Dassendorf. Der 35-Jährige hat sich als Unternehmer einen Namen gemacht. Auf Fußball kann der Spieler der TuS Dassendorf dennoch nicht verzichten.
Wenn die Fußballer der TuS Dassendorf den HEBC am Sonnabend (13 Uhr, Wendelweg) zum Oberliga-Duell bitten, wird ihnen die vorausgegangene Partie beim FC Süderelbe am vergangenen Freitag gewiss noch in den Köpfen herumschwirren. Das glückliche 0:0 am Kiesbarg sei in „nie erlebter feindseliger Stimmung“ zustande gekommen, echauffiert sich Sportchef Jan Schönteich noch eine Woche später über die Ereignisse in Neugraben-Fischbek.
Begonnen hatte alles damit, dass der Dassendorfer Angreifer Mattia Maggio – nicht Tarec Blohm, wie wir irrtümlich schrieben – den Trainer des FC Süderelbe, Stefan Arlt, versehentlich umrannte. Dieser bedrohte Maggio daraufhin mit einem Gartenstuhl. Das führte zu einer Roten Karte für Arlt und Tumulten auf dem Kunstrasen.
Nach der Partie bei Süderelbe schämte sich der Stürmer der TuS Dassendorf
Während Schönteich diese Szene von der Außenlinie mitansehen musste, stand TuS-Kapitän Martin Harnik nur ein paar Meter entfernt. „Ich habe mir gedacht: Wo bin ich denn hier gelandet? Und ich habe mich geschämt. Geschämt für das, was dort passierte, und geschämt für den Amateurfußball“, sagt der frühere österreichische Nationalspieler. Erstmals seit seinem freiwilligen Rückzug aus dem Profigeschäft vor knapp zwei Jahren – Harnik löste seinen Vertrag bei Werder Bremen auf – erlebte der 35-Jährige hautnah eine schwarze Stunde des Amateurfußballs.
„Ich habe mich in dem Moment schon gefragt: Was mache ich hier eigentlich?“, sagt „Hanno“, wie der langjährige Bundesliga-Star bei der TuS gerufen wird. Doch die Lust am Kicken mit Freunden und nur zum Spaß haben ihm die Vorkommnisse nicht nehmen können. „Fußball nimmt für mich eine entscheidende Rolle ein. Ich möchte darauf nicht verzichten“, erklärt der gebürtige Kirchwerderaner.
Ohne Terminkalender geht bei Martin Harnik nichts mehr
Seinen Lebensunterhalt verdient Harnik, der mit 18 Jahren gemeinsam mit Max Kruse vom SC Vier- und Marschlande zu Werder wechselte und später beim VfB Stuttgart zum Bundesliga-Star avancierte, inzwischen aber nicht mehr mit dem Sport. Der dreifache Familienvater hatte bereits während seiner aktiven Karriere das Party-Zubehör-Unternehmen „Party Helden“ sowie gemeinsam mit seinem früheren Teamkameraden Daniel Ginczek das Lebensmittelgeschäft „The Meat Club“ gegründet.
Inzwischen ist das Firmenportfolio weiter gewachsen. Mit Ehefrau Sharon Harnik betreibt er eine Pferdezucht, in Glinde hat er vor einigen Monaten die Indoor-Golfanlage E7SEN eröffnet. Der Tag könnte für den 240-maligen Erstliga-Spieler zuweilen also gerne mehr als 24 Stunden haben. „Man muss sich schon eine Struktur schaffen. Früher hatte ich nie einen Terminkalender, nun ist er für mich unverzichtbar“, verrät der prominenteste Fußballer der Oberliga Hamburg.
Einmal sorgte der 35-Jährige allerdings für Schlagzeilen als Fernsehexperte
Zu seinen geschäftlichen Tätigkeiten („Die Zeit ist total spannend, macht aber auch Spaß“) kommen noch drei Trainingseinheiten sowie ein Spiel wöchentlich bei der TuS und durchschnittlich ein Auftritt im Monat beim Fernsehsender „Sport 1“. Dort analysiert Harnik bei den Top-Partien der 2. Bundesliga mit Nordbeteiligung am Sonnabendabend als Experte das Spielgeschehen. „Ich bin, glaube ich, immer sehr diplomatisch und ehrlich. Das Feedback, das ich bekomme, ist sehr positiv“, sagt der frühere Berufsfußballer.
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Einmal sorgte der 35-Jährige allerdings für Schlagzeilen. Nachdem Hinrunden-Duell seiner Ex-Clubs Werder und HSV im September 2021 übte er Kritik daran, dass die Hamburger sich trotz eines frühen Platzverweises für den Bremer Christian Groß (31.) sehr schwer taten und nur sehr glücklich mit 2:0 an der Weser gewannen. Er habe beim HSV einen „Plan B“ vermisst, sagte Harnik. Hamburgs Coach Tim Walter konterte: „Plan B ist schwierig, wenn man Plan A erst mal umsetzen muss.“
Seinen nächsten Einsatz als TV-Experte hat Harnik bei einem HSV-Spiel
Der Boulevard stürzte sich auf den Zwist, was bei Harnik für Unverständnis sorgte: „Das wurde größer gemacht, als es war. Wir waren nicht einer Meinung, das aber auf respektvolle Art und Weise.“ Es sei nicht seine Intention, durch seine Einschätzungen „in die Bild-Zeitung zu kommen“. Er wolle nur seine Meinung kundtun, erklärt der Dassendorfer Kapitän, der in seinen 13 Jahren als Profi in keinen einzigen Skandal verwickelt war.
Seinen nächsten Einsatz als TV-Experte hat Harnik am 17. September, wenn der HSV um 20.30 Uhr Fortuna Düsseldorf empfängt. Es wird gewiss ein spannender, aber auch stressiger Tag für den 35-Jährigen. Denn fünf Stunden zuvor steht mit der TuS Dassendorf noch die Partie bei Altona 93 an. Und nach dem HSV-Spiel und beendeter Fernsehübertragung dürfte Harnik auch nicht gleich den Weg nach Hause suchen. Schließlich steht bei Düsseldorf sein Geschäftspartner Daniel Ginczek unter Vertrag, sodass beide gewiss noch ein persönliches Pläuschchen führen werden.
Das Leben nach der Profikarriere ist für Martin Harnik fraglos ein anderes geworden – aber keineswegs langweiliger.