Hamburg. Seit Monaten wird an der Hamburger Moorweide protestiert. Von Anfang an ist das „Pali-Camp“ umstritten – auch in linksextremer Szene.

Mit dem umstrittenen Pro-Palästina-Camp an der Moorweide nutzen nach Erkenntnissen des Hamburger Verfassungsschutzes auch Linksextreme den Protest gegen das israelische Vorgehen in Gaza nach dem Hamas-Terrorüberfall für ihre Zwecke. Die als Mahnwache seit Ende Mai angemeldete Versammlung werde von mehreren Gruppen aus dem deutschen und türkischen Linksextremismus mitgetragen, sagte der Sprecher des Landesamtes, Marco Haase, der Deutschen Presse-Agentur. 

„Darunter sind beispielsweise die türkisch-linksextremistische Young Struggle, der antiimperialistische, gewaltorientierte Rote Aufbau Hamburg sowie Untergruppen des Roten Aufbaus.“ Zudem biete das Camp weiteren extremistischen Gruppen eine Bühne, etwa der Roten Hilfe oder der Kommunistischen Organisation, sagte Haase. Alles Gruppen, die als extremistisch eingestuft sind und im Verfassungsschutzbericht Erwähnung finden.

Hamburger Verfassungsschutz: Linksextreme Gruppen nutzen Protest-Camp als Plattform 

„In dem Camp können diese Gruppen Vorträge halten, Flyer und Broschüren auslegen und verteilen sowie Bilder für ihre Social-Media-Accounts generieren.“ Auch werden im Camp antiisraelische Kleidungsstücke mit der Aufschrift „Boycott, Deinvest, Sanction“ getragen und verkauft, was als Anlehnung an die gleichnamig antisemitische BDS-Kampagne zu verstehen sei, sagte Haase.

Die als Mahnwache angemeldete Versammlung unter dem Motto „Hände weg von Rafah“ richtet sich gegen das militärische Vorgehen Israels in Gaza nach dem Terrorangriff der Hamas. Gefordert wird unter anderem eine Entwaffnung Israels. Seit dem 6. Mai steht sie auf dem Theodor-Heuss-Platz gegenüber dem Bahnhof Dammtor. Offizieller Anmelder ist laut Polizei eine Privatperson.

Linksextremes Lager in der Haltung zum Nahost-Konflikt zerstritten

Der linksextremistischen Szene wurden laut Verfassungsschutzbericht in Hamburg Ende vergangenen Jahres 1060 Personen zugerechnet – mehr als drei Viertel gelten als gewaltorientiert. Die größte gewaltorientierte Gruppe ist dabei mit 550 Personen in der autonomen Szene rund um das Kulturzentrum Rote Flora verortet. Im antiimperialistischen Spektrum gelten 110 Personen als gewaltorientiert, darunter auch der Rote Aufbau Hamburg mit etwa 60 Anhängern. Beide Lager sind zerstritten.

Propalästinensische Mahnwache
Zwei Teilnehmer sitzen vor den Zelten bei der propalästinensischen Mahnwache an der Moorweide nahe der Uni Hamburg. © DPA Images | Christian Charisius

„Der Terrorüberfall der Hamas auf Israel und der wieder entflammte Nahost-Konflikt hat die tiefe Spaltung der linksextremistischen Szene zutage treten lassen, die es seit Jahrzehnten gibt“, sagte Haase. Diesmal aber deutlicher als zuvor. „In der Vergangenheit kam es bereits zu einzelnen Auseinandersetzungen dieser Gruppierungen, wenn auch im geringen Rahmen und für die Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar.“ 

Rivalität zwischen Autonomen und Antiimperialisten tritt offen zutage

Ganz offen war die Rivalität bei der revolutionären 1.-Mai-Demo des Roten Aufbaus in diesem Jahr zu sehen: „„Rote“ Flora - Halt‘s Maul“ war auf einem Banner zu lesen – Rote in Anführungsstrichen. Zudem hatten Antiimperialisten Haase zufolge die Rote Flora kurzzeitig besetzt. Der Grund: Nach dem Hamas-Überfall hatte sich das linksautonome Zentrum mit „allen Menschen in Israel und allen Jüdinnen und Juden weltweit“ solidarisch erklärt und auf einem Plakat betont: „Killing Jews is not fighting for freedom!“ (Juden zu töten, ist kein Freiheitskampf).

Die proisraelische Ausrichtung der Autonomen lasse sich darauf zurückführen, „dass diese der Hamas vorrangig antisemitische Motive für die Angriffe auf Israel unterstellen – und lediglich nachrangig territoriale oder andere Ziele“, sagte Hasse. Die Antiimperialisten würden hingegen ausschließlich propalästinensische Positionen vertreten, „und das in aggressiver Form“. 

Mahnwachen-Anmelder wegen aggressiven Verhaltens in Gewahrsam 

Dass es auch im Camp nicht immer friedlich zugeht, zeigte ein Polizeieinsatz am vergangenen Wochenende, bei dem drei Teilnehmer – darunter der Anmelder der Mahnwache – zwischenzeitlich in Gewahrsam genommen worden waren. Zuvor hatten sich die Protestierenden laut Polizei gegenüber den Beamten äußerst aggressiv verhalten und waren auch handgreiflich geworden. Eine Polizistin wurde demnach leicht verletzt. 

Nach Polizeiangaben wurden anschließend Strafanzeigen wegen Widerstands, versuchter Gefangenenbefreiung, tätlichen Angriffs und Körperverletzung gestellt. 

Prüfung einer weiteren Verlängerung der Mahnwache steht an

Zuletzt wurde die Mahnwache von der Versammlungsbehörde bis Ende August bestätigt. Ein Verbot wäre ausschließlich nach den Vorgaben des Versammlungsrechts möglich – eine zeitliche Begrenzung ist gesetzlich nicht vorgesehen.

„Da das in Artikel 8 Grundgesetz verbriefte Recht auf Versammlungsfreiheit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Grundpfeiler unserer Demokratie darstellt, kann eine Versammlung nur unter besonderen Voraussetzungen durch die Versammlungsbehörde eingeschränkt oder untersagt werden“, sagte Polizeisprecher Florian Abbenseth der dpa. Solche Voraussetzungen lägen nur vor, „wenn zum Beispiel Leib oder Leben oder/und Güter von besonderem Wert gefährdet sind“.

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Insofern sind der Versammlungsbehörde die Hände gebunden. Sie prüft die Rechtmäßigkeit der Versammlung im monatlichen Rhythmus. Bislang wurden lediglich Auflagen erlassen, die zum Teil aber gerichtlich wieder kassiert wurden. Ob sich die Vorfälle vom vergangenen Wochenende auf die Verlängerung des Camps auswirken, bleibt abzuwarten. Nach dem Polizeieinsatz waren aus der Politik die Rufe nach einer sofortigen Schließung des Camps lauter geworden.