Hamburg. Nabu kämpft um Raum für Kiebitze, Landwirte um ihre Existenz. Streit endet mit Kompromiss – vorerst.
Für die einen ist es ein Durchbruch, für andere ein fauler Kompromiss. Klar ist, dass sich am Mittwoch der Altonaer Planungsausschuss deutlich für einen Bebauungsplan ausgesprochen hat. Nur einige kleine Änderungen sollen noch eingearbeitet werden. Damit endet eine jahrelange Auseinandersetzung um die Feldmark – zumindest vorerst, denn Anwälte sind bereits in Stellung.
Darum geht es: Gestritten wird um eine der letzten grünen Schneisen Hamburgs. Im Westen erstreckt sich die Sülldorf-Rissener Feldmark, ein rund 650 Hektar großes Naherholungs- und Landschaftsschutzgebiet, das durch landwirtschaftliche Betriebe geprägt wird. Bislang gab es keinen Bebauungsplan für dieses Gebiet. Das soll sich ändern. Allerdings nicht, weil dort maßlos gebaut werden soll, sondern um die Feldmark genau davor zu beschützen. Die Idee ist es, Grünflächen festzulegen und genaue Baufelder für die Bauernhöfe auszuweisen.
Landwirte fürchten um ihre Existenz
Während die Naturschutzverbände sich für möglichst viel unberührte Natur einsetzen, fürchten die ansässigen Landwirte um ihre Existenz. Knapp ein halbes Jahr wurde nun intensiv an dem Kompromiss gearbeitet, der am Mittwoch von einer großen politischen Mehrheit befürwortet wurde. Nur Teile der CDU und die FDP sprachen sich dagegen aus. Der Kompromiss sieht weniger Ausgleichsflächen (23 statt 43 Hektar), kein Dauergrünland und größere Baufelder für die Bauernhöfe vor. Er lässt aber keine Hofcafés oder Ähnliches zu.
Für die Landwirte ist der Plan ein Graus. Ihrem Unmut machten sie im Altonaer Rathaus Luft. Landwirtin Agnes Timmermann, die auch Vorstandsmitglied im Verein zum Erhalt der Kulturlandschaft Rissen-Sülldorf ist, appellierte an die Politiker, von den Plänen Abstand zu nehmen. Betriebe mit rund 100 Arbeitsplätzen seien gefährdet, zudem würden Landwirte aktiven Landschaftsschutz betreiben. „Das kann selbst der beste steuer- oder ausgleichsfinanzierte Naturschutz in der Praxis vor Ort weder personell noch fristgerecht so leisten“, betonte Timmermann. Sie fand kein Gehör.
Naturschützern nicht nach Jubeln zumute
Doch auch den Naturschützern ist nicht nach Jubeln zumute. Aus ihrer Sicht wurden zu viele Abstriche beim Naturschutz zugunsten der Landwirtschaft gemacht. Besonders kritisiert der Naturschutzbund (Nabu), dass die einst vorgesehenen 175 Hektar Dauergrünland ersatzlos gestrichen wurden. „Das wäre eine sehr gute Maßnahme zum Schutz des Kiebitzes gewesen“, sagt Christian Gerbich vom Nabu.
Denn das Patentier des Altonaer Bezirks ist bedroht. Laut Nabu ist der Hamburger Bestand innerhalb von fünf Jahren um 52 Prozent zurückgegangen. In der Sülldorf-Rissener Feldmark ist der Kiebitz noch zu finden. Aber es werden immer weniger Tiere, weil Rückzugsräume fehlten. Zählte der Nabu in den 90er-Jahren bis zu 33 Brutpaare, waren es 2016 nur noch sechs.
Nabu begrüßt den Kompromiss
Grundsätzlich aber begrüßt der Nabu den Kompromiss, weil er die weitere Bebauung der Feldmark verhindere. Der Nabu wirft den Landwirten Schwarzbauten vor. „Wir gehen von bis zu zehn illegalen Nutzungen aus“, so eine Sprecherin. Zudem fürchtet man die Intensivierung der Landwirtschaft. Gerbich dazu: „Alles ist besser als der jetzige Zustand.“