Hamburg. Gunnar Heydenreich gibt in Eimsbüttel Kochkurse mit Rezepten aus der Heimat. Ein Abend voll Profi-Tricks und Alpen-Sehnsucht.

Schon Loriot wusste: Mit einem Jodeldiplom hat man was Eigenes. Wer noch eins draufsetzen will, kann bei Gunnar Heydenreich ein Knödeldiplom erwerben. Der gelernte Koch, der am Heußweg in Hamburg-Eimsbüttel das Herzgrün betreibt, einen Mix aus Spezialitätenladen und Gastrobetrieb, gibt nämlich neuerdings auch Knödelkochkurse. Das ist ein weiteres Standbein des Österreichers in der für Einzelhandel und Gastronomie schwierigen Zeit.

Der 53-Jährige kommt aus der Steiermark – genauso wie Arnold Schwarzenegger – und er trägt auch den traditionellen Schladminger, einen grauen Janker mit grünen Aufschlägen. An der Wand hängen die ersten Skier von Heydenreich, doch die Berge sind weit weg. Der Steirer lebt schon seit elf Jahren in Hamburg, seinen Laden betreibt er seit 2019.

Eimsbüttel: Im Herzgrün können Hamburger das Knödeldiplom machen

Dazu kam er über Umwege: „Ich habe an der Wirtschaftsuniversität in Wien BWL studiert, aber ich koche auch leidenschaftlich gerne“, erzählt Gunnar Heydenreich. Und so habe er nicht nur ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium, sondern auch eine abgeschlossene Lehre als Koch, die er im Hilton Vienna Plaza absolvierte.

„Ich habe dann viele Jahre bei großen Unternehmen im Controlling gearbeitet“. Dann fand er schließlich das kleine Geschäft am Heußweg. „Das war mein Herzenswunsch. Reich werden tut man damit nicht, aber uns geht es gut“

Gunnar Heydenreich (hier in einem original Schladminger) bietet im Herzgrün in Eimsbüttel österreichische Spezialitäten an.
Gunnar Heydenreich (hier in einem original Schladminger) bietet im Herzgrün in Eimsbüttel österreichische Spezialitäten an. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Eine Fototapete, die den Dachstein zeigt, ziert das alpine Wohnzimmer, wie Heydenreich seinen Laden, in dem er auch österreichische Gerichte serviert, nennt. Alle österreichischen Hersteller der Produkte kenne er persönlich, versichert der Inhaber, und viele Kunden kämen aus Österreich und aus Süddeutschland. Aber auch die Hamburger seien sehr begeistert vom Essen in seinem Heimatland.

Knödel-Liebe in Hamburg: Das Herzgrün in Eimsbüttel hat inzwischen viele Stammgäste

So wie Christiane Haupt, nach eigenen Worten „Stammgast der ersten Stunde“ im Herzgrün, „riesen Österreich-Fan“ und eine der Knödelkurs-Teilnehmerinnen. Sie liebe die österreichische Küche, sagt die Hamburgerin. „Ich habe in Innsbruck Medizin studiert und dort meinen Master gemacht.“ Obwohl sie in den Bergen wohnte, habe sie nie das Skifahren ausprobiert, „ich hatte Schiss“, sagt sie und lacht. Aber die Kaspressknödel hätten es ihr angetan.

Auch Susanne Otto bezeichnet sich als Alpenfan: „Ich habe gesehen, dass es hier Kaspressknödel gibt, und seither gibt es kein Halten mehr“, sagt sie. Kristin Steffen-Krahl betreibt einen Kinderbuchladen in der Nachbarschaft und hat neben Tochter Johanna auch Ehemann Marco zum Kochkurs mitgebracht.

Isemarkt in Harvestehude: Hier verkauft der Österreicher gemeinsam mit einem Schweizer

Unter den Kochschülern ist auch David Zion, der den Laden „Der Schweizer in Hamburg“ am Eppendorfer Weg betreibt. Gemeinsam mit Heydenreich ist der Schweizer unter dem Label „Die Alpenfreunde“ auch regelmäßig mit einem gemeinsamen Stand auf dem Isemarkt in Harvestehude vertreten. „Die Österreicher haben Knödel, die Schweizer haben Käse, das passt perfekt zusammen“, sagt Zion.

Gunnar Heydenreich hat seine eigene Methode, die Kleingruppen des Kochkurses zusammenzustellen. Er steckt rote, gelbe und grüne Glasmurmeln in kleine Knödel, die er aus Kartoffelteig formt und dann kurz gar ziehen lässt. Jeder Teilnehmer fischt sich dann einen Knödel aus dem Topf, sobald diese aufschwimmen. Wer hungrig ist, hat hier gleich einen ersten kleinen Happen. Denn das ist die Begleiterscheinung bei jedem Kochkurs: Ehe man etwas zu essen bekommt, muss man es zubereiten – und das dauert.

Eimsbüttel: Der Chef des Herzgrün ist selbst ernannter „Knödelprofessor“

Der Hausherr war beim Murmelnverstecken und Knödeldrehen aber offenbar etwas abgelenkt, denn es gibt zu viele grüne Perlen. „Das ist in die Hose gegangen“, sagt der selbst ernannte „Knödelprofessor“ selbstkritisch, aber so bierernst ist der Weg zum Knödeldiplom ja nicht. Gelächter bei den Teilnehmern, und dann finden sich doch die Gruppen zusammen. Jetzt muss noch jeder sein Glas mit dem Aufdruck „Kochachterl“ beschriften, damit er es leichter wiederfindet. In Österreich werden traditionell Achterl oder Vierterl Wein ausgeschenkt.

Teilnehmerin Susanne Otto bereitet den Teig für die Zwetschgenknödel vor.
Teilnehmerin Susanne Otto bereitet den Teig für die Zwetschgenknödel vor. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Die Zutaten für die einzelnen Knödelvarianten hat Heydenreichs Ehefrau Daniela bereits abgewogen und portioniert. Für die Kaspressknödel werden altbackene Semmeln (Brötchen) und Pinzgauer Bierkäse kleingeschnitten. Dazu kommen Milch, Mehl, Ei und fein gehackte Petersilie. „Wenn der Teig zu feucht ist, tu‘ ich Brösel dazu. Das ist ein Trick bei allen Knödeln“, erklärt Heydenreich.

Profi-Trick: Wann man bei Knödeln feuchte und wann bemehlte Hände braucht

Man solle bei Semmelknödeln unbedingt mit feuchten Händen arbeiten („das darf gern ein bisschen schlatzig sein“), bei Kartoffelknödeln mit bemehlten Händen, rät der Koch. Danach werden die Kaspressknödel geformt, platt gedrückt (gepresst – daher der Name) und dann in der Pfanne gebraten. Durch das Braten zerläuft der Käse und die Knödel werden schön knusprig. Dazu gibt es Vogerlsalat (Feldsalat).

Nach dem gemeinsamen Kochen sitzen die Teilnehmer im Herzgrün in Eimsbüttel an der langen Tafel und verspeisen die unterschiedlichen Knödel.
Nach dem gemeinsamen Kochen sitzen die Teilnehmer im Herzgrün in Eimsbüttel an der langen Tafel und verspeisen die unterschiedlichen Knödel. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Ein paar Teilnehmer produzieren Spinat-, Kürbis- und Grammelknödel. Letztere sind mit Grieben gefüllte Knödel, die mit Sauerkraut serviert werden. Für das Dessert bereitet die Nachtisch-Gruppe Zwetschgenknödel und Mozartknödel (mit einer Mozartkugel als Füllung) vor. Heydenreich erklärt, warum er dafür ein Rezept mit Topfen (Quark) und Erdäpfeln (Kartoffeln) benutzt: „Die Wiener wollen ihre Knödel aus Topfenteig, die anderen Österreicher mit Erdäpfeltteig“, sagt der Koch. Die Kochkursteilnehmer bekommen also eine Melange aus beiden.

Hamburg-Eimsbüttel: Bevor es ans Essen der Knödel geht, sind etliche Gläser geleert

Als dann endlich alle Knödel fertig gegart sind, sind auch schon etliche Kochachterl getrunken worden. Es wird höchste Zeit, dass es ans Essen geht. Weil das Herzgrün nur begrenzt Platz bietet, werden die Tische, auf denen eben noch gearbeitet wurde, zu einer großen Tafel zusammengeschoben und alle nehmen Platz. Inzwischen fühlt sich der Abend an wie eine Party in einer bunt zusammengewürfelten Wohngemeinschaft. Die Stimmung ist ausgelassen.

Können sich sehen lassen und schmecken köstlich: Spinat- und Grammelknödel mit Sauerkraut und Feldsalat.
Können sich sehen lassen und schmecken köstlich: Spinat- und Grammelknödel mit Sauerkraut und Feldsalat. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Aber dann wird es ruhiger im alpinen Wohnzimmer. Nicht jeder Knödel ist perfekt gerundet, aber es herrscht andächtiges Schweigen beim Essen. Abschließend gibt es großes Lob vom „Knödelprofessor“, der noch die Urkunden für das Knödeldiplom ausstellt. Alle haben bestanden.

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„Knödelkochen ist Gefühlssache“, gibt er den Teilnehmern mit auf den Weg. Marco möchte gern noch wissen, ob das Diplom ein Leben lang gültig ist und ob er wohl summa cum laude bestanden hat. Gunnar Heydenreich sagt, das Diplom müsse zwar alle zehn Jahre erneuert werden, „aber Ihr könnt jetzt Knödel kochen, euch kann nichts mehr passieren“.

Der Knödelkochkurs im Herzgrün (Heußweg 97, Telefon 040/432 19 434) ​kostet 98 Euro inklusive begleitender Getränke. Weitere Infos unter herzgrün.com.

Rezept für Zwetschgen- und Mozartknödel

Zutaten für den Kartoffel-Topfenteig (für ca. 20 Knödel): 100 g zerlassene Butter, 150 g abgetropfter, bröseliger Topfen (Quark mit 20 Prozent Fettgehalt), 250 g mehlige Kartoffeln (am Vortag in der Schale gekocht, über Nacht im Kühlschrank gelagert), durch eine Kartoffelpresse gedrückt, 150 g Instant-Mehl (doppelgriffig), alternativ: Buchweizenmehl, 50 g Hartweizengrieß, Prise Salz, Zitronenzeste, 1 TL Vanillezucker

Zutaten für die Füllung: 10 mittelgroße Zwetschgen, 10 Mozartkugeln

Zutaten goldbraune Brösel: 100 g Semmelbrösel, 1 EL Butter, 1 EL Kristallzucker, Zimtpulver, Puderzucker zum Bestreuen

So sehen die selbst gemachten Zwetschgenknödel aus. Wenn es keine frischen Früchte mehr gibt, kann man tiefgekühlte verwenden.
So sehen die selbst gemachten Zwetschgenknödel aus. Wenn es keine frischen Früchte mehr gibt, kann man tiefgekühlte verwenden. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Zubereitung Grundmasse: Zerlassene Butter mit dem Topfen verrühren, mit den zerdrückten Kartoffeln, Mehl, Grieß, Vanillezucker, Zitronenzeste und einer Prise Salz durchmischen und mit bemehlten Händen zu einem glatten Teig verkneten. Mit Frischhaltefolie abdecken und 30 Minuten ruhen lassen.

Zubereitung Knödel: Mit bemehlten Händen kleine Teigstücke entnehmen und dünn auslegen, über die ganze, nicht entkernte Zwetschge (Aufpassen beim Essen!) bzw. über die Mozartkugel legen und zu Knödeln rollen. In einem Topf reichlich Salzwasser erhitzen, die Knödel einlegen und 8 bis 10 Minuten in heißem, nicht kochenden Wasser gar ziehen lassen. Nach dem Einlegen kurz mit einem Löffel vom Boden heben, damit die Knödel nicht am Topfboden ankleben.

In der Zwischenzeit in einer Pfanne Butter erhitzen und die Semmelbrösel bei mittlerer Hitze unter ständigem Rühren goldbraun rösten. Die Brösel aus der Pfanne nehmen, Kristallzucker und eine Prise Zimt untermengen. Die fertig gekochten Knödel aus dem Kochwasser nehmen, kurz mit Küchenpapier abtupfen und sofort in den Bröseln wälzen. Mit Puderzucker bestreuen und servieren.