Altona. Rot-Grün will Bebauungsplan für 640 Hektar Sülldorf-Rissener Grüngebiete festsetzen – Kritik von allen Seiten.

Zwei Jahre haben die rot-grünen Koalitionäre in Altona jetzt nachgebessert. Runde Tische mit Bauern und Naturschützern wurden einberufen und entnervt wieder verlassen. Eine letzte Abstimmungsrunde zwischen Umwelt-, Wirtschaftsbehörde und Bezirksamt sollte im Juli noch Unstimmigkeiten ausräumen und war nur mäßig erfolgreich. Jetzt hat die Verwaltung ihren überarbeiteten Bebauungsplanentwurf für 640 Hektar Sülldorf-Rissener Feldmark im Planungsausschuss Altona vorgelegt –, und die Kontrahenten sind wieder genauso wütend wie vor zwei Jahren.

„Zwischen den Behörden hatte es eine Einigung gegeben, aber das Bezirksamt hat sie nicht in den Plan übernommen“, sagt Alexander Ramcke für die Landwirte. „So wird den Betrieben jede Entwicklungsmöglichkeit genommen“. Die angeblichen Verbesserungen des Bebauungsplanes Rissen 44 / Sülldorf 18 / Iserbrook 26 seien „Augenwischerei“.

Baurecht soll auf die Hofstellen beschränkt werden

Es geht um die Pachtflächen für landwirtschaftliche Nutzungen und um Erweiterungsmöglichkeiten. Immer mehr landwirtschaftliche Fläche muss als Ausgleichsfläche für anderweitig betriebenen Wohnungsbau herhalten und wird den Bauern entzogen. 23 Hektar sieht der neue Planentwurf dafür vor und einem Vermerk, bei Bedarf auf weitere Flächen zugreifen zu können.

Das Baurecht soll auf die Hofstellen beschränkt werden. Die Bestandsgebäude aber seien unvollständig und fehlerhaft eingetragen, weshalb die dargestellten Potenziale nicht der Realität entsprächen, sagt Ramcke. Hofläden, Cafés und Fremdenzimmer würden genauso verboten wie die Umnutzung alter Hofgebäude zu Werkstätten oder dergleichen. „Dinge, die Landwirte überall in Hamburg genehmigt bekämen“, sagt Ramcke.

Naturschützer sehen Bauern als Hauptschuldige für Artenschwund

Entfallen sei auch die angekündigte Prüfung, ob die geplanten Festsetzungen für die Betriebe existenzgefährdend sind. Angesichts der 2014 geplanten Festsetzungen hatte ein Gutachten der Wirtschaftsbehörde 16 der 18 Betriebe für bedroht erklärt.

Die Naturschützer dagegen sehen die Bauern als Hauptschuldige für den Artenschwund. Außerdem habe der jahrelange Trend zur Pferdewirtschaft den Niedergang der klassischer Landwirtschaft bewirkt und mit dem neuen Publikum Verkehr in Räume gezogen, die der Natur vorbehalten bleiben sollten. Nabu-Chef Alexander Porschke hält die Existenzängste der Landwirte für vorgegaukelt, das Gutachten käme von parteiischer Seite. Der Bebauungsplanentwurf, der eigentlich einen Interessenausgleich zwischen Natur und Landwirtschaft bringen sollte, sei „definitiv kein Kompromiss. Jetzt geht es dem Kiebitz an den Kragen.“

Zwischen den Fronten laviert die Politik

Die für spätere Bauprojekte reservierten Ausgleichsflächen in der Feldmark seien um etwa die Hälfte reduziert, die Baufenster für die Höfe massiv ausgeweitet worden. Ursprünglich sollte für 175 Hektar Grünland ein Umbruchverbot festgesetzt werden. Der neue Entwurf sieht dafür gar keine Flächen mehr vor. Damit gehe der Lebensraum für die Wiesenbrüter verloren sagte Porschke. „Politik und Verwaltung stellen damit die wirtschaftlichen Interessen Einzelner vor den Schutz der Natur.“ Ähnlich äußerte sich der BUND.

Zwischen den Fronten laviert die Politik. Der Bezirk soll auf den Weg bringen, was, so die Altonaer Grüne Gesche Boehlich, im Wesentlichen schon auf Senatsebene zwischen Umwelt- und Wirtschaftsbehörde ausgehandelt wurde. Das Bezirksamt erklärte, es sei zum Verzicht auf das Umbruchverbot für 175 Hektar Grünland „gezwungen worden“. Aber gegen die Senatsebene könne der Plan nicht Gesetz werden, das Veto einer einzigen Fachbehörde reiche, um ihn in der Versenkung verschwinden zu lassen.

Das ist in der langen Geschichte dieses Bebauungsplanverfahrens schon öfter passiert. Seit 1998 ringen die Konfliktparteien mit Bezirksamt, Politik und Fachbehörden um die baurechtlichen Ausweisungen in der Feldmark. Im Hintergrund drohen Gerichtsverfahren und mehr als 50, bislang mit Hinweis auf das laufende Planverfahren zurückgestellte Bauvoranfragen und Bauanträge. Irgendwann werden sie beschieden werden müssen.

Die SPD will deshalb den Plan als „guten Kompromiss“ jetzt zügig vorantreiben, öffentlich auslegen und beschließen. CDU und FDP dagegen wollen den Plan fallen lassen.

Das Planziel „Erhalt der Feldmark“ sowohl für die Landwirtschaft als auch für wertvolle Natur bei Beschränkung der baulichen Erweiterungsmöglichkeiten auf die Hofstellen könnte auch mit Verträgen erreicht werden, sagte CDU-Fraktionschef Uwe Szczesny. Den Plan weiter zu verfolgen, werde keine der Konfliktparteien zufrieden stellen und zu Gerichtsverfahren führen. Falle der Plan aber vor dem Kadi durch, gelte wieder altes Baurecht. Und damit würden die jetzt zurückgestellten Bauanträge der Bauern in großer Zahl genehmigt werden müssen.

Am Ende der Debatte vertagte sich die Politik. In vier Wochen sollen die Fraktionen der Verwaltung sagen, welche Änderungen noch einfließen sollen. Danach will Rot-Grün den Plan zur öffentlichen Auslegung beschließen.