Hamburg. Ungewöhnliche Prävention im AK Altona: Der schwer kranke Lienhard Laube stellt sich den Fragen der Schüler.

Der Mann mit dem ungewöhnlich Namen Lienhard Laube ist schwer krank. Er ist sogar todkrank. Und er ist sehr tapfer. Ganz offen berichtet der 77-Jährige von seinem jahrelangem Kampf gegen schwere Krankheiten – und von der Perspektivlosigkeit, die trotz aller Bemühungen weiter besteht.

Lienhard Laube setzt sich mit seinem Leidensweg immer wieder auseinander, tut das sogar öffentlich. Er will warnen – vor dem Rauchen. Seit einigen Jahren stellt er sich im Asklepios Klinikum Altona für Gespräche mit Schulklassen zur Verfügung, erzählt von seiner Krankengeschichte und seinem unendlich beschwerlichen Alltag.

Draht zu Kindern

Er ist im Präventionsprogramm der Schulen längst so etwas wie eine feste Größe. Ein Mann, der den Draht zu Kindern herstellen kann – trotz allem. Allein im Juni und Juli, bis kurz vor den Sommerferien, hat sich Lienhard Laube neun Schülergruppen gestellt und damit rund 150 Kinder und Jugendliche und deren Lehrer erreicht.

An diesem Tag sind 26 Jungs und Mädchen einer sechsten Klasse der Gemeinschaftsschule Schenefeld angemeldet. Aufgeregt warten sie in einem Vorraum, schielen schon mal zu dem kleinen Frühstücksbüfett, welches das Team von Asklepios für sie vorbereitet hat. Lienhard Laube ist schon da. Er wartet an einem Tisch in einem Raum, der etwas abgedunkelt wurde. Laube ist fast blind, das helle Tageslicht quält ihn. Er wirkt sehr angegriffen, reißt sich spürbar zusammen.

Er muss und will reden

Immer wieder geht ein Ruck durch seinen geschwächten Körper, aber er muss und will reden – auch wenn es ihm fürchterliche Mühe bereitet. Seit einer Kehlkopfresektion und einem Luftröhrenschnitt (Tracheostoma) kann er nur noch mit Hilfe einer Kanüle sprechen und atmen. Zum Reden muss er die permanente Öffnung an seinem unteren Hals mit dem Finger zuhalten. Will er einatmen, zieht Laube den Finger weg. Die Stimme ist dank langen Trainings klangvoll und sehr gut verständlich, aber Laube ist die Anstrengung anzumerken. Immer noch, so scheint es, erfordert das Wechselspiel aus Sprechen und Atmen viel Konzentration, außerdem wird er schnell heiser und muss sich unter großen Mühen räuspern. Die Schüler betreten vergnügt den Raum, doch Laubes Gegenwart macht sie zunächst still und befangen.

Andrea Castillo-Sohre, im Krankenhaus Referentin für PR und Marketing, begrüßt die Schüler. Auf sie geht die Initiative für die ungewöhnliche Prävention zurück. Irgendwann hatte sie Lienhard Laube einfach gefragt – und er war einverstanden. Mit ihrer offensiven Art trifft sie genau den richtigen Ton. Dabei baut sie Hemmungen ab, lockert die Runde sogar ein wenig auf. „Vom Krebs ist Herr Laube geheilt, aber es ist eine andere Krankheit, die ihn so schwächt und an der er auch sterben wird“, sagt sie. Die Kinder tuscheln, blicken immer wieder nach vorne zu Lienhard Laube. Mit im Raum ist der Leiter der pneumologischen Abteilung, Privatdozent Dr. Hans-Peter Hauber. Er wird im Anschluss an die Gesprächsrunde mit Laube einen jugendgerechten Medizinvortrag zum Thema halten und weitere Fragen der Schüler beantworten.

Als 15-Jähriger mit dem Rauchen angefangen

Lienhard Laube berichtet, wie er als 15-Jähriger mit dem Rauchen anfing – „das war damals ganz leicht. Leider“. Vor zehn Jahren bekam er das, was zunächst für eine hartnäckige Halsentzündung gehalten wurde. Erst der dritte Arzt habe dann erkannt: „Herr Laube, Sie haben da einen Tumor.“ Es folgte ein Kampf ums Überleben – und ein langer Leidensweg. Insgesamt acht schwere Operationen musste der drahtige Mann, der nie ernsthaft krank gewesen war, über sich ergehen lassen.

Eigentlich sollte der quälende Luftröhrenschnitt nur eine vorübergehende Maßnahme sein, doch die starken, unvermeidlichen Bestrahlungen zerstörten letztlich zu viel Gewebe. Die Kanüle im Hals musste bleiben, ein einjähriges Training mit einer Logopädin folgte. Besonders tragisch: Obwohl die Therapien anschlugen und der Patient deutliche Fortschritte machte, besserte sich sein Zustand nicht wesentlich. Vor allem starke Luftnot machte ihm zu schaffen. Schließlich stellten die Ärzte fest, dass er auch noch an der unheilbaren Lungenkrankheit COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) leidet, der von Andrea Castillo-Sohre erwähnten „anderen Krankheit“.

Jeder kleine Spaziergang wird zum Kraftakt

Beklommene Stille, als Laube von seinem heutigen Alltag berichtet. „Ich kann nichts mehr von dem, was ihr könnt und was euch Freude bereitet“, sagt er in die Runde. „Ich kann nicht baden gehen, nicht durch den Park spazieren. Alles strengt mich total an, nach 100 Metern bin ich völlig fertig.“ Schüler Alexander fasst sich ein Herz, fragt: „Können Sie auch duschen?“ Nein, das sei ausgeschlossen, erwidert Laube, er könne sich nur in der halb gefüllten Badewanne waschen. Immer unbefangener werden die Schüler – auch dank Laubes unsentimentaler Art.

„Wie lange dauert es, bis man an diesem COPD stirbt“, fragt Jamila etwas scheu. Antwort Lienhard Laube: „Das weiß ich nicht. Aber dass es passieren wird, ist sicher.“ Zum Schluss berichtet Laube davon, wie er einmal für Jahre Nichtraucher war und dann doch wieder anfing. „Lasst es“, sagt er mit großer Anstrengung, „versprecht mir, nicht zu rauchen.“ Die Schüler nicken – und versprechen es. Aus Überzeugung.