Hamburg. Die Tierschützer haben Beschwerde gegen die Firma Rentokil eingelegt. Beide streiten darüber, ob Tauben krank machen.
Für den einen sind sie ein Symbol der Reinheit, für die anderen sind sie „Ratten der Lüfte“: Stadttauben erhitzen die Gemüter, wie keine andere Vogelart in Deutschland. Der Streit um die Tiere treibt dabei mitunter seltsame Blüten: So geht der Hamburger Verein Stadttauben e.V. derzeit auf mehreren Wegen gegen Äußerungen des deutschlandweit tätigen Schädlingsbekämpfers Rentokil-Initial vor. Der Vorwurf: Die britische Firma mit deutschem Hauptsitz in Lingen fördere bewusst ein schlechtes Image der Tiere, um damit Geld zu verdienen. Als Konsequenz hat der Verein bei mehreren Stellen Beschwerde wegen unlauteren Wettbewerbs eingelegt. Das Unternehmen weißt die Vorwürfe zurück.
Konkret werfen die Tierschützer dem Schädlingsbekämpfer vor, mit den Beschreibungen auf der unternehmenseigenen Homepage eine übertrieben negative Stimmung gegen die Vögel zu schüren und Kunden zu verunsichern. Das würde letztendlich dazu beitragen, dass den Tieren Schutz im Alltag und notwendige Hilfe bei Verletzungen häufig verwehrt bliebe: „Wir wissen, dass viele Menschen regelrecht Panik vor Tauben haben. Genauer davor, sich bei den Vögeln möglicherweise sogar mit tödlichen Krankheiten anstecken zu können“, sagt Inge Prestele, Co-Vorsitzende des Vereins. „Selbst viele Tierfreunde wollen Tauben deshalb nicht anfassen.“ Nach Ansicht der Tierschützer sei diese Angst unbegründet.
Die Darstellungen auf der Homepage von Rentokil seien massiv überzogen: „Dort wird von zwölf Krankheiten gesprochen, die die Tiere übertragen können. Diese Darstellung halten wir in der aktuellen Fassung, also ohne die Angabe einer Wahrscheinlichkeit, für falsch und haben deshalb die Beschwerde auf den Weg gebracht“, sagt Prestele. Zehn der genannten Erkrankungen seien gar nicht oder nicht direkt auf den Menschen übertragbar, bei den anderen zwei habe es in den letzten zehn Jahren gerade einmal 15 Fälle gegeben – von denen nur wenige überhaupt auf Tauben als Überträger zurückzuführen seien. „Gemessen an den Krankheitszahlen müsste man eher vor Papageien warnen“, so die Co-Vorsitzende.
Taubenschützer: "Negative Darstellung wegen Profitgier"
Stützen würden sich die Erkenntnisse der Tierschützer auf die Expertise verschiedener Wissenschaftler, mit denen der Verein im Vorfeld Kontakt aufgenommen hatte, darunter das Robert-Koch-Institut. „Wir stellen allerdings nicht in Abrede, dass der Taubenkot gefährlich sein kann und Schutzmaßnahmen bei der Entfernung nötig sind“, sagt Inge Prestele. Als Motiv, die Taube als Problem und Krankheitsüberträger darzustellen, vermuten die Tierfreunde das Anliegen des Konzerns, durch die negative Darstellung den eigenen Profit anzukurbeln: „Wir haben selbst Angebote eingeholt, daher wissen wir, dass die Bekämpfung von Tauben durchaus ein lukratives Geschäft ist“, sagt Prestele.
Christian Klockhaus, Sprecher von Rentokil in Deutschland, weißt die Vorwürfe der Hamburger Tierschützer entschieden zurück: „Wir verdienen ja nicht durch die Informationen auf unserer Internetseite Geld. Wer dort nach Möglichkeiten zur Schädlingsbekämpfung sucht, der hat ja bereits ein Problem mit Tauben oder anderen Schädlingen und sucht eine Lösung.“ Die Bedrohung durch Krankheiten, die Rentokil im Internet beschreibt, sei real. Die von den Tierschützern als eindeutig dargestellte wissenschaftliche Expertise zieht die Firma in Zweifel. Bei einer eigenen Anfrage an das Robert-Koch-Institut in Berlin habe Rentokil schriftlich bestätigt bekommen, dass man dort nie die generelle Unbedenklichkeit der Tauben bestätigt habe.
Die Tierschützer würden aber sowieso falsche Schlüsse ziehen, wenn sie die insgesamt nur wenigen Krankheitsfälle als Beleg anführen würden, sagt Klockhaus: „Jeder sollte sich einmal fragen, warum unser Gesundheitssystem so effektiv ist und Infektionen kaum noch eine Chance haben, sich großflächig auszubreiten. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt in der Schädlingsprävention.“ Der Sprecher ergänzt: „Und wenn es nur 15 Fälle gibt – wollen Sie dann einer davon sein?“
Dass Tauben unter bestimmten Umständen Schädlinge seien, sei zudem in Deutschland gerichtlich festgestellt worden: „Am hessischen Oberverwaltungsgericht ist ein Urteil ergangen, in dem die Tiere in größeren Gruppen als Schädlinge eingestuft werden“, erklärt der Rentokil-Sprecher. Die genannten Angaben halte man daher für richtig. Im Gegenzug hat die Firma dem Verein juristische Schritte angedroht.
Kein persönlicher Kontakt vor der Beschwerde
Der Sprecher vermutet in der groß angelegten Aktion eine Methode der Vereinsverantwortlichen, sich selbst in ein positives Licht zu rücken. Einen Beleg dafür sieht er in der Art und Weise, wie der Verein bei seiner Beschwerde vorgegangen sei: „Man hätte uns direkt ansprechen können. Dann hätte man sicherlich einiges klären können. Stattdessen gab es nur ein Posting bei Facebook, von dem wir erst durch Dritte erfahren haben“, sagt Klockhaus. Dass der Konflikt so eskaliert sei, hätte sich seiner Meinung nach vermeiden lassen. „Ich vermute aber, dass der Verein es genau auf diese Konfrontation anlegt, um seine eigene Bekanntheit und damit sein Spendenaufkommen zu erhöhen.“
Das Unternehmen will jetzt zwar seine Homepage überarbeiten, allerdings nicht, um damit den Forderungen der Tierschützer nachzugeben. "Wir möchten die Darstellung prüfen und schauen, ob man etwas verbessern oder Punkte noch etwas klarer herausarbeiten kann. Denn an weiteren unsinnigen Diskussionen über Kleinigkeiten sind wir nicht interessiert", sagt Unternehmenssprecher Klockhaus. Sollte es trotzdem noch weitere Aktionen der Tierschützer gegen das Unternehmen geben, wolle man sich entsprechend zur Wehr setzen. Ausgeschlossen sind weitere Maßnahmen, vor allem wettbewerbsrechtlicher Art, dann auch nicht: „Wir wollen ja nicht nur gegen Rentokil vorgehen, sondern ein generelles Umdenken zugunsten der Taube erreichen", sagt Inge Prestele. Um das zu erreichen, sei möglicherweise auch ein neues Gerichtsurteil nötig.