Wo ist es in Hamburg am schönsten? 50 leidenschaftliche Plädoyers. Teil 25: Der Stadtteil, wo sich Läufer und Reh gegenüberstehen.

Morgentau liegt auf der Wiese, die Eichelhäher krähen, ein Buntspecht klopft, und wie aus dem Nichts stehen plötzlich zwei Rehe auf dem von Baumwurzeln durchzogenen Weg. Ein kurzer Blick, dann springen sie über die Tarpenbek auf eine Pferdekoppel – immer noch in Sicht­nähe, aber auch in Sicherheit. Ein Idyll morgens um halb acht, mitten in Langenhorn. Und einer der Gründe, warum ich diesen (meinen!) Stadtteil so liebe.

Natürlich ist es auch hier nicht mehr wie vor 200 Jahren, als sich ein dichter Wald mit zahlreichen Mooren über ganz Langenhorn erstreckte, aber: Reste sind erhalten geblieben. Oasen der Ruhe am Rande der Metropole. Etwa der Tarpenbek Wanderweg, der von Ochsenzoll in Richtung Flughafen führt und dabei nahe dem Krohnstieg ein Rückhaltebecken passiert, das Spaziergänger wie Angler anzieht. Übrigens auch Heimat eines Graureihers, der in dieser Gegend schon seit vielen Jahren sein Revier hat.

Urlaub für Körper und Geist

Hier morgens vor der Arbeit eine Laufrunde zu drehen hat etwas Meditatives, ist Urlaub für Körper und Geist, eine Sauerstoffdusche, die mit Glücksgefühlen in den Tag starten lässt. Und anders als an der buchstäblich überlaufenen Binnenalster oder im Stadtpark gibt es hier noch so etwas wie Gemeinschaft. Hundebesitzer, die ihre Gassi-Runde drehen, Radfahrer auf dem Weg ins Büro, Nordic Walker, Läufer: Man kennt sich, nimmt Rücksicht aufeinander, und ein „Moin“ meint immer auch „Schön, dich zu sehen, bis morgen dann!“

Es ist die Heimat der Schmidts – und der Punkband Slime

Dass grüne Paradiese wie dieses relativ unberührt bleiben und wohl auch in den nächsten Jahrzehnten keine Touristenströme werden verkraften müssen, hat natürlich einen Grund. Langenhorn liegt gefühlt weit ab vom Schuss (aber dazu später mehr) und ist zudem alles andere als hip. Das berühmteste Ehepaar der Stadt, Helmut und Loki Schmidt, lebte in einem unscheinbaren Reihenhaus am Neubergerweg und machte seine Sonntagsspaziergänge über das damals noch dicht bewaldete Areal des Krankenhauses Ochsenzoll. Dass Rodrigo González, Bassist der Ärzte, in Langenhorn aufwuchs und die Keimzelle der legendären Punkband Slime hier liegt, mag kaum glauben, wer ganz selbstverständlich Schanze oder Ottensen für den Nabel der Welt hält.

Tatsächlich gibt es in Langenhorn weder brodelnde Clubkultur noch stylische Galão-Cafés, dafür aber inzwischen eines der besten veganen Restaurants der Stadt für das Hungrige von überallher anreisen. Das Vegan Eagle liegt unweit der U-Bahn-Station Langenhorn Markt in einer sehr bürgerlichen Wohngegend und bietet – passend zu diesem Stadtteil – kein Hipster-Schickimicki, sondern vor allem Bodenständiges in entsprechender Portionsgröße: Burger, Chillies, im Winter auch deftige Bowls mit Kartoffelmus und Kohl.

Ein Freibad, das glücklich macht

Bloß nicht davon abschrecken lassen, dass keine Reservierungen angenommen werden. Das Vegan Eagle ist zwar von dienstags bis sonntags gut besucht, doch der herzliche Service hat noch immer einen schönen Platz für uns gefunden. Selbst bekennende Fleisch­esser in der Familie verlassen den Laden stets mit einem glückseligen Lächeln.

So richtig glücklich macht übrigens auch das schönste Freibad, das Hamburg zu bieten hat, das Naturbad Kiwittsmoor. Gespeist durch Grund- und Brunnenwasser, ist es im Sommer der Anziehungspunkt und erfreut sich trotz der Konkurrenz des Arriba-Erlebnisbades im nahen Norderstedt ausgesprochen großer Beliebtheit.

HA Hamburger Abendblatt Mitarbeiterportrait Mitarbeiter Portrait Holger True
HA Hamburger Abendblatt Mitarbeiterportrait Mitarbeiter Portrait Holger True © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Ein Grund sind sicher die Eintrittspreise: Erwachsene zahlen 3,50, Kinder sogar nur 2 Euro – für eine Tageskarte! Klar, dass auf dem Holzsteg, der den Schwimmer- vom Nichtschwimmer­bereich trennt, nach Schulschluss eine Menge los ist, wenn sich Kinder und Jugendliche gegenseitig juchzend ins Wasser schubsen. Auch am Pommes-Süßkram-Kiosk ist die Schlange dann schon mal etwas länger, aber: Das Naturbad-Gelände ist so weitläufig, dass sich auf den Liegewiesen mit ihren mächtigen, Schatten spendenden Bäumen selbst im Hochsommer ein ruhiges Plätzchen zum Entspannen finden lässt. Hochgeschwindigkeits-Spaßrutschen und Thermal­becken mit Massagedüsen vermisst da niemand.

Langenhorn – das sind die Fakten

  • Einwohner: 45.666
  • Davon unter 18: 7967
  • Über 65: 8833
  • Durchschnittseinkommen:30.965 € (2013)
  • Fläche: 13,4 km²
  • Anzahl Kitas: 25
  • Anzahl Schulen: 5 Grundschulen, 4 Stadtteilschulen, 1 Gymnasiuim
  • Wohngebäude: 9345
  • Wohnungen: 9345
  • Niedergelassene Ärzte: 87
  • Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 3750, Aufgeklärt: 1774

Ruhe, das gehört auch zur Wahrheit, gibt es in Langenhorn allerdings nicht überall. Wer in der Einflugschneise des nahen Flughafens wohnt, etwa am Sportplatz Siemershöh, wo die Fußballer des SC Alstertal-Langenhorn ihre Heimspiele austragen, hat bisweilen den Eindruck, den Piloten zuwinken zu können, so tief fliegen die Maschinen. Ein Nachteil, der aber eben auch einen Vorteil hat, lässt sich der Flughafen doch binnen weniger Minuten mit dem 292er-Bus erreichen, der auf seinem Weg vom Ochsenzoll bis zum Lattenkamp direkt an den Terminals hält. Da beginnt der Urlaub schon mal entspannt.

Beim Joggen Aug in Aug mit einem Reh

Überhaupt ist die Verkehrsanbindung ein Plus dieses Stadtteils. Langenhorn wirkt mit seinen grünen Lungen vor allem an der Grenze zu Norderstedt und Hummelsbüttel geradezu ländlich, doch tatsächlich ist die Innenstadt mit ihren Theatern, Kinos und Clubs so schnell wie bequem erreichbar. Nur eine gute halbe Stunde fährt die U 1 vom Ochsenzoll bis zum Jungfernstieg, nach einem Konzert in Markthalle oder Elbphilharmonie braucht es abends kaum länger, um nach Hause zu kommen.

Dorthin, wo am nächsten Morgen wieder die Eichhörnchen über die knorrigen alten Gartenbäume flitzen. Wo die rührigen Fisch- und Gemüsehändler regelmäßig am Schmuggelstieg und am Eingang des Einkaufszentrums Langenhorn Markt ihre Stände aufbauen. Und wo sich tatsächlich an besonders schönen Tagen Läufer und Reh Aug in Aug gegenüberstehen.

Der Stadtteil

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Langenhorn – das sind die Highlights

Naturbad Kiwittsmoor

3,50 Euro für Erwachsenen, 2 Euro für Kinder: Das Naturbad Kiwittsmoor (Hohe Liedt 9) ist aber nicht nur in Sachen Eintrittspreise unschlagbar. Das Bad speist sich aus Grund- und Brunnenwasser. Chlor? Nein danke! Riesige Liegewiesen bieten auch im Hochsommer viel Platz für ungestörtes Sonnenbaden. Natürlich gibt es einen Pommes-Süßkram-Kiosk.

Stadtteilserie: Naturbad Krewitzmoor

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