Hamburg. Abendblatt-Redakteurin war Schnupper-Praktikantin im Hamburger Tierpark – und durfte einen prominenten Tierpfleger begleiten.
„Gewicht vorne aufs Rad, dann lässt sich die Schubkarre mit zwei Fingern bewegen.“ Volker Friedrich blickt mich amüsiert-mitleidig an und demonstriert, wie mühelos er die randvoll mit Rüben gefüllte Karre schieben kann. Mein Problem: Ich bin viel kleiner als er und kann mein schweres, ebenfalls mit Rüben gefülltes Ding gar nicht in die richtige Position bringen. Spaß macht die ungewohnte Arbeit trotzdem.
Für ein paar Stunden bin ich Schnupper-Praktikantin von Volker Friedrich. Ich möchte einfach mal die Erfahrung machen, draußen an der frischen Luft zu arbeiten und wilden Tieren, die man sonst nur aus der Ferne betrachtet, näher zu kommen. Der 61-jährige Friedrich ist Hagenbecks dienstältester Tierpfleger und hat durch die NDR-Serie „Leopard, Seebär & Co.“ fast einen Promi-Status erreicht.
Tierpark Hagenbeck: TV-Tierpfleger wird überall erkannt
Ob beim Einkaufen in Hamburg oder auf Tour in Holland − überall werde er erkannt, wird er mir in der Frühstückspause erzählen. Einmal habe eine Namensgleichheit in einer Todesanzeige den Anschein erweckt, er sei tot. „Da war vielleicht was los“, sagt er.
Der Tierpark habe so viele Zuschriften trauriger Fans erhalten, dass er das in den Sozialen Medien habe richtigstellen müssen. Und tatsächlich: Auf der Hagenbeck-Facebook-Seite, die ich mir später ansehe, stehen unter einer Grußbotschaft von Friedrich 400 Kommentare von erleichterten Fans.
Tierpark Hagenbeck: Mein Schichtbeginn ist um 7.30 Uhr
Punkt 7.30 Uhr hat meine Schicht begonnen. Ich habe Glück. Es ist zwar kalt, aber es regnet nicht. Kaum habe ich meine Sicherheitsschuhe geschnürt, drückt Friedrich mir die Arbeitsgeräte für die nächsten Stunden in die Hand: einen Rechen und eine große Schaufel. Unsere erste Station sind die Wapitis, die wir zunächst aufs Außengehege lassen.
Dann entferne ich nasses Stroh und Unmengen kleiner Kötel vom Stallboden, schütte Futterpellets in zwei Tröge („Als Lockmittel, damit sie abends wieder reinkommen“, sagt Friedrich) und fahre zum Schluss mit der Schubkarre zum Misthaufen. „Schön weit oben abladen“, sagt mein Lehrmeister. Ich brauche mehrere Anläufe, bis ich die Karre so hoch stemmen kann, dass der letzte Rest Stroh und Kötel rausrutscht.
Dass man als Tierpfleger nicht nur stark, sondern auch unerschrocken sein muss, lerne ich bei den Bisons. Am Gehege angekommen, stellt Friedrich mir Yukon vor, einen riesigen Bullen mit mächtigem Kopf, der sich von einem alten Brötchen ans Gatter locken lässt. „Nicht zu nah ran gehen“, warnt Friedrich. Offenbar kann das trotz Zauns unangenehm werden. Eine Tonne wiegt der Kraftprotz. „Wenn der dich umrennt, ist das tödlich.“
Im Bison-Gehege wird ist mir leicht mulmig zumute
Damit wir also ungefährdet die Rüben verteilen und das Gehege säubern können, müssen die Bisons in die Ställe. Bei gefährlichen Tieren werden diese durch ein ausgeklügeltes Schieberegler-System geöffnet und verschlossen. Das korrekt und sorgfältig zu bedienen, kann über Leben und Tod entscheiden. Später bei den Leoparden – denn auch die gehören zum Bison-Revier – werden wir über den Tod eines Raubtierpflegers in einem anderen Zoo sprechen, der seine Nachlässigkeit mit dem Leben bezahlen musste.
Die meisten Bisons lassen sich von den Brötchen, die wir vorher auf dem Boden verteilt haben, in die Ställe locken. Nur zwei Bisonkühe sind nicht dazu zu bewegen. „Wir gehen trotzdem rein.“ Friedrich nickt mir zu und schiebt das eiserne Gatter auf. Mit leicht mulmigem Gefühl betrete ich das Gehege. Die Bisonkühe sind nicht so riesig wie Yucon, aber doch von beeindruckender Größe. Sie glotzen, bleiben aber in ihrer Ecke. Friedrich weist mich auf einen Holzzaun am Rand hin. „Sollte was sein, sind wir dahinter sicher.“
Hagenbeck: Wenn die Tiere nicht fressen, stimmt was nicht
Zunächst heißt es, die Bisonfladen mit dem Rechen auf die Schaufel zu bugsieren. Das ist mal wieder leichter gesagt als getan, zumindest für mich, denn die beachtlichen Haufen wiegen sicher zwei Kilo. „Schaufel flacher“, sagt Friedrich. Und tatsächlich geht es so einfacher. Ich lasse die Bisonkühe nicht aus den Augen, während ich mich von Fladen zu Fladen durchs Gehege arbeite. Aber ich bin mir sicher, dass mir in Anwesenheit des erfahrenen Tierpflegers nichts passieren kann.
Ich spüre meine Arme, als wir nach getaner Arbeit noch schwere Futterrüben ins Gehege werfen – möglichst weit weg von uns, damit die Bisons nicht doch auf uns zu traben. Dann gehen wir raus, Friedrich verschließt das Gatter und lässt die Bisons wieder ins Gehege. Wie schon bei den Wapitis bleibt er auch hier noch kurz stehen, um zu gucken, ob auch alle anfangen zu fressen. „Sonst stimmt was nicht.“
Hagenbeck lockt mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld und 49-Euro-Ticket
Mittlerweile sind wir zu dritt. Mit von der Partie ist der 20-jährige Finn aus Osnabrück, der eine Ausbildung zum Tierpfleger macht und seit ein paar Tagen im Bison-Revier arbeitet. Dessen Herzstück ist ein grüner Container mit Tisch, Stühlen und einer Mikrowelle. Hier erzählt Friedrich bei einer Tasse Tee, dass er schon als Kind ein großer Tierfreund war – und dass er nach 45 Jahren immer noch gern bei Hagenbeck arbeitet. „Es gibt nichts Schöneres, als Tierpfleger zu sein“, schwärmt er. Zumal einem heute Maschinen und Lieferanten vieles abnähmen, was früher oft „Knüppelarbeit“ gewesen sei.
Auch Finn reizt an dem Beruf die Arbeit mit Tieren an der frischen Luft. „Ich habe beim Praktikum im Zoo Osnabrück gemerkt, dass das das Richtige für mich ist.“ Zudem werde er wegen des deutschlandweiten Tierpflegermangels nie Probleme haben, eine gute Anstellung zu finden.
Der hat auch Hagenbeck längst erreicht. Daher hat Geschäftsführer Dirk Albrecht auf verschiedenen Plattformen eine Kampagne gestartet, um erfahrene Tierpfleger zu gewinnen. Neben spannenden Aufgaben und „bärenstarken“ Kollegen wird ihnen auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld versprochen. Auszubildenden will er entgegen kommen, indem er etwa die Kosten für das 49-Euro-Ticket übernimmt.
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Tierpark Hagenbeck: Schnupper-Praktikum endet bei den Alpakas
Wir gehen zu den Leoparden, die ebenfalls nachts in den Ställen sind – der Vater von der Mutter und den drei Jungen getrennt. „Noch könnte ein Treffen böse ausgehen – entweder für die Kleinen oder für den Vater, wenn die Mutter meint, sie verteidigen zu müssen“, erklärt Friedrich. Wir legen Fleisch in den Gehegen aus, dann beginnt auch hier das Auf- und Zuschieben der Zugänge, damit die fauchenden Tiere ins Freie und wir in den Stall können, um den Boden abzuspritzen.
Bevor mein Praktikum endet und Volker Friedrich auf sein Rad steigt, um altes Holz für seine Insektenstation zu suchen, gehen wir zu den Alpakas. Wir haben ein buntes Gemüse-Potpourri vorbereitet, das ich ausstreue. Die Tiere lassen mich nicht aus ihren wimpernverhangenen Augen. Manche stupsen mich freundlich an. Ein schöner Abschluss meines Praktikums.