Das geschah in der dramatischen Nacht von Eidelstedt
•
Lesezeit: 3 Minuten
Eidelstedt. Die chaotische Belegung eines Baumarkts zeigt, wie die Stadt an die Grenze ihrer Belastbarkeit kommt.
Am Montagmorgen liegen die Flüchtlingenoch immer in schlammigen Flecken auf dem Boden. Duschen gibt es nicht im ehemaligen Praktiker-Markt am Hörgensweg, auch keine Ansagen, keine Ansprechpartner, nur einige Feuerwehrleute. „Die Situation ist angespannt“, sagt Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) am Vormittag. Die Errichtung der Notunterkunft in Eidelstedt führte zu einigen der bisher dramatischsten Stunden der Flüchtlingskrise – eine Nacht für 500 Menschen in einem verdreckten Baumarkt, alle Beteiligten am Ende ihrer Kräfte.
Rückblick: Am Sonntagmittag besichtigen Mitarbeiter der Innenbehörde den leer stehenden Baumarkt. Insgesamt sollen dort 850 Flüchtlinge einziehen. Doch die städtische Gesellschaft „Fördern & Wohnen“ hat kurzfristig kein verfügbares Personal für den Betrieb. Die Innenbehörde versucht, einen anderen Betreiber zu finden, erfolglos. Schließlich fällt Innensenator Michael Neumann (SPD) die Entscheidung: Die Halle soll ohne Träger und Reinigung in Betrieb genommen werden. „Es ging darum, Obdachlosigkeit mit allen Mitteln zu verhindern“, sagt ein Sprecher der Innenbehörde.
Zehn Pioniere der Bundeswehr sind alarmiert und postieren sich vor dem Gebäude. Gegen 13 Uhr treffen Busse aus Harburg mit den ersten von rund 500 Flüchtlingen an diesem Tag ein. Die Soldaten geben ihnen Luftmatratzen, Decken und weisen ihnen Plätze auf den Fliesen zu. Gegen 21.30 Uhr, so erzählen Augenzeugen, rückt die Armee ab und lässt die Flüchtlinge allein. „Einige Feuerwehrleute inspizierten die Halle wegen des Brandschutzes, aber für alles andere fühlten sie sich nicht zuständig“, sagt Zaklin Nastic, eine Bezirkspolitikerin der Linken, die am Sonntagabend in sozialen Netzwerken von dem Einzug las und als eine von Dutzenden Freiwilligen bis zum Morgen half.
Gegen 23 Uhr verlassen einige Flüchtlinge die Halle, angewidert von den Zuständen. Die Freiwillige Feuerwehr und weitere Helfer reden mit den Flüchtlingen, einige klagen über Krankheiten. „Ein Mann kratzte sich überall und wollte Hilfe, wir waren alle überfordert“, sagt eine Augenzeugin. Die Feuerwehr bleibt am Ende doch bis zum frühen Morgen vor Ort, versucht etwas Struktur ins Chaos zu bringen.
Am Montagmorgen fährt Bezirksamtsleiter Sevecke, selbst Oberstleutnant der Reserve, zum Hörgensweg. Zunächst gehe es darum, die „Situation zu sortieren“ und den Baumarkt wenigstens „besenrein“ zu säubern. Eine Feuchtkehrmaschine fehlt. Die Helfer von Bundeswehr, Freiwilliger Feuerwehr Langenhorn und Bezirksamt bemühen sich, das Chaos zu ordnen. Ohne Betreiber müssen zusätzliche Toiletten her, es werden Duschen gebraucht, erste Trennwände werden eingezogen. Die Verpflegung der Flüchtlinge soll ein externer Dienstleister übernehmen. „Dreimal am Tag bekommen die Menschen eine Mahlzeit“, sagt Sevecke. „Schwierige Zeiten“ stünden bevor, alle Helfer seien großartig, aber auch am Limit.
Flüchtlinge: Impressionen aus Hamburg und Europa
1/95
Am Nachmittag wird die Heizung des Gebäudes angefahren, Luftmatratzen aufgepumpt. Der Unmut über die neue Unterkunft bei den Flüchtlingen ist spürbar. Aber: „Das Hamburg-Haus war von Anfang an eine Übergangslösung“, sagt Sevecke zur Unzufriedenheit. „Als Katastrophendienststelle kann der Bezirk kurzfristig mit Räumen helfen, aber eine Unterkunft betreiben – das kann der Bezirk nicht.“ Auch andere kontaktierte Hilfsstellen winken ab. Erst am Abend erklärt sich „Fördern & Wohnen“ bereit, die Baumarkthalle von heute an bis März zu betreiben. Über Nacht müssen noch Mitarbeiter des Bezirksamtes Eimsbüttel Wache schieben. Seveckes Wunsch zum Abend: „Ich hoffe, dass es nicht knallt.“
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.