Hamburg. Anwohner fürchten um ihre Hinterhofoase, Mieter um ihre Wohnungen – warum politische Mehrheit gegen das Projekt nichts nützt.
Erst kam ein wenig Hoffnung auf bei den Anwohnern auf dem Areal am Grindelhof 83, 87a und 89 in Hamburg-Rotherbaum, weil sie nun die Mehrheit der Politik im Bezirk Eimsbüttel auf ihrer Seite haben im Kampf gegen 19 neue Eigentumswohnungen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft.
Seit Jahren wehren sie sich unter anderem gegen die Verdichtung ihres idyllischen Hinterhofes.
Hamburg-Rotherbaum: Grindel-Anwohner kämpfen seit Jahren um Hinterhofoase
Vitus Brüning lebt mit seiner Frau und den Kindern Bendix, Carlotta, Luisa und Piet sehr idyllisch, grün und zentral. Schöner wohnen in Eimsbüttel geht wohl kaum. Er und seine Mitstreiter möchten natürlich ihre Oase behalten und wehren sich seit rund acht Jahren dagegen, dass in ihrer Terrassenhausgasse hinter der Hausnummer 87a Stadthäuser gebaut werden. Dahinter steckt auch immer die Frage: Wie eng wollen wir in der Stadt leben, wie viel Nachverdichtung ist gut?
Tatsächlich ist kaum vorstellbar, wie dort neun Häuser entstehen sollen, rund fünf Meter entfernt von der Wohnung von Anwohner Malte Eiben. „Die Häuser würden alle Wohnungen extrem verschatten.“ Frischluftschneisen, wie vom Senat in der Stadtklima-Analyse vorgegeben, würde es dann keine geben können.
Kämen diese Häuser, sei der grüne Ruhepol inmitten der Großstadt gefährdet. Dann werde es so eng, dass die Lebens- und Wohnqualität erheblich darunter leiden würde.
Grindel: Anwohner sehen ihre Idylle durch Bauprojekt gefährdet
Die gute Nachricht aus Sicht der Bebauungsgegner: Gemeinsam mit den Stimmen der Grünen, der AfD und Linksfraktion hat die FDP in einem Antrag mehrheitlich einen Beschluss gefasst, dass mittels eines noch aufzustellenden Bebauungsplans das gesamte Ensemble geschützt werden soll und somit ab sofort per Veränderungssperre keine weitere Bebauung möglich wäre.
Es soll ein B-Plan erstellt werden „mit der Vorgabe, dass der Bebauungsplan den derzeitigen Zustand vor dem Hintergrund ökologischer, denkmal- und milieugeschützter Aspekte vor einer weiteren unverhältnismäßigen und unzumutbaren Verdichtung eines ohnehin schon intensiv besiedelten Quartiers schützt“, heißt es unter anderem in dem Antrag.
Grindelviertel Hamburg: Bezirksversammlung bei Nachverdichtung rechtlich machtlos
„Das ist schonmal ein großer Schritt nach vorne, aber die Tücke liegt leider im Detail“, sagt Vitus Brüning. „Denn dieser Beschluss wird wieder beanstandet werden, da die Rechtslage hinsichtlich der Befugnisse der Bezirksversammlung umstritten ist.“
Nach anfänglicher Hoffnung, nun also große Ernüchterung bei den Anwohnern, weil rechtliche Formalien einen entsprechenden Beschluss der Bezirksversammlung Eimsbüttel gegen die derzeitigen Baupläne wohl hinfällig machen.
Und so schreiben die Rechtsanwälte des Projektentwicklers, die Anima Grindelhof: „Die Bezirksversammlung ist (...) nicht berechtigt, einen für das Bezirksamt bindenden Beschluss mit Blick auf die Aufstellung eines Bebauungsplans zu fassen. Denn diese Aufgabe ist ausdrücklich dem Bezirksamt, nicht der Bezirksversammlung zugewiesen worden. Darüber hinaus hat der Bezirk an sich gar keine Zuständigkeiten für die verfolgten Festsetzungsziele, nämlich Denkmal- und Milieuschutz.“
Außerdem gab es diesen erneuten Beschluss schon einmal – und er wurde bereits als unrechtmäßig eingestuft. Nach Abendblatt-Informationen hatte Bezirksamtsleiterin Sonja Böseler (parteilos) bereits angekündigt, dass auch dieser Beschluss wieder beanstandet werde, da er inhaltlich identisch sei mit dem ersten.
Hamburg-Rotherbaum: Grindel – Grünfläche zum Park umgestalten?
Anwohner Brüning ist tief enttäuscht von der Politik im Bezirk Eimsbüttel: „Es geht also hier um Formalien, nicht um Inhalte. Für mich ist es ein Skandal, dass ein politischer Wille auf diese simple Art und Weise ausgehebelt und ad absurdum geführt werden kann.“ Selbst wenn die Befugnisse umstritten oder nicht ausreichend sein sollten, so Brüning, stehe zu befürchten, „dass der mehrheitliche Wille der demokratisch gewählten Bezirksversammlung von der Behördenleitung schlicht ignoriert wird.“
Die Hinterhofidylle von Brüning und seinen Nachbarn, heißt es in einem Schreiben der Anwälte der Anima Projektentwicklungsgesellschaft mbH weiter, sei zwar hübsch, aber eine wertvolle ökologische Funktion habe sie keine und „Nutznießer wären ausschließlich die unmittelbaren Nachbarn, also Bewohner von circa 30 Wohneinheiten“, nicht aber die Allgemeinheit.
Bereits jetzt sei das Grundstück durch die vorhandene Tiefgarage zu nahezu 100 Prozent versiegelt. Die neuen Pläne sehen vor, einen Teil der Fläche zu entsiegeln und Bäume zu pflanzen. Vitus Brüning und Malte Eiben sagen, sie bestehen ja gar nicht darauf, dass alles bleibt wie es ist. Ihre Idee: „Man könnte die Grünfläche als kleinen Park umgestalten und für die Öffentlichkeit zugänglich machen.“ Dann haben alle etwas von der grünen Oase.
Rotherbaum: Im Hinterhof sollen neun Stadthäuser entstehen
Die Anima Projektentwicklungsgesellschaft mbH plant, im Innenhof neun Häuser mit 19 familientauglichen Wohnungen zu bauen – vermutlich Eigentumswohnungen mit Gärten und Grünflächen.
Das seit den 60er Jahren bestehende Baurecht weise das Grundstück außerdem im städtischen Wohnungsbauprogramm aus.
Veränderungen stehen auch im Vorderhaus an: Dort gibt es derzeit etwa 70 Mikro-Apartments à 14 Quadratmeter. „Künftig soll es etwa je zur Hälfte Mikro- und Doppel-Apartments (28 Quadratmeter) zur Miete geben“, so Mark Maurin, Geschäftsführer der Anima Projektentwicklungsgesellschaft mbH. Wie viele das genau werden, hängt von der Aufteilung ab.
Mieter jetziger Mikroapartments im Grindel wehren sich gegen Sanierung
Noch sind etwa 20 Wohnungen bewohnt, vermutlich werden zehn Mieter im Haus bleiben – die Mieter am Grindelhof in Rotherbaum hatten sich vom Bauherrn unter Druck gesetzt gefühlt, die Wohnungen zu verlassen.
Drastische Mieterhöhungen wird sich keiner der Bewohner leisten können. Derzeit liegt der Mietpreis bei unter 10 Euro pro Quadratmeter. Eine Wohnung im Grindelviertel zu den bislang geltenden Konditionen zu finden, ist ebenfalls utopisch.
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Die Anima Projektentwicklungsgesellschaft mbH verteidigt ihr Bauvorhaben: „Wir entsprechen damit dem seit vielen Jahren im städtischen Wohnungsbauprogramm proklamierten Ziel, die Brache Grindelhof Nr. 87 zur Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum zu nutzen“, so Mark Maurin.
Grindelviertel in Rotherbaum: Schon vor dem Weltkrieg war Gegend dicht bebaut
„Unser Bauvorhaben trägt zur Stadtreparatur bei, da es die historische städtebauliche Situation wiederherstellt. Die Wohnbebauung auf unserem Grundstück war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Die Brandwände der angrenzenden Wohngebäude zeugen davon.“ Luftbildaufnahmen aus Zeiten vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zeigen, wie eng das Areal ursprünglich bebaut war.
Maurin: „Auch wiederholen wir unsere im Kerngebietsausschuss erfolgte Projektpräsentation jederzeit gern im öffentlichen Teil des Fachausschusses.“