Hamburg. Das Leben der kleinen Noma aus Eimsbüttel hing gleich zweimal am seidenen Faden. Heute geht es ihr gut – dank besonderer „Helden“.

Zweimal stand Andi Jakub Ebel mit seinem Baby im Arm auf dem Bürgersteig vor seiner Wohnung in Hamburg-Eimsbüttel, zweimal war Baby Noma kreidebleich und ohnmächtig. Zweimal fuhren er und seine Frau Svenja mit ihrem weggetretenen Säugling zur Kindernotaufnahme ins Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), wo ihr Kind gerettet wurde. Noma kam mit einem Herzfehler zur Welt und hätte beinahe nicht überlebt.

Wenn am Sonntag im Stadion Hoheluft am Lokstedter Steindamm wieder mehr als 30 Hamburger Prominente beim traditionellen Benefizspiel „Kicken mit Herz“ antreten, wenn die „Hamburg Allstars“ gegen die „Placebo Kickers“, das Ärzteteam des UKE, spielen und der Erlös an die Kinder-Herz-Medizin des Universitätsklinikums Eppendorf geht, dann sind auch Svenja Halberstadt-Ebel und ihr Mann Andi Jakub Ebel mit Noma dabei.

Denn diesen Ärzten, die kleine Babyherzen operieren, verdanken die Eltern alles, sie verdanken ihnen das Leben ihrer heute acht Monate alten Tochter. Sie werden dann den Kinderkardiologen Professor Thomas Mir im Fußballdress sehen. Er hat Noma nicht operiert, stand dem Ehepaar aber wie viele andere zur Seite.

UKE Hamburg: Acht Monate alte Noma aus Eimsbüttel hat zwei Herz-OPs hinter sich

Wer Noma, von ihren Eltern liebevoll „Nomi“ genannt, in der Eimsbütteler Wohnung erlebt, sieht ein unglaublich entspanntes, ausgeglichenes und noch dazu ausgesprochen niedliches Baby. Dass sie zwei Herz-Operationen hinter sich hat, in Lebensgefahr schwebte und mehrmals tagelang im künstlichen Koma auf der Kinderintensivstation lag, ist kaum vorstellbar.

Noma ist eben ein Überraschungspaket. Als sie im vergangenen Dezember auf die Welt kam, war zunächst alles bestens. Drei Tage verbrachte die kleine Familie diese erste besondere Zeit nach einer Geburt in Ruhe im Krankenhaus, sie lernten sich kennen, kuschelten und schmusten, alles schien in Ordnung. Svenja Halberstadt-Ebel stillte ihr Baby, genoss diesen Zauber.

Herzfehler von Noma ist angeboren und wurde lange nicht entdeckt

Aber schon nach dem zweiten Tag, nach der U2, lag der Verdacht nahe, dass Noma Trisomie 21 hat. Es gab äußerliche Merkmale, die darauf hindeuteten, unter anderem die hübschen Mandelaugen – die Noma aber genauso gut von ihrem Papa geerbt haben könnte.

Ein Gentest brachte dann die Gewissheit. „Trisomie 21 war für mich schon in der Schwangerschaft kein Thema“, sagt Svenja Halberstadt-Ebel. Niemals hätte sie ihr Kind abgetrieben. Sämtliche Feindiagnostik während der Schwangerschaft hatte dieses Chromosom, das Noma zusätzlich hat, nicht entdeckt.

Nicht entdeckt wurde aber zunächst auch der angeborene Herzfehler. Erst ein Kinderkardiologe teilte den Eltern eineinhalb Monate nach der Geburt mit, dass ihr Baby Löcher in der Herzscheidewand hat, dass die Mitralklappe eine Fehlbildung hat – AVSD heißt diese Herzerkrankung.

Wie eine kleine orangefarbene Lampe das Leben von Noma rettete

Diese macht sich unter anderem durch eine verminderte körperliche Belastbarkeit bemerkbar, durch eine beschleunigte Atmung, übermäßiges Schwitzen und eine Gedeihstörung. Nur eine Operation am offenen Herzen könne helfen, sagte der Kardiologe, am besten wenn Noma gut fünf Kilo wiege. Denn mit damals eineinhalb Monaten war sie für eine OP zu klein und zu dünn.

„Das war schlimm“, sagt Svenja Halberstadt-Ebel. „Das war ein Schock, ich musste sehr weinen.“ Also hieß es für die kleine Familie zunächst abwarten, bis Noma kräftig genug sein würde für eine Operation. So die Annahme. Es kam anders, und eine orangefarbene Lampe sollte das Leben des Babys retten.

Denn ohne diese wäre Noma wohl still und leise im Schlaf verstorben. Weil aber im Schlafzimmer eine kleine Tischlampe herunterfiel und die schlafende Noma am Kopf traf und sie sehr schrie, machten sich die Eltern Sorgen und wollten mit ihr lieber in die Kindernotaufnahme. Ein schicksalhafter Zufall.

UKE Hamburg: Das weggetretene Baby kam in den Schockraum

Das war dann das erste Mal, dass Andi Jakub Ebel unten auf dem Bürgersteig mit einem plötzlich ohnmächtigen Baby stand. Zuvor hatte sich ihr gesamter Darm entleert, ihre Lippen und die Kinn- und Nasenpartie waren schneeweiß geworden, ein leises Röcheln und weg war sie.

Während Mutter Svenja ihre Tochter auf der Rückbank des Autos beatmete, fuhr Vater Andi Jakub in der Nacht die leeren Straßen hinüber ins UKE. Dort ging es mit dem weggetretenen Baby sofort in den Schockraum. Koma und sorgenvolle Stunden, was mit Noma geschieht, ob sie überleben würde.

Beim Gedanken an die furchtbaren Stunden schießen dem Vater Tränen in die Augen

Wenn Andi Jakub Ebel und Svenja Halberstadt-Ebel über dieses Erlebnis reden, wenn sie an die Bilder aus dem Schockraum denken, schießen ihnen sofort die Tränen in die Augen.

Noma überlebt, aber nach Hause wird es die kommenden Wochen nicht gehen. Die Herz-OP muss doch sofort erfolgen, Nomas Herz war viel zu schwach. Ein Wunder, dass sie so lange überlebt hat, heißt es. „Nomi ist eine Kämpferin“, sagt ihre Mutter Svenja Halberstadt-Ebel.

Wie schwach ihr Herz war, das sah man dem Baby kaum an. Ja, die kalten Füße und Hände waren ein Zeichen dafür, auch die marmorierte Gesichtshaut. Aber ansonsten war Noma immer ein lebendiges, waches kleines Baby.

Während der Herz-OP bemalen Vater und Mutter eine Lebenskerze für ihre Tochter

Während ihre Tochter also stundenlang am Herzen operiert wurde, fuhr das Ehepaar nach Hause, bemalte eine Lebenskerze für ihre Tochter, schickte alle Kraft in den Himmel, ins Universum, banges Warten, bis zum erlösenden Anruf: Noma lebt. „Bis dahin bist du nur am Funktionieren, du bist in einem anderen Universum“, sagt Vater Andi Jakub Ebel. Und dann große Erleichterung und sehr viele Tränen.

Während ihre Tochter Noma stundenlang im UKE in Hamburg-Eppendorf am Herzen operiert wurde, bemalten ihre Eltern Svenja Halberstadt-Ebel und Andi Jakub Ebel zu Hause in Eimsbüttel zur Ablenkung eine Lebenskerze.
Während ihre Tochter Noma stundenlang im UKE in Hamburg-Eppendorf am Herzen operiert wurde, bemalten ihre Eltern Svenja Halberstadt-Ebel und Andi Jakub Ebel zu Hause in Eimsbüttel zur Ablenkung eine Lebenskerze. © Marcelo Hernandez

Alles gut? Leider nein. Zwar schien nach der ersten Herz-OP zunächst alles in Ordnung zu sein, die Kleine erholte sich prächtig, es ging nach Hause. Aber keine 24 Stunden nach dem Verlassen des Krankenhauses steht Andi Jakub Ebel wieder mit Noma auf dem Bürgersteig. „Noma trank so schlecht, ich machte mir Sorgen“, erzählt Svenja Halberstadt-Ebel. Sie wollte sofort mit Noma ins Krankenhaus. Sie hörte einfach auf ihr Gefühl, und damit lag sie richtig.

Nomas walnussgroßes Herz ist trotz der Operation noch zu schwach

Denn kaum vor der Wohnung angekommen, um ins Auto zu steigen und zum Krankenhaus zu fahren, wiederholte sich das Trauma: Wie beim ersten Mal entleerte sich Nomas Darm, die Lippen und die Mundpartie färbten sich schneeweiß, sie klappte weg. Wieder in die Notaufnahme.

Trotz der OP war Nomas walnussgroßes Herzchen immer noch zu schwach, die Insuffizienz wurde nicht besser. Wieder eine OP am Herzen, wieder bangen und totale Anspannung. Noma fängt sich zusätzlich eine Lungenentzündung ein. Acht Tage künstliches Koma, ihr Baby intubiert, bedeckt von zahlreichen Schläuchen, ein nur schwer zu ertragender Anblick für die Eltern. Ein Auf und Ab der Gefühle, 60 Tage lang, zum Durchdrehen. Dann das erste Aufwachen und das erste Lächeln ihres Babys. Alles wieder gut.

Diese zweite Operation bringt endlich die Wende.

„Ein Kniefall vor Ärzten, die Kinderherzen operieren, das sind echte Helden“

Heute geht es Noma gut. Sie nimmt zweimal am Tag noch Medikamente, sie trinkt gut an der Brust, und sie ist ein ganz normales acht Monate altes Baby, das sich völlig altersgerecht entwickelt.

„Ein Kniefall vor den Ärzten, die Kinderherzen operieren, das sind für mich alles echte Helden“, sagt Svenja Halberstadt-Ebel beim Treffen in der Eimsbütteler Wohnung. Dass es Menschen gibt, die den Mut aufbringen, diese kleinen Herzen zu operieren, die Verantwortung dafür übernehmen, das beeindruckt sie sehr.

Nach zwei Herz-OPs am UKE geht es der acht Monate alten Noma aus Hamburg-Eimsbüttel wieder richtig gut.
Nach zwei Herz-OPs am UKE geht es der acht Monate alten Noma aus Hamburg-Eimsbüttel wieder richtig gut. © Marcelo Hernandez

Noma geht es gut, aber Vater Andi Jakub Ebel hat diese Zeit des Ausnahmezustands sehr zugesetzt. Er entwickelte eine posttraumatische Belastungsstörung, hatte Albträume, schlief schlecht und hatte Flashbacks, konnte eine Zeit lang die Troplowitzstraße zum UKE nicht entlangfahren, und er machte das einzig Richtige und begann eine Therapie, kümmerte sich um sich, fünf Monate nach der zweiten Herz-OP seiner Tochter.

„Ich hatte Glück und habe sofort einen Therapieplatz in der Nähe bekommen“, sagt Andi Jakub Ebel. Er leitet das Elimar Restaurant am Lokstedter Steindamm, hat ein Team, übernimmt Verantwortung und sagt, er sei eigentlich stark. Eigentlich. Aber was musste er alles aushalten. „Ich mache die Therapie, um mental stark zu sein, um für Noma da zu sein.“

Mutter Svenja hat eine andere Stärke in sich, ihre Therapie ist die Nähe zu ihrem Baby. „Meine Hormone als frisch gebackene Mutter helfen mir wohl, ich fühle mich unbesiegbar.“

Trisomie 21 – der Kampf gegen Vorurteile ist das nächste Gefecht von Nomas Eltern

Und sie nimmt einen weiteren Kampf auf. Den Kampf gegen Vorurteile gegenüber Menschen mit Trisomie 21.

„Ich war total geschockt, als ich hörte, dass neun von zehn Frauen sich für eine Abtreibung entscheiden, wenn bei ihrem ungeborenen Kind Trisomie 21 festgestellt wird. Das wirkt wie selbstverständlich.“ Das sollte es aber nicht sein.

Immer noch würden Sätze fallen wie „Das kann man ja wegmachen“ oder „Das muss ja nicht mehr sein“. Für Svenja Halberstadt-Ebel sind diese furchtbaren Worte kaum auszuhalten, und für alle anderen Eltern von Kindern mit Trisomie 21 auch nicht.

„Diese Menschen sind eine Bereicherung, ja auch in einer Gesellschaft, in der es nur um Leistung geht, haben sie einen Platz verdient“, sagt sie.

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UKE-Hamburg: Ärzte treten bei „Kicken mit Herz“ gegen Prominente an

Noma jedenfalls, dafür werden die Filmproducerin und ihr Mann schon sorgen, wird später einen Beruf erlernen. „Sie kann schauspielern, Malerin werden – und wenn wir eigens ein Restaurant für sie eröffnen werden, sie wird einem Beruf nachgehen.“

Wer am Leben von Noma und ihren Eltern teilhaben möchte, kann ihnen auf Instagram unter dem Namen untermandelaugen folgen.

„Kicken mit Herz“: Am Sonntag, 3. September, ab 12.30 Uhr geht es im Hoheluft-Stadion, Lokstedter Steindamm 87, mit einem bunten Programm los. Anstoß des Benefizspiels ist um 14 Uhr, mit dabei sind unter anderem die Schauspieler Bjarne Mädel und Patrick Bach, TV-Koch Tim Mälzer, die Sänger Johannes Oerding, Sasha und Ingo Pohlmann, die Fußballer Ewald Lienen, Felix Magath, Fabian Boll, André Trulsen und Thomas Helmer. Der Eintritt kostet 12 Euro, für Kinder ab neun Jahren 6 Euro.