Hamburg. Der 31-Jährige wuchs in Eidelstedt auf, heute ist er das Gesicht von Prada, Hermès oder Boss. Was er als schwarzes Model erlebt.
Alpha Dia sitzt in dunklem Pulli, schwarzer Hose und schwarzen Schuhen am Konferenztisch des Modelwerks an der Rothenbaumchaussee in Rotherbaum und spricht von sich als „Mister verpasst everything“. Lachend erklärt er das Dilemma seines Lebens, in dem er alles verpasse: „Geburtstage, Familienfeiern, so oft bin ich nicht dabei“.
Kein Wunder: Der HamburgerAlpha Dia ist Deutschlands derzeit erfolgreichstes männliches Model. Sein Gesicht schmückt Werbekampagnen von Marken wie H&M, Mango oder Arket. Männermodel rücken derzeit stärker ins Rampenlicht, so sind in der neuen Staffel der Fernsehshow „Germanys next Topmodel“ nun erstmals auch männliche Kandidaten dabei. Deren Ziel – weltweit für die größten Modehäuser zu laufen – hat Alpha Dia jedoch längst erreicht.
Topmodel aus Hamburg: Alpha Dia läuft für Prada, Versace oder Hermès
Gebucht wird der 31-Jährige von Prada, Versace oder Givenchy. 120 Flüge im Jahr kommen dabei zusammen. Da verwundert es kaum, dass er „privat nicht so viel wahrnehmen kann“, wie der Hamburger fast entschuldigend über sein Jetset-Leben zwischen L.A., Paris und Mailand erzählt.
Dazu kommt: Neben seinem Vollzeit-Job als Supermodel setzt sich Alpha Dia auch für die Diversität in der Modewelt ein. Und erzählt im Fernsehen oder Magazinen offen über seine Erfahrungen mit Rassismus.
Alpha Dia: Supermodel kam mit elf Jahren aus dem Senegal nach Hamburg
Schon als Kind erlebte er, was es heißt, fremd in einem Land zu sein. Mit elf Jahren kam der kleine Alpha aus dem Senegal nach Deutschland. Er wuchs in Hamburg-Eidelstedt auf. Der Stadtteil mit seinen Wohnblöcken und viel befahrenen Verkehrsachsen wurde ihm zur Heimat, mit Kumpels, zu denen er zum Teil heute noch Kontakt hat. Zumindest zu denen, die sich nicht daran stören, wenn er sich länger nicht gemeldet hat.
Das Leben auf der Überholspur deutete sich schon damals an. Beste Noten in der Zeit an der Gesamtschule Stellingen, Ehrgeiz und Erfolg auch beim Fußball. Dabei gab es einen Deal mit seinen Eltern: Die Vereinbarung war, dass er den Mitspielern im ETV bei Französisch hilft, schließlich ist Senegal ein frankophoner Staat Afrikas. Und sie ihm fleißig Deutsch beibringen.
„Nur so durfte ich am Wochenende zum Sport, denn meine Eltern sagten, geh lieber zum Sprachkurs“, erzählt er lachend. Allerdings ging es ihm dann auch beim Fußball nicht nur ums Spielen, sondern immer um den Sieg. „Wenn wir verloren haben und meine Mannschaft in der Umkleide lachte, verstand ich das nicht, so traurig und enttäuscht war ich.“
Hamburger Agentur Modelwerk hat neben Alpha Dia auch Toni Garrn entdeckt
Auch heute bestimmen Leidenschaft und Disziplin sein Leben. „Alpha hat noch nie einen Flug verpasst“, berichtet seine Agentin Meilyn Bahr. Zur Not laufe er zum Gate, während andere gingen, auch Kollegen, die nie auf sein Level kommen würden.
Die Agentur Modelwerk an der Rothenbaumchaussee, Entdecker von Stars wie Toni Garrn, hat Alpha Dia unter Vertrag und ihm den Weg geebnet. Der kein leichter war.
Alpha Dia wurde in einer Bar an der Reeperbahn angesprochen
Gerade das Fachabi in der Tasche, jobbte Alpha Dia in einer Bar an der Reeperbahn. Ein Fotograf sprach den damals 19-Jährigen 2012 auf sein Aussehen an. Der Gast machte ein paar Bilder, für den jungen Mann der Auslöser für die zuvor abwegige Überlegung, es als Model zu versuchen.
„Eigentlich hatte ich den Wunsch, Ingenieur zu werden“, erinnert sich Alpha Dia an die Zeit nach der Schule. „Es sollte was Akademisches sein, das ist man der Familie schuldig, wenn man aus Afrika kommt“. Schließlich gehöre man zu den wenigen, die es nach Europa geschafft haben und auf die große Hoffnungen gesetzt werden, nicht zuletzt von den daheimgebliebenen Verwandten. „Scheitern war keine Option.“
Alpha Dia: Agentur Modelwerk förderte die Karriere des Hamburgers
Doch die Zeit war hier noch nicht reif für ein schwarzes Model. Es hagelte Absagen. Versuch‘s doch mal in New York, hieß es dann. „Aber ich lebe ja in Deutschland, warum soll ich in die USA?“, fragte er sich.
Das Modelwerk, die nach eigenen Angaben wichtigste Agentur Deutschlands, hielt dennoch an ihm fest und setzte sich weiter für ihn ein. Der internationale Durchbruch gelang mit der Prada Fashion Show in Mailand. Das war 2016. „Sie haben Alpha als Naturtalent erkannt“, schwärmt seine Agentin Meilyn Bahr.
Seither habe jeder Kunde, für den der Hamburger gearbeitet hat, ihn erneut gebucht. Wegen seiner Professionalität. Und seines Looks: Denn selbst schlichte Kleidung bekomme an ihm einen teuren Touch. „Ich kann wohl auch eine Mülltüte tragen, und es sieht gut aus“, frotzelt der Profi, der jetzt in der Neustadt lebt.
Mode Hamburg: Branche ist in den vergangenen Jahren diverser geworden
Seither wechseln sich viele positive, aber auch weniger angenehme Momente in seinem Leben als schwarzes Model ab. Mit Stolz berichtet Alpha Dia über die Zeit, als das konservative Haus Louis Vuitton einen jungen Mann mit ghanaischen Wurzeln als Designer verpflichtete. Und es in den USA zu Diskussionen darüber kam, dass Menschen aller Hautfarben sich mit der Werbung für Mode identifizieren sollten.
„Aber anfangs war es eben anders. Bei der Fashion Week in Mailand saßen Künstler wie Rihanna und Beyoncé in der ersten Reihe, doch auf dem Laufsteg waren keine schwarzen Menschen zu sehen“, beschreibt Dia den zunächst schleppenden Wandel in der Branche.
Inzwischen nimmt die Modebranche das neue „normal“ vorweg, bucht längst nicht mehr nur Weiße für Fotos und Plakate. Doch noch längst nicht überall sei diese Diversität selbstverständlich. „Ich bin ein junger Mann aus Afrika, der viel reist“, sagt das Model mit den markanten Gesichtszügen. „Da sind die Kontrollen viel schärfer, etwa an den Grenzen.“
Hamburger Topmodel erlebt auf Reisen immer wieder Rassismus
Alpha Dia erlebt Rassismus auch in persönlichen, zwischenmenschlichen Begegnungen. Er schildert, wie eine Frau in der Deutschen Bahn zunächst zögerte, sich neben ihn zu setzen. Offenbar bemühte sie sich, ihre anfängliche Zurückhaltung auszugleichen, indem sie ein Gespräch mit ihm begann. „Die Frau sprach mich jedoch konsequent auf Englisch an“, erzählt Alpha Dia, auch nachdem er durchgehend auf Deutsch geantwortet hatte.
„Es fühlt sich so an, als würde man dir deine deutsche Identität aberkennen“, beschreibt er seine Gefühle in solchen Augenblicken. Er vermutet, dass die Sitznachbarin womöglich aus Höflichkeit Englisch sprach. Dennoch blieb für ihn der bittere Nachgeschmack. „Du hast dann den Eindruck, dass du unerwünscht bist.“
Zugleich, betont Alpha Dia immer wieder, sei er dankbar für die Unterstützung vieler Freunde in Hamburg. „Man ist ja auch nicht in Deutschland“, betont er, „um den Deutschen Vorwürfe zu machen.“ Wenn er über Rassismus rede, nähmen das einige Leute so auf. „Kann ich nicht stolz sein auf Deutschland?“, hieße es dann. „Aber wir können heute nicht mehr in einer segregierten Gesellschaft leben“, findet Alpha Dia. „Wir bekommen die Kleidung aus Bangladesch, die Autos aus China, die Rohstoffe fürs Telefon aus Afrika, da kann es nicht sein, dass du gegen die Menschen bist, die daher kommen.“
Alpha Dia: Warum werden so viele Menschen zu Migranten?
Auch die Frage, warum viele Menschen zu Migranten werden, treibt Alpha Dia um. Denn selbst wenn das Model für seinen Beruf alles gebe, zum Sonnenaufgang morgens um 5 Uhr am Set erscheine, meist mit vier Stunden Schlaf auskomme und beim Fotoshooting funktionieren muss, der Job ist nicht alles für ihn.
Er engagiert sich neben der Arbeit für die Menschen, „die nicht in einer so privilegierten Position sind“. Schließlich bleibt auch der Senegal seine Heimat, seine geliebte Großmutter vermisst er sehr – und vor allem denkt er an die nächste Generation, die vom Weggehen träumt.
Topmodel ist überzeugt: „Man muss mit der Jugend drüben in Afrika sprechen“
„Hier beschweren sich die Leute, dass so viele nach Europa kommen. Ich beschwere mich, dass so viele nach Europa kommen und dabei ihr Leben aufs Spiel setzen.“ Es brauche Aufklärungsarbeit darüber, dass es nicht lohne, sein Leben zu riskieren. „Man muss mit der Jugend drüben in Afrika sprechen.“
- Karl Lagerfeld: So würdigt Hamburg ihn fünf Jahre nach dem Tod
- Trauer um Hamburger Star-Modeschöpfer Jürgen Hartmann
- Paris, Chanel, Dior, Nazis – mal wieder sauteures Star-Kino
Selbst wenn es jemand aufs Boot nach Europa schaffe, bedeute das noch lange nicht, dass alle Probleme gelöst seien. „Du zahlst 1000 Euro dafür, und diejenigen werden geschickt, bei denen die größte Hoffnung besteht, dass sie es schaffen. Aber was kommt dann?“ Der Eindruck, dass es in Europa überall asphaltierte Straßen gibt und die Schule nichts kostet, sei eben nur die halbe Wahrheit.
Alpha Dia setzt sich mit Stiftung für Bildung von Kindern in Afrika ein
„Hier müssen die Leute dann Arbeiten machen, die sie zu Hause aufgrund ihres Studiums und ihrer Berufserfahrung gar nicht annehmen müssten.“ Denn häufig würden Abschlüsse in Deutschland ja nicht anerkannt.
Das Bild desjenigen, der es nach Europa geschafft habe, verharre in Afrika zugleich in alten Mustern: „Ich bin im Senegal in Sandalen zu meiner Bank gekommen, und der Filialleiter wollte mich nicht reinlassen“, berichtet Alpha Dia über eine seiner Reisen in die alte Heimat. „So sieht doch keiner aus Europa aus?“, würden die Leute denken. Wer nach Hause komme, trage die besten Klamotten, sehe nach Geld aus.
Topmodel Alpha Dia aus Hamburg: Glück im Leben liegt nicht im Jetset
Für Alpha Dia war es daher schon immer ein Wunsch, die Bildung von Kindern in Afrika zu verbessern. Mit seiner selbst gegründeten Alpha Dia Foundation hilft er Schulen vor Ort. Und mehr noch, er denkt daran, nach seiner Karriere in der Modewelt eine soziale Aufgabe zu übernehmen. „Das würde mich erfüllen.“
Model kann er schließlich auch nicht ewig bleiben. „Ich merke allmählich, dass ich etwas für mein Sixpack tun muss und habe mich gerade im Fitnessstudio angemeldet“, sagt der schlanke Hamburger lachend. Sein Glück im Leben, sagt er, könne er vielleicht ohnehin nicht im Jetset finden und darin, abends irgendwo auf der Welt allein im Hotel zu sitzen. Sein Ziel sei es, „als 70-jähriger Alpha auf meine Karriere zurückzublicken – und zu sagen, das würde ich alles wieder genau so machen“.