Hamburg. Verärgerte Nachbarn prangern an, dass auf der Grünfläche ursprünglich wesentlich weniger Wohnungen geplant waren. Was der Bezirk sagt.
Wenn Rüdiger von Löw, Michael Weidig und John Burmester aus den Fenstern ihrer Wohnhäuser gucken, sehen sie alle sehr viel Grün. Doch das soll sich ändern. Die Grünfläche in Hamburg-Schnelsen zwischen Holsteiner Chaussee, Voßkamp und Kettelerweg soll bebaut werden. „Wir haben grundsätzlich nichts gegen Wohnungsbau. Aber statt der ursprünglich geplanten 36 Wohneinheiten sollen es jetzt an die 130 werden“, sagt Michael Weidig. Das ist ein absolut „überdimensioniertes Bauprojekt“.
Er und seine Mitstreiter haben die Bürgerinitiative (BI) „Schnelsen lebenswert erhalten!“ gegründet. Etwa 60 Mitglieder der Initiative begleiten die Pläne für das etwa 9400 Quadratmeter große Grundstück sehr kritisch. Auch im Nachbarstadtteil Niendorf wehrt sich eine Initiative gegen die geplante Verdichtung.
Immobilien Hamburg: Anwohner kritisieren Projekt in Schnelsen – „läuft viel falsch“
Kay Becker, Sprecher des Bezirksamts Eimsbüttel, erklärt die Pläne folgendermaßen: „Durch den Bebauungsplan Schnelsen 92 sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für zusätzlichen Wohnungsbau geschaffen werden.“ Das Bebauungsplanverfahren läuft bereits seit 2013. Aktuell ruhe das Verfahren allerdings, sagt Becker. „Im Mai 2023 hat es im zuständigen Stadtplanungsausschuss einen weitreichenden Antrag der Grünen gegeben, der allerdings bereits fünfmal vom Ausschuss vertagt wurde und vor der Bezirkswahl auch nicht mehr beschieden wurde.“
John Burmester, der als Sprecher der BI auftritt, sagt: „In unserer Wahrnehmung läuft viel falsch. Es gibt viele offene Fragen, die noch nicht beantwortet wurden.“ Dass sich der Stadtteil verändere, sei allen klar und auch sinnvoll. „Aber hier wird über die Sorgen der Anwohner hinweggegangen.“
130 neue Wohnungen in Schnelsen geplant – etliche Bäume bereits gefällt
Die Planung für das Gebiet habe sich mehrfach verändert, „aus geplanten zwei Geschossen wurden inzwischen bis zu fünf Geschosse“, so Burmester. Derzeit lässt das Planrecht in dem sogenannten Allgemeinen Wohngebiet jedoch nur eine dreigeschossige Bebauung zu.
Im aktuellen städtebaulichen Konzept von April 2023 ist indes von 40 Wohneinheiten im nördlichen und von 90 im südlichen Bereich des Areals die Rede. Einer von zwei bestehenden Teichen sowie Bäume mit besonderer Bedeutung sollen demnach erhalten bleiben. Etliche Bäume hat der Investor bereits ohne Genehmigung fällen lassen und musste dafür Bußgeld bezahlen.
Kay Becker bestätigt, dass sich aufgrund der sich so lange hinziehenden Diskussion über den Bebauungsplan die Anforderungen und Rahmenbedingungen geändert haben und heute mit höherer Dichte gebaut werde. „Die tatsächliche Größenordnung wird sich dann erst bei Wiederaufnahme des Verfahrens herausstellen.“
Anwohner in Schnelsen fürchten Versiegelung durch die Neubauten
Diese Dichte macht Burmester und seinen Mitstreitern große Sorgen. Beispielsweise fürchten sie die Versiegelung auf dem Grundstück durch die Neubauten. Es sei auch von zwei neuen Tiefgaragen die Rede. Doch weil sich die Gegend auf einer Lehmblase befinde, die nicht wasserdurchlässig sei, laufe Regenwasser schon jetzt nicht ab, sagt Weidig. Das kann Rüdiger von Löw bestätigen: In seinem Wohnhaus, das 2012 gebaut wurde, laufe die Tiefgarage regelmäßig voll.
Problematisch finden die Mitglieder der Initiative auch, dass es nur eine einzige Zufahrt zu dem neuen Wohngebiet geben soll – vom Kettelerweg. „Diese kleine Straße führt direkt am Haupteingang des Altenheims vorbei“, sagt Burmester. Eine weitere Zuwegung sei nicht geplant.
Neue Wohnungen in Schnelsen geplant – wenig Vertrauen in den Investor
Rüdiger von Löw lebt in einem 2012 errichteten Mehrfamilienhaus an der Holsteiner Chaussee. „Das Projekt wurde damals als ‚Wohnen am Park‘ vermarktet.“ Von seiner Dachterrasse hat er einen herrlichen Blick auf das umstrittene Baugebiet. Auf den Investor seines Wohnhauses – ein Unternehmen mit Sitz in Aschaffenburg – ist er nicht gut zu sprechen. Das Unternehmen sei damals ins Ausland verkauft worden, um keine Gewährleistungsansprüche erfüllen zu müssen. „Die Eigentümer mussten die Baumängel auf eigene Kosten beseitigen lassen“, kritisiert er.
Nun wolle dieser Investor unter neuem Namen die Fläche nebenan bebauen. Beim „Wohnen am Park“ habe der Bauherr eine Etage mehr gebaut als erlaubt, sei aber nicht zur Rechenschaft gezogen worden. „Ich bin daher bei den Neubauplänen entsprechend skeptisch“, sagt von Löw.
Immobilien Hamburg: Nachbarn in Schnelsen – „von Wohnblocks war nicht die Rede“
Michael Weidig wohnt seit 45 Jahren am Voßkamp, auf der anderen Seite des Grünzugs, und kritisiert ebenfalls den erweiterten Umfang des Bauprojekts: „Anfangs war von 36 Wohneinheiten in Form von Reihen- und Einfamilienhäusern die Rede – in einer vernünftigen Verteilung auf dem Grundstück.“
Auch Peter Ehrlich, der seit 2013 im selben Haus wie von Löw lebt, wünscht sich weniger Bebauung: „Der Investor hatte 2013 Reihenhäuser angekündigt – aber von Wohnblocks war nicht die Rede. Wenn gebaut würde, wie damals angekündigt, wäre alles in Ordnung.“ John Burmester ergänzt: „Wir sind in Hab-Acht-Stellung. Niemand von uns sagt, dass wir keine Bebauung wollen – aber maßvoll soll sie sein.“
Bauprojekt in Hamburg-Schnelsen: CDU fordert Einstellung des Plans
Unterstützung bekommt die Bürgerinitiative von örtlichen Politikern. „Alle Parteien haben noch Fragen“, sagt Burmester. Rüdiger Kuhn, Vorsitzender der CDU-Fraktion Eimsbüttel, beispielsweise sagt: „Dieser Entwurf ist nicht einmal vom Ansatz her entscheidungsreif. Daher haben wir immer die Einstellung des Plans gefordert. Natürlich kann man an der einen oder anderen Stelle über eine Verdichtung sprechen, ob das dann aber noch wirtschaftlich zu realisieren ist, kann ich mir kaum vorstellen.“
Auch der Grünen-Bezirksfraktionsvorsitzende Ali Mir Agha betont: „Wir haben den B-Plan in der letzten Amtsperiode kritisch begleitet und mehrere Alternativen durch die Verwaltung prüfen lassen. Aus guten Gründen war es schließlich zwischen Politik und Verwaltung Konsens, erst in der nächsten Legislatur weiterzumachen.“
Dieser Bebauungsplan sei auch Gegenstand unterschiedlicher Sondierungsgespräche gewesen. „Ob dieses Vorhaben überhaupt eine politische Mehrheit hat, würde ich jetzt nicht als selbstverständlich sehen. Diese hohe Dichte kann ich an dieser Stelle mit meiner Fraktion auch nicht mitgehen.“
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Gabor Gottlieb, Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion Eimsbüttel, sagt: „Wir wünschen uns, dass die zurzeit ruhende Planung in dieser Wahlperiode wieder aufgenommen wird. Und dass wir im Dialog mit der Bürgerinitiative einen guten Plan entwickeln, der allen Interessen gerecht wird. Dafür werden aber noch Gespräche geführt werden müssen, sodass ich hier eher mittelfristig mit Ergebnissen rechne.“