Hamburg. Vorfall beschäftigt die Anwohner in Niendorf. Behörde: „Es war keine Bewohnerin.“ Hausordnung regelt Umgang mit Alkohol und Besuch.

  • Einsatz am Garstedter Weg, weil eine Frau nur BH und Hose trägt.
  • Stadt hat langen Mietvertrag für das Gebäude abgeschlossen.
  • Strenge Hausordnung regelt das Zusammenleben in der Unterkunft.

Die Anwohner der neuen Obdachlosenunterkunft in Hamburg-Niendorf blicken sehr genau auf ihre neuen Nachbarn, seit die ersten 30 Bewohner am 22. April in der neuen Pflegeeinrichtung für schwer kranke Obdachlose eingezogen sind. Ein Vorfall am vergangenen Freitag hat viele Menschen aufgeschreckt.

Die Gruppierung „Niendorf. Lebenswert für alle!“ hat am Montag an die Behörden eine Mail mit folgendem Inhalt geschrieben: Demnach sei eine „offensichtlich unter Alkohol und/oder Drogen stehende junge Frau unkontrolliert über den Bürgersteig vor der Einrichtung gelaufen. Sie war lediglich mit einem BH und einer Hose bekleidet und folgte nicht den Anweisungen des anrückenden Sicherheitsdienstes.“

Garstedter Weg: Polizeieinsatz wegen volltrunkener Frau in Niendorf

Dieser habe Mühe gehabt, auf die Frau einzuwirken. „Der Vorgang zog sich bis zur Bushaltestelle Helvetierweg hin, wo dann die Polizei eintraf. Diese kritische Situation ereignete sich kurz vor 15 Uhr. Viele Schulkinder waren zu diesem Zeitpunkt auf dem Heimweg.“

Wolfgang Arnhold, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, bestätigt dem Abendblatt, der Behörde sei der Vorfall bekannt. „Es war aber keine Bewohnerin, die da auffällig war“, versichert er. Man habe mit der Schule diesbezüglich Kontakt aufgenommen.

Polizeisprecher Thilo Marxen bestätigt den Polizeieinsatz. „Die Frau hatte auf den Pkw eines Sicherheitsdienstes uriniert. Sie war oben ohne, volltrunken und aggressiv.“ Die Beamten hätten sie in Gewahrsam nehmen wollen, doch die Frau habe die Beamten angegriffen. „Sie ist dann zum PK 24 befördert worden, um sich zu beruhigen“, so Marx.

Unterkunft in Hamburg-Niendorf: Bis zu 118 Menschen werden hier leben

Den ersten 30 Bewohnerinnen und Bewohnern sollen bald weitere folgen. Bis zu 118 Menschen sollen bald in dem Gebäudeensemble, das bis vor Kurzem als Senioren-Pflegewohnstift betrieben wurde, leben. Und sie dürften lange bleiben.

Katrin Wollberg, Bereichsleiterin bei Fördern & Wohnen, hofft auf gute Nachbarschaft der Obdachloseneinrichtung am Garstedter Weg 79–85 mit den Niendorfern.
Katrin Wollberg, Bereichsleiterin bei Fördern & Wohnen, hofft auf gute Nachbarschaft der Obdachloseneinrichtung am Garstedter Weg 79–85 mit den Niendorfern. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Der Mietvertrag für die Immobilie am Garstedter Weg 79–85, der dem Abendblatt vorliegt, wurde am 1. Februar 2024 zwischen dem Eigentümer der Immobilie und Fördern & Wohnen (F&W) für die Dauer von 15 Jahren abgeschlossen. Beginn der Festlaufzeit war der 1. April 2024. F&W hat die Möglichkeit, „die Laufzeit zweimal um jeweils fünf Jahre zu verlängern“, heißt es in dem 18-seitigen Mietvertrag, der mehrere Anlagen enthält. Während der Festlaufzeit und der Optionsmietzeit sei die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses ausgeschlossen, lautet ein Passus.

Hamburg-Niendorf: Obdachlosenheim – Miete kostet 54.000 Euro im Monat

Die Grundmiete für das neue Heim, in dem bis zu 118 Menschen in Einzel- und Doppelzimmern leben können, liegt bei 54.000 Euro. Dazu kommt eine Nebenkostenvorauszahlung von 4500 Euro im Monat, sodass die Gesamtsumme 58.500 Euro beträgt.

Mit Beginn des dritten Mietjahres erhöht sich die Miete automatisch um zwei Prozent, also um 1080 Euro. Diese Mieterhöhung um zwei Prozent wird dem Vertrag zufolge dann auch in jedem weiteren Jahr fällig. Als Mietzweck wurde der „Betrieb eines Senioren- und Pflegeheims zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Menschen“ eingetragen. Sollte F&W das Heim untervermieten wollen, ist das gestattet.

Obdachlosenheim in Niendorf: Bewohner müssen Hausordnung unterschreiben

Wolfgang Arnhold, Sprecher der Sozialbehörde, hatte im Vorfeld gesagt: „Wir sind sehr froh, dass wir dieses Pflegewohnstift gefunden haben, wir helfen Menschen, die in Not sind.“

Dafür, dass der Betrieb auch problemlos weiterläuft, soll auch eine umfangreiche Hausordnung sorgen, die die Bewohner unterzeichnen müssen. Die Hausordnung, die dem Abendblatt vorliegt, regelt sehr genau die Rechte und Pflichten der ehemals obdachlosen Menschen. Übersetzungen in zahlreiche Sprachen – darunter Englisch, Bulgarisch, Rumänisch, Russisch, Arabisch, Polnisch, Farsi und Ukrainisch – sind nach Angaben der Hamburger Sozialbehörde in Arbeit.

Demnach ist die Aufnahme grundsätzlich unbefristet, die Unterbringung kann aber beispielsweise „bei Wegfall der Bedürftigkeit“ beendet werden. F&W kann Bewohnerinnen und Bewohner auch zum Auszug auffordern, wenn diese gegen bestimmte Regeln verstoßen.

Obdachlosenheim in Niendorf – Bewohner müssen ausziehen, wenn sie:

  • wiederholt gegen die Haus- und Benutzungsordnung verstoßen
  • den sozialen Frieden stören
  • eigenmächtig Personen aufnehmen oder ihren Platz überlassen
  • gewalttätig gegenüber Mitarbeitern oder Mitbewohnern werden
  • einen Platz in einer geeigneten Wohnunterkunft oder einem Pflegeheim nachweisen

Auch für das Zusammenleben in der Unterkunft, in der Menschen unterschiedlichsten Alters leben werden, gibt es klare Regeln. Dazu zählen:

  • Besuche auf den Zimmern sind von 9 bis 18 Uhr erlaubt.
  • Besitz von Waffen aller Art und gefährlichen Werkzeugen ist verboten.
  • Tierhaltung ist nicht gestattet.
  • Rauchverbot innerhalb der Einrichtung. Das gilt auch davor und auf den Parkplätzen. Rauchen ist nur in ausgewiesenen Bereichen im Garten und der Terrasse erlaubt.
  • Für alle gemeinschaftlich genutzten Flächen innerhalb und auf dem Außengelände gilt ein generelles Alkoholverbot – „von dieser Regelung sind die Zimmer der Bewohnerinnen und Bewohner ausgenommen.“
  • Generelles Konsumverbot für Drogen oder drogenähnliche Substanzen.

Niendorf: Obdachlosenheim am Garstedter Weg – runder Tisch Ende Mai geplant

Die Bewohnerinnen und Bewohner haften zudem für alle von ihnen angerichteten Schäden. Alle bekommen eine Postadresse, dürfen aber keine Paketsendungen entgegennehmen. Die vierseitige Hausordnung müssen alle mit einer Unterschrift zur Kenntnis nehmen.

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Bei einem runden Tisch Ende Mai wollen sich Vertreter von Sozialbehörde, F&W, der benachbarten Schule Burgunderweg, der Kita und Anwohner über die bisherigen Erfahrungen austauschen.