Hamburg. Per Zufall entdeckt ein Vermessungs-Ingenieur den Höhenunterschied und alarmiert die Behörde. Welches Gebiet genau betroffen ist.

Wilfried Eggers kennt sich mit Geografie sehr gut aus. Der in Bergedorf lebende Diplom-Ingenieur ist geschäftsführender Gesellschafter der Firma wfw nord consult, die sich unter anderem auf Erschließungsplanung und Vermessung spezialisiert hat. Eggers stieß nun durch Zufall darauf, dass im Bereich Allermöhe/Reitbrook/Nettelnburg/Neuallermöhe auf einer Fläche von etwa zwölf Quadratkilometern der Boden absackt.

Der Experte geht davon aus, dass dies mit der jahrzehntelangen Förderung von Erdöl in diesem Gebiet zusammenhängt und alarmierte die zuständigen Behörden in Hamburg, die seine neu gemessenen Geländehöhen im Wesentlichen bestätigt hätten. Dadurch ist nun öffentlich, dass der Boden in dem betrachteten Gebiet zwischen 2011 und 2021 an einigen Stellen um bis zu zehn Zentimeter abgesackt ist – eine Bergsenkung.

Bergedorf: Bergsenkung erstreckt sich über etwa zwölf Quadratkilometer

Eggers (68) mahnt zur Vorsicht, denn neben dem Erdölfördergebiet „Reitbrook-Alt“, in dem er die Absackungen (im Fachjargon: Bergsenkung) nachgewiesen hat, gibt es auch das angrenzende, neue Fördergebiet „Reitbrook“: „Das reicht über die Stromelbe hinaus bis nach Niedersachsen“, sagt der Diplom-Ingenieur. In diesem Gebiet hat er selbst keine Messungen der Geländehöhe vorgenommen, die offiziellen Daten der Stadt nicht abgeglichen.

„Aber man sollte das Gebiet ständig überwachen und schauen, ob es auch dort Absackungen gibt“, sagt Eggers. „Sind die Geländehöhen dort heute noch dieselben wie vor zehn Jahren? Noch wichtiger: Werden sich die Messwerte künftig verändern?“ Schließlich sei die Elbe ein sensibler Bereich, gehe es darum, mögliche Veränderungen der Geländehöhe beim Hochwasserschutz und bei der Erhöhung des Hauptdeichs zu berücksichtigen.

Eine der typischen „Pferdekopfpumpen“, wie sie zur Ölförderung eingesetzt wurden.
Eine der typischen „Pferdekopfpumpen“, wie sie zur Ölförderung eingesetzt wurden. © Hillmer/HA | Angelika Hillmer

Bergsenkungen entstehen in der Regel als Folge von Bergbau

Als Bergsenkung wird ein lokales Absinken der Erdoberfläche bezeichnet. In der Regel kommt es zu Bergsenkungen als Folge von Bergbau. Vereinfacht kann das Absinken als ein Nachrutschen der oberen Erdschichten beschrieben werden, wenn sich nach dem Abbau die entstandenen Hohlräume schließen. Der Umfang der Senkung entspricht daher auf lange Sicht meist in etwa dem im Untergrund entnommenen Volumen.

Eggers: „Im Ruhrgebiet, wo viel Kohle gefördert worden ist, gab es Bergsenkungen von 20 Metern.“ Auch durch die Erdölförderung in Allermöhe und Reitbrook seien riesige Hohlräume mehrere Hundert Meter tief unter der Erdoberfläche entstanden. Sie würden sich durch Einbrüche der verschiedenen Gesteinsdecken im Laufe der Jahre vertikal verschieben. „Bis die Senkung oben sichtbar ist, kann es Jahrzehnte dauern“, sagt der Diplom-Ingenieur.

Zwischen 2010 und 2020 ist das Gelände um zehn Zentimeter abgesackt„

Am Vorderdeich in Reitbrook bemerkte Eggers bei den im Internet öffentlich zugänglichen Mess-Ergebnissen des städtischen Landesbetriebs Geoinformation und Vermessung (LGV) gravierende Veränderungen: „Zwischen 2010 und 2020 ist das Gelände dort um zehn Zentimeter abgesackt“, sagt er. „Solche gravierenden Absackungen finden sich auch im Bereich Allermöher Deich und Neuengammer Hausdeich.“ Das Landesamt hatte das Gelände überflogen und dort im Abstand von zehn Jahren Aufnahmen im sogenannten Laserscan-Verfahren gemacht, weiß der Vermessungsingenieur.

Ansonsten werden bei der Vermessung von Gelände andere Verfahren angewendet: Bis zu 100 Jahre alte Messbolzen – Markierungen, die sich etwa in den Außenmauern von Häusern kurz über Bodenhöhe befinden – dienen als Fixpunkte bei der Anwendung sogenannter Nivelliergeräte. Mit diesen mit Zielfernrohren ausgestatteten Messinstrumenten können Höhenunterschiede gemessen und Höhenhorizonte hergestellt werden.

Die Koordinaten der Messbolzen sind vermerkt und abrufbar. Die Position einer solchen Marke hatte der 68-Jährige, dem spezielles, modernes GPS-Messgerät zur Verfügung steht, vergangenes Jahr an der Krapphofschleuse nachgemessen – und erstaunt festgestellt, dass der Boden dort seit 2011 um sechs Zentimeter abgesackt war. „Eine Abweichung von einem Zentimeter wäre tolerierbar. Aber das ist viel.“

Krapphofschleuse liegt an der Flanke des Senkungstrichters

Die Wasserpegel in Schleusengraben und Dove-Elbe seien mit Bauwerken und Boden verbunden und würden deren Senkung mitmachen, sagt der Experte. „Der Wasserspiegel bleibt aber in seiner absoluten Höhe, das nachfließende Wasser füllt die Lücke auf. Für einen außenstehenden Beobachter und für die relativen Deichhöhen zeigt sich jedoch scheinbar ein steigender Wasserspiegel.“

Weiterhin stelle sich auch die Frage, ob der Krapphofschleuse ihre Lage an der Flanke eines Senkungstrichters guttut, „oder klemmen irgendwann die Schleusentore?“, gibt Eggers zu bedenken, der dem LGV riet, auch die Betreiberdienststelle der Wasserwege und Schleusen zu informieren.

„Auch wenn Höhenänderungen von zehn bis 20 Zentimetern bei Böden eigentlich nicht zur Panik führen sollten“, sei Vorsicht geboten, betont der Vermessungsingenieur, „vor allem aufgrund der in Deutschland ewig langen Zeit zwischen Erkenntnis, Entscheidung, Genehmigung und Ausführung notwendiger Maßnahmen“.

Alle 20 Meter war das Gelände um einen Millimeter gesunken

Eggers stieß durch Zufall auf die Bergsenkung in Vierlanden, die trichterförmig verläuft, also im Inneren des Radius’ des betroffenen Gebiets deutlicher als an dessen Rand: Sein Büro nahm 2021 im Auftrag der Stadtreinigung Vermessungen für den neuen Recyclinghof an der Randersweide/Schleusendamm vor, mit dessen Bau voraussichtlich im kommenden Jahr begonnen wird. Dabei ging es vor allem um die Geländehöhen. Beim Vermessen orientierte er sich an einem Messbolzen im Bereich der Krapphofschleuse und bemerkte die gravierende Differenz von sechs Zentimetern.

„Zur Sicherheit haben wir weitere Messbolzen-Werte überprüft, etwa nördlich der Autobahn 25 an der Straße In der Hörn. Dort ergab unsere Messung, dass das Gelände drei Zentimeter tiefer liegt als von der Stadt angegeben.“ Am Kurfürstendeich habe die Abweichung sogar 3,5 Zentimeter betragen. Der Senkungstrichter wurde deutlich. „Innerhalb seines Radius sank die Geländehöhe in Richtung Mitte des Trichters alle 20 Meter um durchschnittlich einen Millimeter.“

Satellitendaten bestätigen Senkungen von bis zu einem Zentimeter im Jahr

Der Experte machte die Gegenprobe, berechnete, wo der Rand verlaufen müsse, „dort, wo der Wert plus/minus null ist“. Tatsächlich bestätige eine Messung am ausgerechneten Ort, Kampbille/Beginn Weidenbaumsweg, dass die Trichtersenkung dort nicht mehr nachweisbar ist. Eggers: „Es scheint sich um eine echte Bergsenkung zu handeln, die in einigen Jahrzehnten ein Problem darstellen könnte.“

„Der LGV will seine Messungen weiter ausdehnen, weil jetzt auch der Bodenbewegungsdienst der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe aus Messungen der Copernicus-Sentinel-1A- und Sentinel-1B-Satelliten für das Gebiet Senkungen mit Bewegungsraten von bis zu einem Zentimeter pro Jahr ermittelt hat“, sagt der Bergedorfer und fügt hinzu: „Dieser Wert entspricht auch meinen Zahlen.“

Weitere Informationen finden sich im Internet: www.geoportal-hamburg.de/geo-online (Geoportal des Landesbetriebs Geoinformation und Vermessung), suche.transparenz.hamburg.de (Transparenzportal Hamburg, Stichwort „DGM1“), bodenbewegungsdienst.bgr.de (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) und nibis.lbeg.de/cardomap3 (Bergamt Niedersachsen, Themenkarte „Bergbau“ zeigt Feld „Reitbrook-Alt“).