Winterhude. Streitbare Gegend: Interessengemeinschaften verschiedener Quartiere vernetzen sich. Sie wollen Erleichterungen durchzusetzen.

Im Quartier rund um die Straße Mühlenkamp ist man streitbar. Das ist seit dem von dort ausgehenden Kampf gegen die Busbeschleunigung bekannt. Jetzt formiert sich dort Widerstand gegen das Bewohnerparken, das in seiner jetzigen Form Gewerbetreibende stark benachteiligt. Wie berichtet, klagen unter anderem Geschäftsleute in Hoheluft-Ost darüber, dass sie keine Parkgenehmigungen für ihre Fahrzeuge bekommen, obwohl diese für den Betrieb ihres Unternehmens absolut notwendig sind.

Geht es nach Bernd Kroll von der IG Mühlenkamp, muss es in den bestehenden Bewohnerparkgebieten deutliche Erleichterungen für Gewerbetreibende geben – und dort, wo die Einführung geplant sei, eine umfassende Bürgerbeteiligung. Für Winterhude etwa fordert er, dass hier – wenn es einmal so weit ist – nicht nur ausschließlich Anwohner befragt werden, wie es in anderen Quartieren der Fall war. „Zu den Bewohnern gehören für uns auch alle, die in Winterhude arbeiten – sei es im Einzelhandel, im Handwerk, in der Gas­tronomie oder den Büros und Praxen.“

Bewohnerparken: Laut Behörde 2023 gar nicht vorgesehen

Tatsächlich ist in Winterhude laut Behörde Bewohnerparken 2023 nicht vorgesehen. Dennoch hat Kroll jetzt die Interessengemeinschaften vieler weiterer Geschäftsviertel angeschrieben. „Wir müssen uns organisieren, um uns gegen die Benachteiligung von Gewerbetreibenden in Bewohnerparkgebieten zu wehren“, sagt Kroll. Ein erstes Treffen sei für den 8. März geplant. Gewerbetreibende vom Eppendorfer Baum, aus Eimsbüttel, dem Grindelviertel und von der Uhlenhorst hätten bereits zugesagt. „Diese Viertel und Stadtteile sind, wie Winterhude auch, stolz darauf, keine Schlafstädte, sondern lebendige Quartiere zu sein“, sagt Kroll. „Und sie wollen, dass das so bleibt.“

Das will auch Conrad Hasselbach vom gleichnamigen Herrenausstatter, der seit 23 Jahren am Klosterstern sitzt. „Eppendorf, Winterhude und Eimsbüttel bilden die bundesweit größte Fläche, auf der Wohnen, Arbeiten und Einkaufen in einer funktionierenden und attraktiven Umgebung stattfinden“, betont der Unternehmer. Der Anteil der inhabergeführten Geschäfte betrage hier 80 Prozent. „Dieser Charme ist in Gefahr, wenn man den Akteuren das Leben so schwer macht.“ Auch er habe keine Ausnahmegenehmigung für sein Auto bekommen. Das benutze er zwar, um von Wohltorf nach Hamburg zu pendeln – allerdings nur an Tagen, wenn er auch Anzüge zum Schneider, Schuhe zum Schuhmacher oder Ware zum Kunden bringen müsse.

In dem ablehnenden Schreiben, das er auf sein Ersuchen um eine Ausnahmegenehmigung erhalten habe, sei ihm geraten worden, ein Lastenfahrrad als Alternative zu prüfen. „Da war ich fassungslos. Soll ich mit teuren Anzügen durch den Regen fahren? Interessiert sich eigentlich jemand für unsere Arbeitsabläufe?“ Auch bei den Anlieferzonen, von denen bald mehr eingerichtet werden sollen, denke die Politik zu kurz. „Dort können wir parken, während wir ausladen. Und dann? Unsere Autos lösen sich ja nicht in Luft auf, sobald die Ware im Laden ist.“ Er sei nicht generell gegen das Bewohnerparken, das habe viele gute Seiten. Aber die Aussichtslosigkeit, als Gewerbetreibender eine Parkgenehmigung zu bekommen, sei Schikane. Daher begrüße er die Koordinierung der Interessengemeinschaften. „Wir brauchen eine Verbesserung. Um diese zu erreichen, schließen wir auch eine Volksinitiative nicht aus.“

Strukturwandel mit weniger Autos in dann attraktiveren Vierteln

Auch Harriet Witte vom Grindel e. V. sagt: „Es ist ganz klar, dass wir einen Strukturwandel brauchen mit weniger Autos in dann attraktiveren Vierteln.“ Doch die Rückgewinnung des Stadtraums sei für alle Beteiligten ein Erfahrungsprozess. „Wir müssen darüber sprechen, wie das gehen kann – ohne Gewerbetreibende vor Ort, die tatsächlich auf Parkplätze angewiesen sind, übermäßig zu belasten.“ So gebe es gerade im Grindelviertel viele Gastronomen, deren Mitarbeiter nachts nach Feierabend nur mit dem Auto nach Hause kämen. „Die müssen eine Ausnahmegenehmigung bekommen oder brauchen andere Lösungen.“ Von dem Treffen mit den anderen Interessengemeinschaften erhofft sie sich einen Austausch über solche möglichen Lösungswege. Etwa, den Bau von Quartiersgaragen voranzubringen oder innerhalb des Stadtteils Park-Kooperationen einzugehen. „Firmenparkplätze sind nachts und am Wochenende verwaist. Privatparkplätze tagsüber. Sie könnten wechselseitig zur Verfügung stehen. Parkplatz-Sharing könnte mit einer App vielleicht in den Stadtteilen funktionieren.“

Laut Behörde beträgt die Genehmigungsquote für das betriebsnahe Parken bei Handwerksbetrieben 72 Prozent. Die Handwerkskammer betont auf Nachfrage, dass diese Quote auf den sehr niedrigen Antragszahlen von 2022 beruhe. Damals seien stadtweit nur 29 entsprechende Anträge gestellt, von denen 21 positiv beschieden wurden. Mittlerweile seien etwa 3500 Handwerksbetriebe betroffen, allein rund 620 in den kürzlich eingerichteten Bewohnerparkgebieten im Osterstraßenviertel und in Hoheluft-Ost/Eppendorf. „Rückmeldungen unserer Mitglieder machen deutlich, dass ein großer Anteil der betroffenen Betriebe erst gar keine Ausnahmeanträge stellt, obwohl drei Viertel der Unternehmen über keine eigenen Stellplätze verfügen und damit auf öffentlichen Parkraum angewiesen sind“, so Sprecherin Christian Engelhardt. Als Gründe dafür gäben die Betriebe an, dass man die Genehmigungskriterien ohnehin nicht erfüllen könne, die Ausnahmegenehmigung zu teuer sei und der Aufwand bei der Antragstellung sehr hoch.