Hamburg. Das Mehrfamilienhaus wurde nach jahrelangem Leerstand zwangsversteigert. In der Politik sind die Meinungen dazu gespalten.
- Wohnhaus an der Grindelallee in Hamburg bei Zwangsversteigerung verkauft.
- Käufer stand schon mit Auflassungsvormerkung im Grundbuch.
- SPD begrüßt Verkauf der Immobilie.
Seit Dienstagvormittag ist es amtlich: Das seit Sonntag mit Bannern versehene Mehrfamilienhaus an der Grindelallee 80 in Rotherbaum hat durch eine Zwangsversteigerung den Eigentümer gewechselt. Um 10.30 Uhr fiel im voll besetzten Raum des Amtsgerichts Hamburg nach einer Bieterschlacht der Zuschlag.
Die Hamburger Bauträger GmbH Min to Huus hat die Immobilie in Bestlage für fünf Millionen Euro erworben. Brisant dabei: Bei dem neuen Eigentümer handelt es sich um ein Bauunternehmen, das sich seit Jahren einen Rechtsstreit mit dem ehemaligen Eigentümer Sven B. liefert. Seit 2017 steht der Bauträger mit einer Auflassungsvormerkung, also einer Vormerkung zur rechtlichen Absicherung, im Grundbuch.
Immobilie an Grindelallee in Hamburg stand jahrelang leer – und wurde nun verkauft
Gegenstand des Verfahrens am Landgericht Hamburg war die Abwicklung des Kaufprozesses sowie die Forderung nach Schadensersatz – zumindest Ersteres hat sich nun erledigt: „Man kann sagen, dass wir jetzt den einfacheren Weg gewählt haben“, sagt Dr. Moritz Lembcke, Anwalt in der Hamburger Kanzlei Osgard, auf Abendblatt-Anfrage.
Seit 2018 vertritt er die Hamburger Baugesellschaft vor Gericht, kritisierte schon vor Monaten den Stillstand rund um die Immobilie im Grindelviertel. „Weil das Gerichtsverfahren seit Jahren nicht bearbeitet wird, haben wir nun die Gelegenheit der Zwangsversteigerung genutzt“, erklärt der Anwalt. Die Deutsche Bank hatte die Versteigerung im Vorhinein initiiert, weil sich beim Voreigentümer Sven. B. Schulden von fast vier Millionen Euro angehäuft hätten, hieß es bei dem Termin im Amtsgericht.
Immobilie in Hamburger Bestlage steht seit Jahren und rottet vor sich hin
Seit 2019 steht das Mehrfamilienhaus im Jugendstil leer und rottet vor sich hin, Mieter und Mieterinnen hatten zuvor von Schikanen und Vernachlässigung seitens des Eigentümers berichtet. In der Folge ließ das Bezirksamt Mitte die Immobilie unter anderem wegen des hohen Risikos einer Wohnnutzung räumen, verhängte anschließend immer wieder Zwangsgelder gegen Sven B.
Doch bedeutet der Zuschlag bei der Zwangsversteigerung nun wirklich, dass endlich etwas passiert? „Das können wir noch nicht sagen, weil sich die Situation durch die Besetzung verändert hat“, so Lembckes Einschätzung. Vom Bezirksamt heißt es auf Anfrage zwar, es liege keine Kenntnis über eine mögliche Besetzung vor, der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Hamburg hingegen bestätigt eine entsprechende Maßnahme von Studenten und Studentinnen.
Immobilie im Grindelviertel von Studenten besetzt – AStA unterstützt Vorgehen
Der Plan nach der Versteigerung sei laut Lembcke eigentlich gewesen, hier, im Grindelviertel, Wohnraum zu schaffen – und im Zweifel auch die immer noch bestehenden Mietverträge der vertriebenen Mieter und Mieterinnen zu erfüllen. „Dafür sollte das Gebäude nach Gesprächen mit den Mietern abgerissen werden und ein Wohnhaus entstehen“, sagt der Anwalt. Aufgrund des katastrophalen Zustands der Immobilie sei „das die wirtschaftlichste Variante“.
Die Bauträgergesellschaft habe weiterhin vorgehabt, einen Mix an bezahlbarem Wohnraum, studentischem Wohnen, aber eben auch hochpreisige Wohnungen zu realisieren – eine Maßnahme, die laut Anwalt Lembcke unumgänglich ist. „Wir suchen alle nach günstigem Wohnraum, aber die enorm hohen Baupreise lassen das gerade einfach nicht zu. Das hat auch nichts mit Immobilienhaien zu tun.“
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Der AStA sieht das anders und befürwortet die Besetzung des Gebäudes in unmittelbarer Nachbarschaft. „Der AStA unterstützt die von der Gruppe erhobene Forderung, in dem Objekt ein neues, selbstverwaltetes Wohnheim entstehen zu lassen, und fordert die Stadt Hamburg auf, ein Zeichen gegen Spekulation und Luxussanierungen zu setzen“, heißt es seitens der studentischen Vertretung.
Grindelallee in Hamburg: Anwalt warnt vor Folgen der Besetzung
Das Gebäude an der Grindelallee stehe sinnbildlich für einen entfesselten Immobilienmarkt – „während viele junge Menschen sich die Mieten nicht mehr leisten können und Tausende auf der Straße leben, steht mitten in Hamburg Wohnraum jahrelang leer“.
Immerhin: Dass das Mehrfamilienhaus weiter verrottet, wollen weder Bauträger GmbH Min to Huus noch der AStA. „Die Besetzung könnte die nachfolgenden Schritte aber durchaus gravierend nach hinten verzögern“, warnt Lembcke. Es gelte jetzt, sich einen Überblick zu verschaffen und Gespräche mit den Besetzern zu führen.
SPD begrüßt Ausgang der Zwangsversteigerung
Der Verkauf der Immobilie sorgte zuletzt auch immer wieder in der Bezirkspolitik für Wirbel. Von Roland Oehlmann, Abgeordneter der SPD-Fraktion Eimsbüttel, heißt es bezüglich des Ausgangs der Zwangsversteigerung: „Nach jahrelangem Ringen um ein konsequentes Vorgehen gegen das unsolidarische und rechtswidrige Verhalten des ehemaligen Eigentümers freuen wir uns, dass dem Ärgernis rund um die Grindelallee 80 endlich ein Ende gesetzt wurde.“
Die Eimsbütteler SPD hoffe, dass der neue Eigentümer zügig handelt und die prominente Immobilie schnell in einen bewohnbaren Zustand versetzt, „damit hier wieder bezahlbarer Wohnraum in zentraler Lage entstehen kann“.
Wohnhaus an der Grindelallee in Hamburg: CDU kritisiert Besetzung der Immobilie
Kritik für die Besetzung des Hauses gibt es derweil von der Hamburger CDU. „Der Wohnungsbau ist unter SPD und Grünen praktisch zum Erliegen gekommen. Besonders knapp ist der Wohnraum für Studentinnen, Studenten und Auszubildende. Dass nun die Sanierung des Gebäudes Grindelallee 80 und anschließende Wiedereingliederung in den Wohnungsmarkt durch Besetzer verhindert wird, ist nicht zu tolerieren“, sagt Anke Frieling, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Sie fordert den Senat auf, „geltendes Recht durchzusetzen und die Besetzung der Grindelallee 80 unverzüglich aufzulösen“.
Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, widerspricht: „Was für ein Irrsinn: Jahrelang steht die Grindelallee 80 widerrechtlich leer, ohne dass es die CDU kümmert. Kaum aber kommen Besetzer und Besetzerinnen ins Spiel, fordert die CDU unverzüglich, ‚geltendes Recht durchzusetzen‘. Hier werden Ursache und Wirkung verwechselt.“ Mikey Kleinert, Vorsitzender der Linksfraktion in der Bezirksversammlung Eimsbüttel, ergänzt: „Ich fürchte, dass dort etwas entsteht, das am Bedarf der Stadt vorbeigeht. Eine andere Lösung, wie zum Beispiel Wohnungen für Studierende, hätte ich sehr begrüßt.“