage gebeten. Sie haben nicht das Gespräch mit uns gesucht, sondern sich hinter einem Gesetz versteckt, welches für uns eine Bedrohung unserer Leben ist.“ Und weiter: „Sie haben (...) die Rückführung nach Italien als einzige (gesetzliche) Möglichkeit dargestellt und ignorieren dabei die gefährliche Situation, in der sich Flüchtlinge dort wiederfinden.“

In dem Schreiben gehen die Verfasser auch auf den derzeit brisantesten Aspekt ein: Die von der Innenbehörde geforderte Offenlegung ihrer Identitäten. Diese Forderung sorgte in den vergangenen Tagen wiederholt für teils gewalttätige Protestaktionen in der Stadt. In dem Schreiben wehren sich die Flüchtlinge gegen den Vorwurf, sie würden sich weigern, ihre Identität preiszugeben. „Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, unsere Papiere den Behörden auszuhändigen, sodass Recht geltend gemacht werden kann. Angesichts der Ablehnung jeglicher Annäherung und Offenheit unserer existentiellen Not, befürchten wir jedoch, dass Sie lediglich unserer unmenschliche Abschiebung vorbereiten. In unserer verzweifelten Lage müssen wir wissen, was passiert, wenn wir uns den Behörden anvertrauen.“

Seit Monaten tobt der Streit um den Verbleib der schätzungsweise 300 Afrikaner, die Anfang des Jahres über Libyen und Italien nach Hamburg gekommen waren. 80 von ihnen gewährt die St. Pauli Kirche seit Juni Obdach. Diese Gruppe fordert, dass ausnahmslos alle Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitserlaubnis in Hamburg bekommen. Das Bleiberecht solle ihrer Meinung nach aus humanitären Gründen gewährt werden, ohne dass die individuellen Umstände der einzelnen Flüchtlinge geprüft werden sollen.

Der Senat ließ am Donnerstag verlauten, dass man auf Offene Briefe grundsätzlich nicht reagiere. In einem internen Schreiben der Hamburger Innenbehörde, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es: „Hamburgs Senat sieht keine rechtlichen Möglichkeiten, dieser Forderung nachzukommen, zumal die Männer offenbar in Italien Zuflucht gefunden hatten.“ Mit der Weigerung der Flüchtlinge, sich an die Behörden zu wenden, werde die Einzelfallprüfung unmöglich gemacht: Diese Prüfung dient gerade dem Zweck, beurteilen zu können, inwieweit durch den Staat Schutz vor Verfolgung zu gewähren ist.

Eine Einzelfallprüfung habe zum Ziel, den in vielen Fällen illegalen Aufenthalt der Flüchtlinge zu beenden – entweder durch einen Wechsel in einen legalen Aufenthalt oder durch eine Rückführung. Diese Entscheidung wird nach einer Einzelfallprüfung getroffen. Eine Rückführung sei jedoch immer die „Ultima Ratio“. Keineswegs würden Flüchtlinge - wie befürchtet - nach einer Kontrolle umgehend abgeschoben werden.

Nach vermehrten Kontrolleinsätzen der Polizei war es in den vergangenen Tagen immer wieder zu Protesten gekommen. Auch für den Donnerstagabend (19 Uhr) ist eine Solidaritätskundgebung auf dem Gänsemarkt geplant. Im Internet wird außerdem zu einer zweistündigen Blockade des Dammtor Bahnhofs aufgerufen.

Auf der Pressekonferenz am Freitag wollen Sprecher der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” Stellung zu den Ereignissen der vergangenen Tage beziehen.