Hamburg. Neues Gutachten legt Soziale Erhaltungsverordnung für 37.000 Wohnungen in Eimsbüttel nahe. Schutz vor Verdrängung.

Immer mehr Viertel in Hamburg sollen unter Milieuschutz gestellt werden, um angestammte oder einkommensschwache Bewohner vor Verdrängung zu schützen. Zuletzt hatte der Senat angeordnet, rund um den Großneumarkt und im Bereich Venusberg eine sogenannte Soziale Erhaltungsverordnung zu prüfen. Nun steht der Bezirk Eimsbüttel davor, drei Quartiere unter Schutz zu stellen – Stellingen-Süd, Hoheluft-West und Eimsbüttel-Nord. Dabei könnte auch das zunächst ausgeklammerte Generalsvier­tel in den Genuss einer Erhaltungsverordnung kommen. Insgesamt handelt es sich um 37.000 Wohnungen, von denen weniger als ein Prozent eine Sozialbindung haben.

Nachdem der Bezirk bereits bei einer Vorprüfung hohen Verdrängungsdruck und großes Aufwertungspotenzial im Untersuchungsgebiet festgestellt hatte, kam nun ein externer Gutachter in seinem Zwischenbericht zu einem ähnlichen Urteil. „Obwohl bereits seit Jahren Aufwertungsprozesse und Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen andauern“, heißt es dort, sei noch erheblicher Bedarf hinsichtlich aktueller Anforderungen wie der Anpassung an energetische Standards, Barrierefreiheit, Fahrstühle oder luxuriöse Innenausbauten vorhanden. Fazit: „Die Aufwertungsspirale der Gentrifizierung wird sich bei den derzeitigen Marktpreisen voraussichtlich weiterdrehen.“ Allein das bestätigt den Bezirk darin, seinen Milieuschutz, den Eimsbüttel-Süd bereits genießt, auf Eimsbüttel-Nord, Hoheluft-West und Stellingen-Süd auszuweiten. Bis auf Weiteres dürften dann keine Wohnungen aufwendig saniert oder in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. .„Ich würde das begrüßen“, sagt Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD). „Man muss Teilbereiche aber noch genauer und kritischer betrachten.“ Schließlich handele es sich um einen Zwischenbericht, und nur eine halbe Stelle stünde im Bezirksamt zum Bearbeiten des Milieuschutzes zur Verfügung. Insofern müssten Gebiete mit hohem Potenzial genau definiert werden. Aber, so Sevecke: „Soziale Erhaltungsverordnungen in diesen Quartieren sind ein Mittel, den Prozess von steigenden Mieten zu dämpfen. Auch homogene Bewohnerstrukturen sind nicht in unserem Sinn und könnten verhindert werden. Ich fände das gut.“

Schon jetzt, so das Gutachten, sind zwei Drittel aller 63.100 Bewohner erst in den vergangenen zehn Jahren in die untersuchten Viertel gezogen – ein Indiz für den Verdrängungsdruck bei einem nach wie vor angespannten Wohnungsmarkt. Die Mietpreise seien in den vergangenen acht Jahren um 33 bis 41 Prozent gestiegen, die Kaufpreise um 84 Prozent (Eimsbüttel-Nord) und 78 Prozent (Hoheluft-West).

Hoheluft-West mit seinem Generalsviertel galt dabei schon als hoffnungsloser Fall für den Milieuschutz. Im Prüfbericht des Bezirksamtes hieß es noch, im Stadtteil sei die Gentrifizierung abgeschlossen, der überwiegende Anteil der Wohnungen sei Eigentum, das Viertel werde fast ausnahmslos von Besserverdienern geprägt. Das Gleiche gelte für die Straßen um den Park Am Weiher: Das Gebiet sei ebenfalls „ausverkauft“, ein Milieuschutz in diesen Quartieren sinnlos.

Doch nun, nach dem Zwischenbericht, keimt wieder Hoffnung für die verbliebenen Mieter in diesen Vierteln. Bis zum Ende des Jahres soll das Gutachten nach weiteren, kleinräumigen Analysen und Expertengesprächen ein präziseres Bild zeichnen. Schon jetzt seien allerdings einkommensschwache Haushalte unterdurchschnittlich vertreten. Künftig sei „zu befürchten, dass auch Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen durch Umwandlungen und Luxussanierungen eine verdrängungsgefährdete Bevölkerungsgruppe bilden“.

Hintergrund ist die seit Jahren anhaltende Aufwertung der Wohn- und Geschäftsquartiere im Untersuchungsgebiet. Durch zentrale Lage, Altbaubestand (51 Prozent) und die attraktiven Gastronomieangebote zögen mehr einkommensstarke Haushalte in die Quartiere. Die Soziale Erhaltungsverordnung wird dabei seit den 90er-Jahren für den Milieuschutz eingesetzt. Sie gilt aber als stumpfes Schwert, da sie keinen Einfluss auf Mietpreise bei Neubauten, Nachverdichtungen sowie Neuvermietungen hat. Mittlerweile umfasst die Verordnung Gebiete in der südlichen Neustadt, auf St. Pauli, in St. Georg, Eimsbüttel-Süd, in der Sternschanze, im Osterkirchenviertel sowie in Altona-Altstadt (siehe Karte).