Hamburg. Kabarettist Emmanuel Peterfalvi diskutiert in Hamburg mit Jugendlichen über Demokratie. Bei welchem Thema diese fassungslos reagieren.

Seine orangefarbene Trainingsjacke hat Emmanuel Peterfalvi im Rucksack gelassen. Sein Puschelmikrofon hat er auch nicht dabei, denn der Kabarettist ist an diesem Tag nicht als „Alfons“ ins Institut français in Hamburg-Rotherbaum gekommen, sondern nutzt seine Popularität, um mit Jugendlichen über Demokratie zu sprechen. Dafür sucht er bundesweit den Kontakt zu Schülerinnen und Schülern, verschafft ihnen günstige Karten für seine Auftritte und trifft sie danach. Warum? Weil er sich Sorgen um den Zustand Deutschlands und der Welt macht.

Als Vorbereitung für einen solchen Termin in Hamburg haben etwa 30 Oberstufenschüler des Luisen-Gymnasiums Bergedorf und des Gymnasiums Süderelbe im Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek seine Vorstellung besucht. „Alfons – jetzt noch deutscherer“, heißt das Programm, in dem der Kabarettist die persönlichen Gründe für seine Einbürgerung nach 30 Jahren in Deutschland schildert.

Alfons diskutiert mit Jugendlichen über Demokratie

Teile davon sind überaus komisch, bei anderen stockt einem der Atem, denn Peterfalvi spannt den Bogen bis in die Nazizeit, als seine Großmutter und sein Urgroßvater in Auschwitz waren. Seine „grand mère“ (deutsch: Großmutter), wie er sie nennt, hat überlebt, sein Urgroßvater nicht.

Peterfalvi will mit den Schülern darüber diskutieren, wie schnell sich die politische Stimmung im Land verändern kann. Eingangs zeigt er ihnen eine kleine Video-Sequenz, in der er einen Mann und eine Frau befragt, ob sie mit den vergangenen 50 Jahren Demokratie zufrieden seien. Beide antworten mit „Nein“. Auf die Nachfrage „Warum?“ haben sie keine Antwort. Als Alfons nachhakt, ob sie vielleicht lieber eine Diktatur hätten, „eine kleine Diktatur“, finden sie diese Idee recht charmant.

Dazu gibt es ernste Mienen, aber auch Gelächter im Raum. „Es war ein fassungsloses Lachen“, erklärt die Schülerin Sophia ihre eigene Reaktion. „Deren Eltern haben doch noch die Nazi-Diktatur erlebt.“

Umfrage: Jugendliche haben an Demokratie viel auszusetzen

Emmanuel Peterfalvi zitiert aus einer Umfrage, was Jugendliche von der Demokratie halten: „39 Prozent haben gesagt, Demokratie ist mir gar nicht so wichtig.“ Das mache ihn fassungslos, sagt er und will nun auch von den Schülerinnen und Schülern im Raum wissen, wie sie es damit halten. Sie haben etliche Kritikpunkte an der Demokratie und sagen: Es werde zu viel gestritten, viele Menschen fühlten sich nicht repräsentiert, weil ihre Interessen nicht berücksichtigt würden und für Jugendliche werde wenig gemacht.

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weitere Videos

    Was den gebürtigen Pariser besonders umtreibt, ist der kritiklose Konsum sozialer Medien. „Ich glaube, dass wir gefährliche Zeiten haben, dass Populisten sehr schlau sind“, sagt der eingebürgerte Deutsche. Die Beiträge dort seien super gut gemacht, sehr manipulativ, „sodass mal erst mal sagt, ja eigentlich stimmt das. Und erst im Nachhinein gucke ich, warum gibt es eine Musik, die mir Angst macht, oder mich begeistert.“

    Alfons kritisiert bei Termin in Hamburg die Macht der sozialen Medien

    Peterfalvi fragt in die Runde: „Wie aktiviert man Menschen?“ Und gibt gleich die Antwort: „Mit Emotionen. Wir liken, disliken, kommentieren. Wenn ihr Wut habt, werdet ihr aktiv. Wut aktiviert Menschen. So funktioniert dieses System.“ Der Algorithmus spiele vorwiegend solche Sequenzen aus, „Dinge, die einen reagieren lassen. Es ist superwichtig, dass ihr das wisst.“ Denn Instagram und TikTok seien für viele Jugendliche die wichtigste Informationsquelle.

    Immer wieder lässt Peterfalvi die Jugendlichen zu Wort kommen, fragt nach, ermuntert sie, ihre Sicht der Dinge darzulegen. „Es stimmt, dass man bei den kurzen Videos gar nichts mehr hinterfragt. Das erschreckt mich“, sagt eine Schülerin.

    Neues Alfons-Programm: 2025 geht es um Populismus

    Peterfalvi erzählt auch von der Arbeit an seinem nächsten Programm, das er im kommenden Jahr auf die Bühne bringen will. Darin wird es um Populismus gehen. „Ich habe mich gefragt, ist die AfD eine Partei wie die anderen oder ist sie doch eine antidemokratische Partei, gegen die sich die Demokratie wehren muss“, sagt er. Dafür habe er mit vielen Menschen gesprochen, mit Verfassungsexperten und -richtern, auch mit AfD-Vertretern.

    Ein AfD-Funktionär habe ihm gesagt: „Wir sind das Volk, wir wissen, was das Volk will. Und Demokratie ist, den Volkswillen umzusetzen.“ Dieser Mann habe ihm auch seine Definition vom „Volk“ genannt. „Das Volk, das sind die Urdeutschen, deutscher Name, weiße Haut, seit mehreren Generationen deutsch.“ Aber was, wenn jemand das alles habe, aber grün wähle, habe er gefragt, gehöre der dann zum Volk? „Nein, der nicht“, sei die Antwort gewesen.

    Gespräch mit Gehirnforscher: „Das Gehirn mag einfache Dinge“

    „Im Grunde genommen bedeutet das, dass alle zum Volk gehörten, die wie er denken, andere gehören nicht dazu“, sagt Peterfalvi. Der AfD-Mann habe ihm auch noch gesagt: „Jeder versteht, was das Volk ist. Wenn du das nicht verstehst, ist mit dir was nicht in Ordnung und du gehörst nicht zum Volk.“

    Emmanuel Peterfalvi alias Alfons diskutiert im Institut français Hambourg mit Schülern über Demokratie – und was der Umgang mit sozialen Medien damit zu tun hat.
    Emmanuel Peterfalvi alias Alfons diskutiert im Institut français Hambourg mit Schülern über Demokratie – und was der Umgang mit sozialen Medien damit zu tun hat. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

    Aus Gesprächen mit einem Gehirnforscher habe er gelernt, dass unser Gehirn mit komplizierten Sachen nicht gut klarkomme. „Die Welt ist so kompliziert, die Probleme sind so überwältigend, die Meinungen gehen so auseinander, es gibt so viele Konflikte. Unser Gehirn mag einfache Dinge, das werdet ihr nicht ändern können, wir sind so gebaut. Aber es hilft, es zu wissen, sich dabei zu ertappen.“

    Kritik: Social Media bietet vermeintlich einfache Lösungen

    Social Media funktioniere deshalb so gut, weil es auf komplexe Probleme einfache Lösungen biete. „Wenn man das hinterfragt, merkt man, es ist Quatsch, aber man hinterfragt in der Regel nicht. Das Größte für mich wäre, wenn ihr diese Diskussion weiterführt“, wünscht sich der Kabarettist.

    Und ermuntert die Schülerinnen und Schüler, dass man nicht immer gleicher Meinung sein müsse, dass Streit gut und sogar gesund sei: „Das ist Demokratie. In einer Diktatur gibt es keinen Streit. Derjenige, der kritisieren möchte, ist weg – Gefängnis, getötet oder im Exil. Ja, Demokratie ist Streit, ist mühsam. Gerade in einer Situation, wenn 40 Prozent der Jugendlichen sagen, Demokratie ist mir gar nicht so wichtig, leben wir meiner Meinung nach in einer gefährlichen Zeit.“ Bei diesen Worten wird es sehr still im Raum.

    Alfons sagt: „Es gibt keine Schnupperstunde für Diktatur“

    Er gibt den Jugendlichen einen Rat: „Seid aktiv. Eure Eltern hatten in den letzten Jahrzehnten nicht viel zu tun. Ich nenne das die Pantoffeldemokratie, man ging alle paar Jahre wählen und irgendwie ist es gelaufen.“ Diese Zeit sei vorbei. „Es gibt keine Schnupperstunde für Diktatur.“

    Abschließend fordert er die Schülerinnen und Schüler auf: „Jetzt holt ihr bitte alle mal eure Handys raus! Tragt euch einen Termin ein! Bitte schreibt mir genau heute in zehn Jahren, wie es euch geht. Und ob ihr eure Träume verwirklicht habt.“

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    Bis dahin will Peterfalvi alias Alfons sein Schulprojekt, das er seit eineinhalb Jahren bundesweit anbietet, zu einer gemeinnützigen Organisation ausbauen. „Ich mache das ehrenamtlich und suche noch Stiftungen oder reiche Leute, die das unterstützen.“ Wenn er sein Programm spielt, reserviere das jeweilige Theater stets vergünstigte Karten für Schulen, aber er wolle auch noch mehr Arbeitsmaterial und Bücher zur Verfügung stellen.

    Alfons neues Programm steht am 14. Mai 2025 im St. Pauli-Theater im Hamburg auf dem Programm.