Hamburg. In der Emilienstraße wurde ein Tier gefunden, in dessen Flügel noch das Projektil steckte. Polizei sucht nach Zeugen.
Für die einen ist sie ein Symbol für Frieden, Liebe und Unschuld, für die anderen ein Krankheitsüberträger und Schädling, der mit seinem Kot Straßen und Gebäude verschandelt: die Taube, von der nach verschiedenen Schätzungen 20.000 bis 25.000 Exemplare in Hamburg leben. Immer wieder werden die grauen, gurrenden Tiere Ziel von Attacken. Derzeit treibt offenbar in Eimsbüttel ein Taubenhasser sein Unwesen – der Unbekannte hat mit einem Luftgewehr auf eine Taube geschossen und diese schwer verletzt. Die Polizei sucht nach Zeugen.
Am ersten Mai-Wochenende wurde der gemeinnützigen Organisation Gandolfs Taubenfreunde Hamburg eine flugunfähige Taube in der Emilienstraße gemeldet. "Wir haben die schwer verletzte Taube gesichert und nahmen zuerst an, dass sie angefahren wurde", sagt Susanne Gentzsch von Gandolfs Taubenfreunden dem Abendblatt.
Projektil blieb im Flügel der Taube stecken
Am 6. Mai wurde die Taube, die wegen des Fundortes Emilia getauft wurde, zum Tierarzt gebracht und dort geröntgt. Es sollte festgestellt werden, ob etwas gebrochen ist. "Was unsere Tierärztin dann allerdings fand, war ein Geschoss", sagt Gentzsch. Genauer gesagt: ein Diabolo-Projektil, das noch im Flügel steckte. Dieses wurde operativ entfernt, die Kopfwunde behandelt. Emilia hatte einen Streifschuss am Hinterkopf und einen Durchschuss des linken Flügels erlitten.
"Wir sind entsetzt von dieser Tat", sagt Susanne Gentzsch. "Es ist das erste Mal, dass wir eine durch ein Geschoss verletzte Taube bei uns hatten." Als der Vogel gefunden wurde, waren die Wunden an Kopf und Flügel bereits verschorft. "Die Tierärztin bestätigte, dass die Verletzungen vermutlich schon zwei Wochen alt waren."
Am 8. Mai erstattete die Taubenschützerin Susanne Gentzsch Anzeige gegen Unbekannt. "Die zuständige Fachdienststelle der Wasserschutzpolizei hat die Ermittlungen wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz aufgenommen", bestätigt Polizeisprecher Florian Abbenseth. Zeugen, die den konkreten Vorfall oder eine Person beobachtet haben, die zu einem anderen Zeitpunkt mit einem Luftgewehr auf Tauben gezielt hat, werden gebeten, sich unter der Rufnummer 040/4286-567 89 zu melden.
Andere Taube in Eimsbüttel mit Pfeil angeschossen
Auch Anwohner in Eimsbüttel scheint die Tauben-Attacke zu empören. Zumindest hat jemand rund um die Osterstraße Flyer aufgehängt, um die Bürger für das Thema zu sensibilisieren. In diesem macht der Absender die Nachbarn darauf aufmerksam, dass "ein selbst ernannter Jäger" in Eimsbüttel mit einem Luftgewehr auf die Vögel schieße. Das sei kein Kavaliersdelikt. Der Appell lautet: "Bitte halten Sie Augen und Ohren offen und melden Sie Verdachtsfälle direkt der Polizei."
"Leider ist es nicht selten, dass Tauben Hobbyschützen zum Opfer fallen", sagt Susanne Gentzsch. "Einige Menschen machen sich einen Spaß daraus, auf die Tiere zu schießen." Zudem habe die Stadttaube ein schlechten Ruf und sei gesellschaftlich nicht sehr angesehen. "Es kommt immer wieder vor, dass nach Tauben getreten wird. Doch die Umgebung reagiert darauf meistens nicht", sagt Gentzsch, die sich mit Gandolfs Taubenfreunden um ein besseres Image der Vögel bemüht.
Anfang des Jahres wurde eine Taube ebenfalls nahe der Osterstraße von einem gelben Pfeil in der Brust getroffen. "Wir haben versucht, sie einzufangen", erinnert sich Susanne Gentzsch. Doch das gelang leider nicht. "Vermutlich ist sie gestorben, weil der Pfeil durch das Picken am Boden weiter in die Brust eingedrungen ist."
Taube Emilia hat nun ein neues Zuhause
Die Taube Emilia hingegen hatte großes Glück im Unglück. Das Tier hat den Angriff mit dem Luftgewehr überlebt und ist nun auf dem Weg der Besserung. Susanne Gentzsch: "Nur richtig fliegen wird sie nicht mehr können – sie wird verkrüppelt bleiben."
Da die Stadttaube aus Eimsbüttel in freier Wildbahn nicht überleben könnte, hat sie auf dem Gnadenhof für Stadttauben in Bergedorf ein neues Zuhause gefunden. "Auf 'Gandolfs Taubenhof' lebt Emilia mit rund 50 gehandicapten Tauben in einer 25 Quadratmeter großen Voliere", sagt Gentzsch. "Dort kann sie an der frischen Luft gemeinsam mit Artgenossen fressen, baden, brüten, balzen und in der Sonne sitzen."