Hamburg. Der Zirkus möchte in dem Park gastieren, Grüne und CDU in Eimsbüttel sind dagegen. Wird Hamburg von Tourneeliste gestrichen?
Bernhard Paul ist sauer. Der Direktor des Circus Roncalli kann nicht fassen, dass Eimsbütteler Bezirkspolitiker ein geplantes Gastspiel vom 11. Mai bis 25. Juni auf der Großen Moorweide in Rotherbaum nicht genehmigen lassen.
„Wir stehen vor einem Rätsel, was wollen die Politiker mit ihrer antikulturellen Haltung?“, fragt er.
Circus Roncalli gastiert seit 1982 regelmäßig in Hamburg
Seit 1982 gastiert der Zirkus alle zwei Jahre in Hamburg. Die vergangenen Male immer auf der Großen Moorweide gegenüber dem Dammtor-Bahnhof. Ein idealer Platz – mitten im Herzen der Stadt und nicht am Rande der Metropole oder auf einer Betonfläche.
Und genau das ist das Problem: Weil die Grünen und die Christdemokraten in Eimsbüttel um das Grün fürchten, haben sie vor bald drei Jahren beschlossen, kommerzielle Veranstaltungen dort zu verbieten. Es gehe um den Schutz der Ökologie und auch darum, dass die Wiese nicht wochenlang für Spaziergänger unzugänglich sei.
Grüne Eimsbüttel: Rasen ist wichtig für Stadtklima
„Damit dieses wertvolle Stadtgrün allen Bürgerinnen und Bürgern ganzjährig und uneingeschränkt zugänglich ist. Der Schutz solch strapazierter Grünflächen ist auch im Hinblick auf das Stadtklima von zunehmender Bedeutung“, heißt es in einer Mitteilung. In der vergangenen Bezirksversammlung wurde das Ansinnen der Sozialdemokraten in Eimsbüttel, für Roncalli eine Ausnahme zu machen, mit den Stimmen von CDU und Grünen abgelehnt.
„Die Fläche ist sehr begehrt und es gibt über das Jahr hinweg eine Vielzahl von Interessenten. Wir gehen davon aus, dass nicht-kommerzielle Anbieter sich speziell an breitere Bevölkerungsgruppen richten und somit ein Zugang nicht vom Geldbeutel abhängig ist, sagt Rüdiger Kuhn, CDU-Fraktionschef in Eimsbüttel. Für kommerzielle Anbieter gebe es nach wie vor eine Vielzahl von Möglichkeiten.
Auch Kathrin Warnecke, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Eimsbüttel, verteidigt die Entscheidung: „Es darf nicht sein, dass ein Unternehmen, welches offenkundig die Mittel und das Netzwerk hat, sein Anliegen breit in der Stadt zu kommunizieren, kleineren Unternehmen gegenüber bei der Flächenvergabe bevorzugt wird."
- Posaunentag darf wohl doch stattfinden – unter Vorbehalt
- Veranstaltungs-Aus auf der Moorweide: Warum gleich Verbote?
- Bewohnerparken: In Winterhude formiert sich Widerstand
SPD: "Gastspiel des Circus Roncalli wäre eine Bereicherung"
Paulina Reineke-Rügge, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: „Ein Gastspiel des Circus Roncalli auf der Großen Moorweide wäre eine Bereicherung. Auch wegen der guten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sollte dieses Kultur-Highlight im Herzen der Stadt stattfinden und nicht in die Randgebiete gedrängt werden. Die Antwort auf die Frage, ob solche kulturellen Großereignisse in eine pulsierende Großstadt wie Hamburg und in einen so lebendigen Bezirk wie Eimsbüttel gehören, bleiben Grüne und CDU weiterhin schuldig.“
Nicht kommerzielle Veranstaltung erlaubt, kommerzielle nicht
Bereits 2017 und 2019 gastierte Circus Roncalli, der schon immer auf Tiere verzichtet hat, plastikfrei ist und mit der Bahn reist – also eigentlich ganz im Sinne der Öko-Partei –, auf der Großen Moorweide. Probleme gab es keine. „Im Jahr 2019 haben wir 100.000 Euro Kaution gezahlt und diese anstandslos zurückbekommen“, sagt Bernhard Paul. „Die Wiese war nach unserer Renaturierung in einem besseren Zustand als zuvor.“
Paul versteht nicht, wieso der Bezirk auf Einnahmen von 80.000 Euro verzichten möchte. So viel zahlt Roncalli an Platzmiete, hinzu kommen bis zu 35.000 Euro für Renaturierungsmaßnahmen. Insgesamt lasse Roncalli bis zu 190.000 Euro im Bezirk.
Gerade erst haben Grüne und CDU nun doch erlaubt, dass der Deutsche Posaunentag 2024 auf der Großen Moorweide stattfinden darf. Das freut Bernhard Paul. Gleichzeitig fragt er sich: „Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Warum sind kommerzielle Veranstaltungen etwas Verwerfliches?“
In keiner Stadt ist es so schwierig wie in Hamburg
Immerhin habe die ganze Stadt etwas davon. „Wir bieten 150 Menschen einen Arbeitsplatz, Hotels und Gastronomie profitieren von unserem Gastspiel. Wir werden nicht subventioniert und sind ohne Kurzarbeit und Entlassungen durch Corona gekommen und wollen wieder durchstarten.“
Jedes Mal engagiert sich Roncalli sozial, hat bis zu 3000 Kinder und Jugendliche und Geflüchtete eingeladen, die sich einen Zirkusbesuch nicht leisten könnten. Außerdem arbeitet der Zirkus mit Schulen zusammen.
Seit 45 Jahren gibt es den Zirkus, er ist europaweit unterwegs. In Hannover und Bremen darf Roncalli von jeher am angestammten Platz stehen, in beiden Städten zentral gelegen. „In Wien stehen wir auf dem Rathausplatz gegenüber dem Burgtheater. Keine Stadt ist so schwierig wie Hamburg“, so Bernhard Paul.
Zirkuschef beklagt fehlenden Respekt
Er ist traurig, wie mit seinem Lebenswerk hier umgegangen werde. „Das ist respektlos, jedes Mal dieses Affentheater. Wir machen das nicht für Politiker, sondern für die Hamburger.“ Deshalb verspricht er, in diesem Frühjahr definitiv in die Stadt zu kommen, nach alternativen Standorten werde gesucht.
Um den Auftritt auf der Moorweide werde er weiter kämpfen und appelliert an Bürgermeister Peter Tschentscher und Kultursenator Carsten Brosda (beide SPD), die Sache in die Hand zu nehmen. Denn: „Es reicht. Wir überlegen, Hamburg in Zukunft von der Tourneeliste zu nehmen.“ Diejenigen, die ihm solch massive bürokratische Hürden in den Weg legen, seien Ahnungslose, schimpft er.
Moorweide war schon immer ein Versammlungsort
Übrigens: Die Moorweide diente laut Kulturbehörde immer auch als Versammlungsort und Ort großer Ausstellungen. Behördensprecher Enno Isermann: „Eine temporäre Nutzung der Rasenfläche ist aus denkmalpflegerischer Sicht unbedenklich und steht sogar in der Tradition der Nutzung der Moorweide. Das Denkmalschutzamt hat gegenüber dem Bezirk Gesprächsbereitschaft für neue Ideen für die Moorweide signalisiert und ist gespannt auf die Vorschläge des Bezirkes.“