Hamburg. Das Gebäude könnte noch unter dänischer Herrschaft errichtet worden sein. Warum die Behörde es nicht unter Denkmalschutz stellt.

Meergrüne Fassade, weiße Holzelemente und ein hohes Dach – die historische Villa in Stellingen könnte schon unter König Christian VII. von Dänemark errichtet worden sein. Das glaubt zumindest Helga Siegelberg, die viel dazu recherchiert hat. Denkmalschutz besteht für das ehemalige Anwesen einer Großbauernfamilie jedoch nicht – und jetzt droht der Abriss.

Die Firma Behrendt Wohnungsbau hat für das Grundstück am Stellinger Steindamm sowie das Nachbargrundstück am Antilopenstieg – und damit ganz in der Nähe des Tierparks Hagenbeck – bereits einen positiven Bauvorbescheid für ein Neubauprojekt mit 14 Wohnungen.

Hamburg-Stellingen: älteste Villa im Stadtteil von Abriss bedroht

Doch es gibt Widerstand. Nachbarin Siegelberg, eine frühere Bauingenieurin, hat eine umfassende Dokumentation über die Villa erstellt und beim Denkmalschutzamt die Unterschutzstellung beantragt.„Dieses Haus ist etwas Besonderes und nach meinen Recherchen wohl das älteste noch bestehende Gebäude in Stellingen“, sagt die Seniorin.

Ein historisches Gemälde, das die Villa am Stellinger Steindamm kurz nach ihrer Errichtung zeigen soll.
Ein historisches Gemälde, das die Villa am Stellinger Steindamm kurz nach ihrer Errichtung zeigen soll. © Helga Siegelberg

Einer preußischen vermessungstechnischen Übersichtskarte zufolge sei es vor 1870 errichtet worden – als Herrenhaus mit Auffahrt und Rondell, so zeigt es ein historisches Gemälde. Das dazugehörende Arbeiterhaus wurde im Krieg zerstört, anschließend einstöckig und schlicht wieder aufgebaut und an Helga Siegelbergs Großvater verkauft.

Hamburger Denkmalschutzamt sieht Villa nicht als erhaltenswürdig an

Sie ist dort aufgewachsen – und erinnert sich an den gemeinschaftlichen Gebrauch des kohlebefeuerten Waschkessels, der auch für den Kinder-Badetag genutzt wurde und noch heute in der Villa steht. An Herrn Busch aus dem Erdgeschoss, der auf Stelzen für den Zirkus warb, der bis 1953 zu Hagenbeck gehörte. Und an das Auflesen der Hinterlassenschaften der Elefanten, die die Zirkuswagen ins Winterlager am Gazellenkamp zogen. „Damit haben wir die Erdbeerbeete gedüngt.“

Das Denkmalschutzamt sieht das Haus nicht als etwas Besonderes an. Eine Unterschutzstellung werde abgelehnt, da es zu stark verändert wurde, heißt es. Die hölzerne Veranda sei nicht mehr vorhanden, die Proportionen des ursprünglichen Baus und das Dach sind verändert, Fenster und Türen ausgetauscht und die Backsteinfassade überstrichen.

Denkmalverein plädiert für Erhalt und Nutzung der grauen Energie

Die Veränderungen seien auf einer Luftaufnahme und auf einem Foto zu sehen, das sich im Denkmalschutzamt befinde, wurde Frau Siegelberg mitgeteilt. Ihrer Meinung nach stimmen die Angaben nicht. „Es war niemand vor Ort und hat sich die Villa angesehen“, sagt sie.

Der Hamburger Denkmalverein plädiert für den Erhalt der Villa: Zum einen, weil sie an die ländliche Vergangenheit Stellingens erinnere, aber auch aus ökologischen Gründen: Die 320-Quadratmeter-Villa sei voll funktionsfähig, sodass die darin enthaltene graue Energie weitergenutzt werden könne.

Stellingen: Historische Villa soll Kulturzentrum werden

In ihrem Bestreben, den Abriss der 2020 von den früheren Besitzern verkaufte Villa zu verhindern, hat sich Helga Siegelberg auch an den Bürger- und Heimatverein Stellingen gewandt. Und sie ist mit den letzten verbleibenden Mietern der Villa in Kontakt, die eine erste Kündigung ignoriert haben.

Eine Idee für die Zukunft der Villa hat sie bereits: den Erhalt des Herrenhauses als kulturelles Zentrum für Stellingen. „So viel Luxus sollte möglich sein für einen ehemals preußischen ländlichen Ort, der heute durch Flugschneise, Autobahn, Fern- und Güterumgehungsbahntrassen und Industriegebiet so viele Verluste hat hinnehmen müssen.“