Hamburg. Monika Fuchs hat im Schwarzenviertel gejobbt, die Welt gesehen, für Beckmann gekocht. Jetzt erscheint ihre bewegende Biografie.
Sie ist wohl Deutschlands älteste Food-Youtuberin mit mehr als 45.000 Followern, sie lädt regelmäßig fremde Menschen in ihr Wohnzimmer ein und bekocht diese, sie war mit Tim Mälzer im Wettstreit und reist für die Zubereitung von gutem Essen durch die Welt. Jetzt hat Monika Fuchs aus Hamburg-Harvestehude mit 85 Jahren ihre Erinnerungen an ein sehr bewegtes Leben aufgeschrieben.
„Wann soll ich mit dem Striptease beginnen?“, fragt Monika Fuchs den Abendblatt-Fotografen beim Treffen in ihrer Essecke in der herrschaftlichen Altbauwohnung an der Isestraße. Ja, das ist Monika Fuchs. Locker, nahbar, humorvoll. Klar, dass sich bei dem Gespräch geduzt wird.
Youtube Star aus Hamburg: Buch über ihr stürmisches Leben
Reden und auf Menschen zugehen kann sie gut, schreiben aber auch. Und weil die Mutter von vier Kindern, Oma von neun Enkeln und mittlerweile auch Uroma viel zu erzählen hat aus ihrem bewegten Leben, hat sie darüber ein Buch verfasst: „Den Faden halten. Mein stürmisches Leben“ heißt das. Zwei Jahre lang hat sie daran gearbeitet.
Was ihr Leben so stürmisch macht? Kurz und knapp erzählt: Mit 18 Jahren ist sie von Fernweh geplagt, von zu Hause aus dem feinen Villenviertel im großbürgerlichen Hannover-Kleefeld abgehauen und reiste Mitte der 1950er allein mit dem Schiff nach New York. Sie lernte ihren ersten Mann kennen, lebte in den USA und kehrte allein mit ihrem Sohn zurück, fand eine neue Liebe, reiste mit ihrem zweiten Mann durch die Welt und wurde schließlich in Hamburg sesshaft.
In Hamburg war sie 16 Jahre lang für das Catering bei Reinhold Beckmann – Moderator und Autor, seinem Team und Gästen der ARD-Talkshow wie Elton John, Angela Merkel oder Senta Berger zuständig. Bis zum Aus im September 2015. Eigentlich hätte sie sich mit 76 Jahren, nachdem sie außerdem viele Jahre bei Verena Feldbuschs „Peep!“-Show und auch bei Markus Lanz für das gute Essen zuständig war, zur Ruhe setzen können.
Monika Fuchs: 2018 startete die heute 85-Jährige eigenen Food-Youtube-Kanal
Das Ende war für Monika Fuchs aber ein Schock. „Ich fühlte mich arbeitslos, starrte auf die kalten Töpfe und hatte Angst, bald mit dem Kühlschrank zu sprechen“, sagte sie einmal im Abendblatt-Gespräch. Stillsitzen und nichts tun ist nichts für sie.
Sie probierte ehrenamtliche Arbeit im Hospiz aus, half beim Mitternachtsbus für Obdachlose und bei der Hamburger Tafel mit Annemarie Dose. „Die sagte zu mir, ich solle noch einmal richtig arbeiten gehen, bis ich alt bin.“
Also gründete sie 2014 einen Dinnerclub und versammelt seitdem regelmäßig bis zu 28 Gäste um ihren Esstisch. Dort begegnen sich einmal im Monat völlig fremde Menschen zu einem Fünf-Gänge-Menü gegen eine Spende für einen wohltätigen Zweck.
Und wer dabei ist, erlebt einen unvergesslichen Abend mit hervorragendem Essen und dem guten Gefühl, mit völlig Fremden nette Gespräche geführt zu haben. 2018 startete die Gastgeberin ihren eigenen Food-Youtube-Kanal „Monika Fuchs kocht“, und nun legt sie ihre Memoiren vor.
Hamburg-Harvestehude: Von bösen Schwiegermüttern und Alkoholiker-Vater
Darin geht es unter anderem um bösartige und schwierige Schwiegermütter, die sie zu ertragen hatte. Sie erzählt von ihrem kriegsgeschädigten Vater, der Alkoholiker war und sich nachts bei der sechsjährigen Monika ausgeheult hat, ihr seine traumatischen Kriegserlebnisse schilderte und sie gewissermaßen als Therapeutin missbraucht hat.
Peinlich seien ihr solche Erlebnisse, sagt sie, aber sie gehören zu ihrem Leben.
„Ich musste mich in dem Buch outen, musste erzählen, dass mein Vater Gentleman-Quartalstrinker war. Das gehört zur Wahrheit dazu, wurde in unserer Familie aber verschwiegen“, sagt Monika Fuchs. Und es war doch ein wesentlicher Teil ihrer Kindheit. „Er holte mich nachts aus dem Bett ins Wohnzimmer, da saß ich im Nachthemd, und er redete stundenlang auf mich ein und weinte dabei.“
Eine völlige Überforderung war das für das Kind, das sich dann mit 14 Jahren gegen die nächtlichen Monologe ihres Vaters wehrte und sich vor ihm versteckte. „Die Entzauberung der Kindheit“, hat sie das erste Kapitel genannt.
Biogafie: Sie war Kosmetikvertreterin im armen Schwarzenviertel Pittsburghs
Prägend und hart war auch die Zeit mit ihrem ersten Ehemann, einem Deutschen, in den USA. In den vier Jahren, in denen sie in Pittsburgh/Pennsylvania lebte, war sie ziemlich arm, also musste ein Job her – sie wurde Avon-Kosmetikvertreterin, und die Amerikaner schickten die elegante, hochgewachsene Deutsche ausgerechnet ins schwarze Armenviertel der Stadt. „Ich tauchte da in meinem eleganten blauen Kostüm auf und wurde beschimpft und beworfen“, erinnert sie sich.
Aber Monika Fuchs ist zäh, sie blieb standfest, und irgendwann gehörte sie dazu, wurde von der Community zu frittiertem Schweinedarm eingeladen. „Die hatten selbst nichts und kratzen ihr letztes Geld zusammen, um mir etwas abzukaufen. Denn ich war noch ärmer als sie.“
Amerika war die Zeit, in der ihr erster Mann psychisch erkrankte und gewalttätig wurde. „Vier Jahre habe ich das ertragen, weil ich ihn geliebt habe. Aber dann war Schluss. Von heute auf morgen war ich weg“, erzählt Monika Fuchs, samt ihrem ältesten Sohn Martin ging es zurück nach Deutschland.
Monika Fuchs floh vor ihrem psychisch kranken Mann nach Hamburg
Nach dem Ende ihrer Ehe mit dem psychisch kranken Mann in den USA folgte Roland. Mit dem Hotelmanager war sie in der ganzen Welt unterwegs, begleitete ihn durch Südostasien, auf die Philippinen bis nach Neuseeland, sie bekam drei weitere Kinder, ein fünftes Kind starb bei der Geburt.
Ihre Ehe führten die beiden teils als Fernbeziehung, teils in Trennung und kamen schließlich in Hamburg, als Roland Fuchs in Rente ging, wieder zusammen, lebten in der großen Altbauwohnung in Hamburg-Harvestehude.
Aber typisch Monika, führten sie ein eher unkonventionelles Eheleben: Die Wohnung wurde aufgeteilt, sodass beide ihre eigenen Bereiche hatten. Die 85-Jährige kann Eheleuten nur empfehlen, getrennte Schlafzimmer zu haben. „Das ist auch fürs Sexleben bereichernd.“
Biografie: Lebenskünstlerin, die auch den Krebs besiegt hat
Die letzten Jahre seines Lebens war Roland bettlägerig, Monika Fuchs pflegte ihn bis zu seinem Tod. Klar, war das auch mal nervig, vor allem der Alltagskram. „Wenn ich es nachts habe poltern hören, wusste ich: Jetzt hat er wieder die Fernbedienung fallen lassen, und ich musste hin und sie unterm Bett hervorholen.“ Sie sagt das zwar ein wenig spöttisch, aber mit ganz viel Liebe und Wärme in der Stimme. Sicher, sie hat das gern gemacht.
Monika Fuchs ist eine Lebenskünstlerin und stellte sich in ihrem Leben immer wieder herausfordernden Situationen. Sie arbeitete nicht nur als Avon-Beraterin, sie war im Roomservice des damals exklusiven und modernen Interconti in Hannover, sie war Mannequin, heute würde man Model sagen, sie arbeitete als Journalistin und Autorin und gründete eine Cateringfirma – obwohl sie gar nicht kochen konnte.
Herausforderungen hat sie sich immer gestellt. Eine besonders große war ihre Krebserkrankung, die vor zwei Jahren diagnostiziert wurde und gegen die sie erfolgreich gekämpft hat. „Mein Krebs, so ein Scheißkerl“, hat sie das Kapitel dazu genannt. Und es fällt ihr offensichtlich leichter, darüber zu schreiben als darüber zu reden. Nur so viel: „Ich gelte bei den Ärzten als Wunder.“
Hamburg-Harvestehude: Ihren Rollator siezt sie, akzeptiert ihn aber
Eine körperliche Schwäche ist geblieben. Deshalb braucht sie einen Rollator. Beziehungsstatus: kompliziert. Freddy hat sie ihn getauft. „Der wird nur gesiezt“, sagt sie. Vielleicht ist diese Namensgebung verbunden mit einer gewissen Distanz ihre Art, ihre Schwäche zu akzeptieren, sich einzugestehen, dass sie diese Gehhilfe bei längeren Touren durchs Viertel benötigt.
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Es hat gedauert. „Ich habe Rotz und Wasser geheult, aber irgendwann habe ich es akzeptiert, dass ich ihn brauche.“ Heute könnte sie sich sogar vorstellen, eine Art Botschafterin für Rollatoren zu werden. Entsprechende Firmen können sich gern bei ihr melden, sagt Monika Fuchs und lacht.
Youtube-Star Monika Fuchs sucht schon wieder eine neue Aufgabe
Sie wäre ja auch nicht Monika, wenn sie nicht schon wieder neue Aufgaben sucht.
Beim letzten Treffen mit ihr vor fünf Jahren, sagte sie, sie habe drei Wünsche: am Nordpol in der Kälte für die Forscher zu kochen, ein Restaurant im Wohnzimmer zu haben und ein Buch zu schreiben. Alle Wünsche sind erfüllt worden.
Ihr neuester Wunsch: Bei einer kinderreichen Familie in England für die Sendung „Frau Fuchs kocht“ beim „Sunday Roast“ – dem traditionellen Sonntagsbraten – dabei sein oder beim „Hight Tea“, der englischen Teestunde.
Monika Fuchs: „Den Faden halten. Mein stürmisches Leben“. Rowohlt-Verlag, 24 Euro.