Hamburg. Die heute 18 Jahre alte Hamburgerin kifft, seitdem sie 13 war. Zur anstehenden Gesetzesänderung hat sie eine klare Meinung.

In wenigen Wochen beginnen in Hamburg die schriftlichen Abiturprüfungen. Bis dahin, das hat sich Emilia Peters (Name geändert) vorgenommen, wird sie das Kiffen sein lassen. Sie möchte nicht riskieren, dass ihr Gedächtnis davon beeinträchtigt wird und das ihren Schnitt nach unten zieht.

Die 18 Jahre alte Hamburgerin aus Eimsbüttel hat schon mit 13 Jahren mit Freunden im Park ihren ersten Joint geraucht. Die Debatte um die Cannabis-Legalisierung hat Emilia Peters aufmerksam verfolgt. Ihre Meinung dazu ist eindeutig.

Cannabis-Legalisierung Hamburg: Wie eine 18-Jährige erste Erfahrungen machte

Bei der Abstimmung am vergangenen Freitag hatten Politiker aus Hamburg sehr gegensätzliche Ansichten. Aber nun ist klar, dass der Konsum von Cannabis für Erwachsene ab 18 Jahren sowie der kontrollierte Anbau in kleinem Stil vom 1. April 2024 an, also Ostermontag, legal sein werden.

Emilia Peters erinnert sich, dass sie nach ihrem ersten Joint einige Wochen Pause machte. „Ich hatte damals gedacht, ich hätte beim ersten Mal gar nichts bewusst gespürt. Im Nachhinein weiß ich, dass ich ganz schön bekifft war.“ Danach habe sich ihr Konsum über Monate immer weiter gesteigert. „Im Sommer 2020, im Lockdown, habe ich jeden Tag bis zu fünf Gramm weggekifft“, sagt sie.

Hamburger Schülerin nimmt nicht nur Cannabis, sondern auch andere Drogen

Dann kamen anderen Drogen dazu. Immer mal wieder Ecstasy, LSD, Xanax (ein starkes Medikament gegen Angststörungen und Panikattacken), Ketamin (ein Narkosemittel aus der Tiermedizin), aber auch Amphetamine und Kokain. An das Zeug heranzukommen, sei für sie als Minderjährige kein Problem gewesen, sagt die heute 18-Jährige. „Plötzlich hatte man die ganzen Nummern der Leute, die was verkaufen.“

Mit 15 Jahren war bei dem Mädchen vom Kinderpsychiater ADS – AufmerksamkeitsDefizitSyndrom – diagnostiziert worden. Emilia Peters sieht einen Zusammenhang mit ihrer Sucht: „Vor allem das Kokain hat geholfen, das Gedankenkarussel loszuwerden. Neuronormale Menschen sind dann drei Tage wach, ich wurde ruhig und glücklich, habe einfach nur viel geredet.“

Cannabis: Eltern der Schülerin bemerken Veränderungen und verzweifeln

Ihre Eltern hätten die Veränderungen an ihr natürlich bemerkt. Emilia Peters kommt aus einem Haushalt mit liebevollen Eltern, die sich von ihrer älteren, impulsiven Tochter aber ab der Grundschulzeit immer sehr herausgefordert fühlten.

Allerdings hätten ihre Mutter und ihr Vater nicht gewusst, dass sie so viele unterschiedliche Substanzen konsumierte, sagt Emilia. „Aber meine Mutter hatte immer Angst, dass ich Christiane F. 2.0 werde.“ Das drogensüchtige Mädchen aus Berlin ist in den 1970er-Jahren durch das Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo bekannt geworden.“ Einmal sei sie auf Drängen ihrer Mutter zur Drogenberatung gegangen. Einmal, danach nicht wieder, sagt die junge Hamburgerin.

Schizophrenie: Hamburger Schülerin kennt die Studien zu Psychosen

Es ist nachgewiesen, dass exzessives Kiffen in jungen Jahren zu schweren psychischen Erkrankungen wie Psychosen oder Schizophrenie führen kann. Laut einer Studie der Universität Kopenhagen dürften vor allem bei jungen Männern bis zu 30 Prozent aller Schizophrenie-Fälle auf einen problematischen Konsum von Cannabis zurückgehen. Auch die Gedächtnisleistungen verschlechtern sich bei vielen jungen Menschen erheblich.

Auch Emilia Peters kennt die Studien und weiß um die Probleme, die das Kiffen bewirken kann. Sie hat selbst einen Bekannten, der seit mehreren Jahren unter Psychosen leidet. Auch bei ihr selbst blieb der Drogenkonsum nicht ohne Folgen. Ihre schulischen Leistungen wurden in der 9. Klasse immer schlechter. Sie schrieb nur noch Vieren und Fünfen.

UKE: Junge Hamburgerin kommt ins Zentrum für Suchtfragen in Eppendorf

„Ich habe den Zusammenhang damals nicht gecheckt“, sagt sie rückblickend. Ihre Eltern schon. Sie ließen ihrer Tochter eines Tages keine Wahl mehr und brachten sie im Januar 2021 ins Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), das der renommierte Mediziner Rainer Thomasius leitet. „Ich wurde als Notfall eingestuft, deshalb kam ich schnell dran“, sagt Emilia Peters.

Der Suchtexperte hatte kürzlich dem Abendblatt gesagt: „Jugendliche, die Cannabis regelmäßig konsumieren, haben massive Konzentrationsprobleme, Leistungsstörungen und Intelligenzeinbußen. Daher müssen wir uns darauf einstellen, dass ihre schulischen Leistungen zurückgehen.“ Er ist auch überzeugt, dass die Legalisierung zu einer reduzierten Risikowahrnehmung und damit zu Konsumsteigerungen führen wird.

Therapie am UKE: In der Tagesklinik lernt sie, mit Suchtdruck umzugehen

Das erste Gespräch damals in der Tagesklinik sei völlig eskaliert, erinnert sich Emilia Peters. Ein Freund, der ebenfalls dort in Behandlung war, habe ihr aber gut zugeredet, und dann habe sie die Therapie drei Monate lang durchgezogen.

„Dort wurde nicht nur versucht, mich von den Drogen wegzubringen, sondern es wurde nach den Ursachen gesucht“, sagt die junge Hamburgerin. Sie habe in der Tagesklinik gelernt, mit dem Suchtdruck umzugehen, „aber ich habe dort nicht versprochen, nie wieder Drogen zu nehmen.“ Das habe auch niemand von ihr verlangt.

Ritalin hilft dem Mädchen, sich besser konzentrieren zu können

Medikamente halfen ihr dabei, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Auch ihre schulischen Leistungen verbesserten sich rapide. Ihren mittleren Schulabschluss (MSA) in Klasse 10 absolvierte sie mit einem Schnitt von 1,2. Sie klingt ein wenig stolz, als sie das erzählt.

Bis heute nimmt sie Ritalin, um sich besser konzentrieren zu können. „Ich bin sonst zu hibbelig“, sagt die Zwölftklässlerin. Ihre Klassenlehrer wissen Bescheid, sie seien über ihre Situation immer informiert und gäben ihr Rückhalt.

Cannabis: 18-Jährige würde niemandem empfehlen, Drogen zu nehmen

Emilia Peters ist weiterhin in einer ambulanten Psychotherapie im UKE in Behandlung, alle vier Wochen hat sie dort einen Termin. Wenn sie Drogen nimmt, erzählt sie es ihrer Therapeutin. „Ich bin ein ehrlicher Mensch“, sagt sie. „Ich habe einen Deal gemacht, dass ich einmal im Monat zu einem besonderen Anlass kiffe.“ Immer mit Freunden, das sei so ein Gemeinschaftsding. Sie würde niemals allein kiffen, sagt sie.

Warum sie so viele unterschiedliche Drogen ausprobiert hat? „Ich bin neugierig, risikobereit und sehr impulsiv“, sagt Emilia Peters. Aber sie denke jetzt vorher immer dreimal nach. Mit 14 sei sie sehr naiv an alles rangegangen. Pubertät plus psychische Probleme mit depressiven Episoden hätten ihre Situation verschärft. „Ich bereue nichts, aber ich würde es niemandem empfehlen, Drogen zu nehmen.“

Cannabis-Legalisierung: Junge Hamburgerin ist dafür – aus speziellem Grund

Trotzdem befürwortet sie, nach längerer Abwägung, die Cannabis-Legalisierung. Denn dann sei es für Konsumenten zumindest sicher, kontrollierte Drogen zu bekommen. „Wenn ich das Gras vom Dealer auf der Straße kaufe, weiß ich nicht, was drin ist.“ Jeder strecke es mit Zucker, Haarspray oder künstlichem THC, das noch viel stärker sei. Das wirke fatal auf die Lunge und auf den Kopf.

Sie kenne auch sauberes Cannabis. „Ein Freund baut bislang noch illegal selbst an. Wenn ich das Gras von ihm rauche, merke ich den Qualitätsunterschied.“ Die nun anstehende Gesetzesänderung hätte sie sich schon früher gewünscht. Auch zum eigenen Schutz: „Ich wäre schwerer drangekommen“, vermutet sie, weil es weniger Dealer geben wird, die auch an Minderjährige verkaufen.

Cannabis: „Jeder kifft“, sagt Emilia Peters über ihren Freundeskreis

Dass Jugendliche dennoch auch künftig illegal an Cannabis gelangen werden, da ist sie sicher. Sie seien mit 13 und 14 Jahren auch problemlos an Zigaretten und Alkohol gelangt. Und auch in Zukunft dürften sie ohne große Hürden an Cannabis kommen, weil es immer über 18-Jährige gebe, die etwas für Jüngere besorgen, vermutet Emilia Peters. „Aber wenigstens wird man dann sauberen Stoff kriegen und der Schwarzmarkt geht zurück. Man hat ein sichereres Gefühl.“

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Emilia Peters will trotz der Gefahren durch Cannabis auch weiter nicht gänzlich drauf verzichten. Und damit sei sie nicht allein: „Jeder kifft“, sagt sie über ihren Freundeskreis.

Cannabis in Hamburg: Hier finden Süchtige und ihre Eltern Hilfe

Eine Auszeit nach dem Abi, das beliebte Gap-Year, plant die Schülerin nicht, „ich würde doch nur gammeln“, sagt sie. Sie hat ihre nächsten Schritte genau geplant. Weil ihr Abi-Schnitt nicht für ein Zahnmedizin-Studium reichen wird, will sie erst mal eine Ausbildung als Zahnmedizinische Fachangestellte machen. Das Vorstelllungsgespräch an der Charité in Berlin hatte sie bereits. Und ihr Zahnmedizin-Studium will sie anschließend draufsatteln.

Wer Hilfe für sich oder sein Kind sucht, findet Adressen der Drogen- und Suchtberatung – Suchtberatungsstellen in Hamburg auf hamburg.de. Die jugend.drogen.beratung.kö bietet anonym und kostenlos Informationen und Beratung rund um das Thema substanzgebundenen oder substanzungebundenen Konsum.