Hamburg. Wo ist es in der Stadt am schönsten? Teil 19: Das Beste, was die Metropole zu bieten hat, in einem Viertel.
Wenn der Bus vom vielspurigen Mundsburger Damm in die schmale Papenhuder Straße einbiegt, dann öffnet sich für mich eine eigene Welt. Die Straßen sind schmaler, die Fassaden schöner, die kleinen Läden vertraut – ich bin zu Hause. Die Großstadt bleibt draußen, ich bin in meinem Dorf, das sich Uhlenhorst nennt. Wobei wir schon bei der ersten Besonderheit dieses Stadtteils wären: Man lebt nicht in, sondern auf der Uhlenhorst.
Und dieses Viertel bringt das Beste, was Hamburg zu bieten hat, wie in einer Nussschale zusammen: Elegante gründerzeitliche Häuser und viel Wasser, jede Menge Grün und familiäres Flair, aber auch Theater, das Literaturhaus, viele Restaurants, Cafés und Geschäfte. Unschlagbar ist natürlich die Nähe zur Außenalster. Auf einen Sprung zur Alster – wo kann man das schon? Der Frühling lässt jedes Jahr die Blüten entlang des Ufers explodieren. Wenn die Segelboote an den Stegen leise im Wind schaukeln, fühle ich mich wie im Kurzurlaub.
Uhlenhorst: Das sind die Fakten
Einwohner: 18.736
Davon unter 18: 2546
Über 65: 3505
Durchschnittseinkommen: 62.479 € (2013)
Fläche: 2,2 km²
Anzahl Kitas: 10
Anzahl Schulen: 1 Grundschule, 1 Gymnasium,
Wohngebäude: 1247
Wohnungen: 10.864
Niedergelassene Ärzte: 98
Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 1233, Aufgeklärt 370
Der Streit darüber, welche Alsterseite die schönste ist, hat in Hamburg eine lange Tradition. Aus Sicht der Uhlenhorster ist der Fall klar: Das nordöstliche Ufer zwischen Schwanenwik und Langer Zug ist mit seinen Grünflächen, die direkt an die Alster reichen, nicht zu überbieten. Von hier aus hat man schließlich den besten Blick auf das Panorama der Stadt. Und abends, wenn das westliche Ufer im Schatten versinkt, gibt es hier die prächtigsten Sonnenuntergänge zu sehen. Ein Tipp: Der Blick vom wunderbar biederen Café Hansa Steg ist mindestens genauso gut wie von der Alsterperle, doch hier ist es längst nicht so voll.
Hamburgs Mitte – zwischen Kirche und Kuhmühlenteich
Die Uhlenhorst hat viele Gesichter. Da sind die teuersten Lagen in erster Alsterlinie und den gediegenen Seitenstraßen, in denen teils herrschaftliche Villen stehen – eine der prominentesten nutzt der Senat als Gästehaus. Da sind die Mehrfamilienhäuser bis zum Winterhuder Weg. Und von der autoumtosten Mundsburg-Kreuzung zieht sich der Stadtteil zum Kuhmühlenteich und der St. Gertrud-Kirche, in der einst Helmut Schmidt konfirmiert wurde.
Zwischen Kirche und Kuhmühlenteich soll der geografische Mittelpunkt Hamburgs liegen. Weiter nach Nordosten reicht der Stadtteil den Eilbekkanal hinauf durch ein Neubauviertel zur Finkenau. Dieser früheren Frauenklinik hat die Schriftstellerin Carmen Korn – ebenso wie der ganzen Uhlenhorst – mit ihrer populären Jahrhundert-Trilogie ein literarisches Denkmal gesetzt. Klar, dass sie selbst Uhlenhorsterin ist.
Die heimliche Hauptstraße ist der Hofweg
Als die Gegend 1256 erstmals als Papenhude erwähnt wurde, war hier wenig mehr als ein Landungsplatz für Lastkähne an der Alster. Seinen heutigen Namen verdankt der Stadtteil, der eher eine sumpfige Wiesenlandschaft war, ab 1608 einem verlassenen Gehöft, in dem die Eulen hausten. Im 19. Jahrhundert begannen Unternehmer, die Gegend mit Kanälen zu entwässern und zu erschließen. So stößt man auch heute fast überall auf das Wasser der Kanäle. Und auf die Herbert-Weichmann-Straße, eine der ganz wenigen Straßen in Europa, auf der zweimal am Tag die Fahrtrichtung wechselt.
Heimliche Hauptstraße der Uhlenhorst ist für mich aber der Hofweg und seine Verlängerung, die Papenhuder Straße. Hier reihen sich kleine, meist inhabergeführte Geschäfte aneinander; die Händler kennen einander. Wenn man sich in der Boutique nicht zwischen zwei Blusen entscheiden kann, bekommt man beide mit nach Hause – die zweite kann man ja zurückbringen. Falls sie dann gerade nicht geöffnet habe, instruiert die Inhaberin, bitte die Tüte gegenüber beim Gemüsehändler deponieren, der wisse dann schon Bescheid.
Viele Familien leben seit Jahrzehnten hier
Sobald die Temperaturen zweistellig werden, füllen sich die Terrassen der kleinen Cafés und Restaurants. Die Menschen frühstücken draußen bei der Bäckerei Pritsch, treffen sich im Casa Nova, einem Italiener mit großer Terrasse, der als eine Art Marktplatz im Viertel fungiert. Oder halten Stammtisch im Hofweg Treff, der stets gut besuchten Raucherkneipe. Wäre die Uhlenhorst ein Dorf, dies wäre der Dorfkrug. Das gastronomische Angebot reicht vom China-Imbiss bis zum stilvollen Rexrodt, das in einer früheren Schlachterei residiert, von japanischer Küche bis zur Tapas-Bar.
Ronald Lahann, seit 31 Jahren Blumenhändler auf der Uhlenhorst, hat neben seinem Geschäft einen verwunschenen Garten entstehen lassen, in dem er ebenfalls Kaffee und Wein anbietet. Was er am Stadtteil liebt? „Das Dörfliche“, sagt er. Viele Familien leben seit Jahrzehnten hier. Wer mehr Trubel will, fährt in die eine Richtung hoch zum Mühlenkamp oder in die andere zur Langen Reihe.
Man kennt sich, man ist bodenständig
So ist sie, meine Uhlenhorst: Zentral gelegen und doch vergleichsweise beschaulich. Einigermaßen urban und doch nachbarschaftlich. Die meisten Menschen, die hier leben, sind nicht so abgehoben reich wie in Pöseldorf und Harvestehude; nicht so trendbewusst wie in Eppendorf. Auf der Uhlenhorst leben Reiche und normal Betuchte, Familien und Alleinerziehende, Schauspieler und Handwerker, Anwälte und freie Journalisten. Man kennt sich, man ist bodenständig – darauf legt man Wert.
Wie tragfähig dieses Netzwerk ist, zeigte sich während der Flüchtlingswelle. Aus dem Nichts entstand eine Hilfsinitiative. Jeden Abend fuhren Freiwillige mit dem Bus zum Hauptbahnhof und sammelten dort gestrandete Flüchtlinge auf der Durchreise ein, die die Nacht in den Gemeinderäumen der Heilandskirche verbrachten. Die Uhlenhorster schmierten Brötchen, brachten die Flüchtlinge am nächsten Morgen zurück zum Bahnhof, übernahmen das Putzen. Über Monate hielten sie die Hilfsaktion mit großem Einsatz am Leben. Die Initiative ist auseinandergegangen, viele Kontakte bestehen fort.
Wie lange der Stadtteil allerdings so bleiben kann, wie er ist, wird sich zeigen. Denn mittlerweile hat sich herumgesprochen, wie lebenswert die Uhlenhorst ist, das Viertel wird immer populärer. Das schlägt sich in den Wohnungspreisen nieder. Zwar gibt es Neubauprojekte an der Kanalstraße und rund um die Finkenau beispielsweise. Doch die Preise für Eigentumswohnungen haben sich in den vergangenen 15 Jahren wohl verdoppelt. Familien können sich das Wohnen immer schwerer leisten. Die Mischung, die den Uhlenhorstern so viel bedeutet, ist in Gefahr.
Uhlenhorst: Das sind die Highlights
1. Alsterperle
Es ist das populärste ehemalige
Toilettenhäuschen der Stadt: An der Alsterperle gibt es seit 1998 nicht nur Bier, Wein und Würstchen, sondern auch den besten Blick auf die Stadt und ihre Türme.
2. Ernst Deutsch Theater
Deutschlands größtes privates Sprechtheater liegt gegenüber der Mundsburg in einem ehemaligen UFA-ino. Seit dem Tod Friedrich Schütters 1995 führt Isabella Vértes-Schütter es sehr erfolgreich.
3. Gästehaus des Senats
In der klassizistischen Villa mit Blick auf den Feenteich, 1868 als Wohnhaus für einen Kaufmann erbaut, logierten schon Persönlichkeiten wie die Queen, der Dalai Lama und zuletzt Donald Trump