Hamburg. Die Baubehörde hat die Bezirke aufgefordert, Flächen von jeweils insgesamt acht Hektar zu benennen.
Noch ist nichts entschieden. Aber die ersten Vorschläge für Flächen, auf denen Wohnungen für Flüchtlingeerrichtet werden könnten, wurden von den Bezirken unterbreitet. Dabei musste es sich nicht um eine einzige zusammenhängende Fläche handeln. Das Hamburger Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welche Grundstücke wurden bislang von den Bezirken gemeldet?
Altona: Der Bezirk Altona hat das ehemalige THW-Zentrallager in Rissen gemeldet. Dort gibt es bereits einen Bebauungsplan für den Bau von zweigeschossigen Häuern plus Staffel-Ebene, bis zu 300 Wohnungen wären möglich. Die Bebauung scheiterte bisher an der Erschließung, die als Brücke über die Bahngleise führen müsste. Für die jetzt angestrebten Ausnahmebauten könnte es eine einfache Überfahrtlösung geben. Zudem müsste es Ausnahmen geben, um dort mehr als zweigeschossig zu bauen. Eine zweite größere Fläche befindet sich hinter dem UCI-Kino an der Autobahn in Othmarschen. Einige hundert Wohnungen könnten dort gebaut werden.
Bergedorf: In Bergedorf sollen die Wohnungen am Gleisdreieck Bergedorf (Mittlerer Landweg) entstehen.
Nord: „Wir sind der am zweitdichtesten besiedelte Stadtteil in Hamburg und haben keine zusammenhängende Fläche in einer Größenordnung von acht Hektar, auf der wir Wohnungen für Flüchtlinge bauen könnten“, sagt Harald Rösler, Bezirksamtsleiter in Nord. Er verweist auf den Flughafen, den Stadtpark oder den Friedhof Ohlsdorf, die nicht für eine andere Nutzung zur Verfügung stünden. „Aber es gibt mehrere Flächenideen an unterschiedlichen Orten im Bezirk, die zusammen ein Potenzial ergeben, das in etwa acht Hektar entspricht.“ Wo diese Teilflächen sind, wollte Rösler noch nicht sagen. Allerdings schloss er den Stadtteil Langenhorn aus.
Eimsbüttel: Es ballt sich in Eidelstedt. Neben dem nun eilig mit etwa 500 Flüchtlingen bezogenen Baumarkt am Hörgensweg stellt der Bezirk eine acht Hektar große Brache in direkter Nachbarschaft als Zentrale Erstaufnahme (bis zu 2000 Menschen) oder als Fläche für den Wohnungsbau zur Verfügung. „Dort könnte auch halbiert und beides verwirklicht werden“, sagt Amtsleiter Torsten Sevecke (SPD). Zudem gebe es kleinere, über den Bezirk verteilte Flächen, insgesamt 7,5 Hektar, die für den Bau von Folgewohnungen geeignet wären – etwa am Duvenacker, ebenfalls in Eidelstedt an der A 7.
Mitte: Nach Auskunft des Bezirksamts wird im Bereich Öjendorf unweit der A 24 eine entsprechende Fläche für Wohnungsbau geprüft.
Harburg: Die Harburger haben ihre Acht-Hektar-Fläche zwar im Visier, werden den entsprechenden Beschluss aber erst in etwa zwei Wochen fassen. Das sagte der SPD-Bezirksfraktionschef Jürgen Heimath. „Wir wollen aber die Fehler der 70er-Jahre nicht wiederholen und eine starke Durchmischung der Bewohner der neuen Wohnungsbaufläche erreichen. Deshalb werden wir auf der in Rede stehenden neuen Fläche nicht nur Sozialwohnungen, sondern auch frei finanzierte Miet- und Eigentumswohnungen planen“, sagte Heimath. Auch dürften in den Sozialwohnungen nicht nur Flüchtlinge wohnen.
Wandsbek: Die zu benennende Acht-Hektar-Fläche hat der Bezirk Wandsbek gesplittet. Vorgeschlagen wurden zwei Flächen für je 300 Wohnungen (Glashütter Landstraße und Rehagen in Hummelsbüttel), die Aufstockung der Planungen für den Sozialwohnungsbau am Poppenbütteler Berg um 130 auf dann 300 Einheiten und die Nachverdichtung des laufenden Bebauungsplans am Elfsaal (Jenfeld) um 70 Wohnungen.
Kann Hamburg in Gewerbegebieten Sozialwohnungen bauen?
Flüchtlinge: Impressionen aus Hamburg und Europa
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Ja, erst vor rund vier Monaten wurde dazu auf Initiative Hamburgs das Baugesetz geändert. Klagen von Nachbarn, eben in der Regel Betriebe, sind ausgeschlossen. Die neue Regelung ist allerdings zunächst auf fünf Jahre beschränkt. Nach Einschätzung des Baurechtsexperten und Anwalts Roland Hoinka (Oberthür & Partner) wird ein einmal gebautes Wohngebäude aber Bestandsschutz haben. Zumal, wenn wie geplant, ein Mietvertrag über 15 Jahre abgeschlossen ist.
Können Nachbar-Klagen den Bau von Flüchtlings-Sozialbauten stoppen?
Nur sehr schwer, sagt Anwalt Hoinka. In Gebieten ohne modernen Bebauungsplan muss sich die Bebauung in der Regel danach richten, wie hoch und groß links und rechts gebaut wurde. Die Stadt muss dort keinen neuen Bebauungsplan aufstellen und braucht daher auch keine Bürgerbeteiligung. Auch eine Klage gegen eine möglicherweise zu großzügige Auslegung der vorhandenen Bebauung sei in Hamburg nach Einschätzung von Baurecht-Anwalt Hoinka nicht sehr chancenreich. Nachbarschaftsklagen werden keine aufschiebende Wirkung mehr haben.
Kann Hamburg Sozialwohnungen auf die Schnelle auf der grünen Wiese bauen?
Eigentlich nicht. Zuvor müsste für den sogenannten Außenbereich ein neuer Bebauungsplan ausgewiesen werden – ein Verfahren, das bisher mindestens eineinhalb Jahre dauerte. Hamburg könnte aber versuchen, das Verfahren zu beschleunigen. Dann reicht eine sogenannte „Planreife“, um Vorweggenehmigungen erteilen zu können. Allerdings muss es dann eine Bürgerbeteiligung geben. Sollte Hamburg einfach so auf der Wiese und mehrere hundert Meter entfernt von den nächsten Häusern bauen, gibt es jedoch keinen Nachbarn, der klagen könnte. Klagen, sagt Baurechtsexperte Hoinka, können immer nur diejenigen, deren eigenen Rechte bedroht sein könnten. Ausnahme sind in Deutschland die Verbandsklagen von Naturschutzverbänden, wenn bestimmte „Schutzgüter“ wie etwa das Grundwasser bedroht sein könnten.
Kann Hamburg Bau-Standards heruntersetzen, um schneller und günstiger Sozialwohnungen bauen zu können?
Das kann die Stadt nicht allein. Viele der hohen Anforderungen beim heutigen Bauen, etwa im Klimaschutz durch Wärmedämmung, sind eine Folge von EU- oder Bundesrecht. Verabschieden könnte sich die Stadt aber von der Idee, selbst noch höhere Standards zu fordern, wie es der rot-grüne Koalitionsvertrag fordert.
Warum werden die Gebäude von Investoren errichtet und nicht von der Saga?
Die Stadt ist mit mehreren Investoren im Gespräch, darunter auch mit der Saga, da sowohl kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften als auch freie Wohnungsunternehmen berücksichtigt werden sollen. Ziel ist es, dass vor allem bestandserhaltende Wohnungsunternehmen diese Flächen entwickeln. Diese Gespräche sind bis zum Abschluss vertraulich.
Woher kommt das Geld?
Die Investoren finanzieren den Bau der Wohnungen selbst. Es erfolgt eine Förderung als Sozialwohnung über die Investitions- und Förderbank (IFB). Die Wohnungen werden dann durch „Fördern & Wohnen“ angemietet. Die Stadt wird den Verlustausgleich, den sie der IFB zahlt, für das zusätzliche Wohnungsbauprogramm vermutlich um einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr erhöhen müssen.
Wie groß ist der Bedarf an weiteren Folgeunterkünften?
Enorm. Nach Angaben der Innenbehörde befinden sich derzeit bereits 3600 Flüchtlinge länger als die vorgeschriebenen drei Monate in den Erstaufnahmelagern. Ein großer Teil von ihnen verfügt bereits über einen Aufenthaltstitel, erhielt bislang aber keinen Platz in einer Folgeunterkunft. In Einzelfällen müssen Flüchtlinge bis zu zehn Monate in den Camps ausharren, ehe sie umziehen können.
Wie lange werden die 5600 Sozialwohnungen ausreichen?
Eine Faustregel besagt: Etwa ein Drittel der zunächst einquartierten Flüchtlinge wird auf andere Bundesländer verteilt, ein weiteres Drittel erhält keine Aufenthaltserlaubnis – und das dritte Drittel braucht in Hamburg einen Folgeplatz. Derzeit leben etwa 15.000 Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen. Sollte der Zustrom bis Ende 2016 andauern, könnten bei Fertigstellung der 5600 Wohnungen neue Kapazitäten nötig werden. Durch den hohen Anteil syrischer Flüchtlinge dürften mehr Personen dauerhaft einen Platz benötigen, als die Drittelregel besagt.
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