Hamburg. Das Abendblatt begab sich mit dem promovierten Geologen Alf Grube auf Geo-Tour durch die Metropole an Elbe und Alster.

Salzstöcke, Erdfälle und geologische Spuren aus jener Zeit, als Hamburg noch unter dem Äquator lag: Der Untergrund und die von mehreren Eiszeiten geprägte Landschaft der Hansestadt bieten faszinierende Einblicke in die Millionen Jahre alte Erdgeschichte. Bereits für den Schriftsteller und Hamburg-Reisenden Jules Verne war die Hansestadt nicht nur das Tor zur Welt, sondern auch zur Unterwelt.

Sein Roman „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ beginnt und endet nicht von ungefähr in dieser Stadt. Das Abendblatt begab sich an einem nasskalten Tag mit dem promovierten Geologen Alf Grube auf Geo-Tour durch die Metropole an Elbe und Alster und besuchte mit ihm fünf herausragende geologische Ausflugsziele. Grube ist stellvertretender Leiter des Geologischen Landesamtes in der Behörde für Umwelt und Energie und sagt: „Wir sind die Oberbehörde für den Untergrund.“


Bahrenfelder See liegt auf einem Salzstock

Wo nicht weit entfernt der Verkehr über die A 7 rollt, schwimmt im trüben Wasser gerade ein nackter Mann. Weder der spontane Badegast noch die Spaziergänger werden ahnen, dass sie sich gleichsam auf einem unterirdischen Salzstock befinden, der fast so hoch ist wie der Mount Everest. Es ist der Othmarschen-Langenfelder Salzstock, dessen Bildung vor rund 270 Millionen Jahren begann. Er reicht von Quickborn über Schnelsen bis nach Langenfelde und führt unter der Asklepios Klinik Altona bis auf wenige Meter an die Erdoberfläche.

 Eine Geo-Tour führt an den Bahrenfelder See.
Eine Geo-Tour führt an den Bahrenfelder See. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Das salzige Massiv gilt prinzipiell als instabil. Kommt der Gipshut des Salzstocks mit Grundwasser in Berührung, kann es zu Lösungsprozessen und schließlich zum Einsturz kommen. „Auf diese Weise ist auch der rund zehn Meter tiefe Bahrenfelder See entstanden. Er ist die Folge eines Erdfalls, vermutlich im Mittelalter entstanden“, sagt Alf Grube. Damals seien Höhlen durch den Kontakt mit Grundwasser eingebrochen. Solche Erdfälle könnten in dieser Region jederzeit passieren, betont der Behördenmitarbeiter.

Mikro-Erdbeben der Stärke 2 seien hier bereits registriert worden, unter anderem in den Jahren 2004, 2009 und vermutlich 2015. Nach Senatsangaben wird die Gefahrenlage durch Erdbeben, Einsturzbeben und Erdsenken im Bezirk Altona allerdings als „äußert gering“ eingestuft. Dennoch zeigen einige Häuser in der Umgebung des Bahrenfelder Sees bereits Risse.

Noch weiter in die Erdgeschichte reichen tief im Untergrund die Gesteine des sogenannten Rotliegenden – wüstenartige Sedimente. Das, was heute als Hamburg bezeichnet wird, lag vor 250 Millionen Jahren auf der Höhe des Äquators. Erst mit der Kontinentaldrift wurden die Platten immer weiter nach Norden geschoben und damit auch diese Ablagerungen. Der Geologe Nils Buurmann hat die Erdfallstrukturen untersucht und betont in einer Studie: „Je nach Tiefenlage des Salzspiegels (Salzstock Lüneburg: −20 bis −40 m; Salzstock Othmarschen-Langenfelde (Hamburg): ca 0 bis −250 m) kann es zu intensiver Hohlraumbildung im tieferen Untergrund kommen.“

Location: Bahrenfelder See, Theodorstraße. Geländehöhe: NN +24 Meter.


Trockental Falkenstein wurde von Gletschern geformt


Einen Kilometer mächtig dürfte einstmals das Eis gewesen sein, das als gigantischer Koloss vor rund 200.000 Jahren (Saale-Eiszeit) über dem heutigen Blankenese lag und die Ablagerungen tiefgreifend verformte. Wie hier rund um die Blankeneser Berge wurde die gesamte Landschaft Norddeutschlands von Eiszeiten und ihren Schmelzwässern geprägt. Alf Grube parkt ein E-Mobil der Umweltbehörde in der Nähe des Wasserwerks Baursberg, der rund 90 Meter über Normalnull liegt. Von dieser Stelle aus hat der Geo-Tourist einen imposanten Blick auf das Falkensteiner Trockental an den Gestaden der Elbe.

Der Leiter des Geologischen Landesamtes Alf Grube steht am Falkensteiner Ufer.
Der Leiter des Geologischen Landesamtes Alf Grube steht am Falkensteiner Ufer. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

„Die Gletscher haben dieses Gelände geformt“, sagt er. Unter dem Einfluss des kaltzeitlichen Klimas mit tief sitzendem Permafrost kam es an den Blankeneser Bergen zu einer erheblichen Erosion. Die Folge: Der Elbhang wird seitdem durch zahlreiche kleine Täler zerschnitten. Weil der Dauerfrostboden der Weichsel-Eiszeit vor rund 11.600 Jahren aufgetaut ist und das Wasser nun versickern kann, fließt in diesen Tälern kein Wasser mehr. „Deshalb spricht man von Trockentälern“, erklärt der Geologe. Das Wasserwerk verfügt über Brunnen, die bis zu 320 Meter tief sind. Grube hält es für möglich, dass das Werk zum Teil mehr als 10.000 Jahre altes Gletscherwasser fördert und die Verbraucher in Blankenese, Othmarschen und Schenefeld ein ganz besonderes Trinkwasser genießen können.
Location: Kösterbergweg, Falkensteiner Weg.


Rodenbeker Quellental besteht aus abgelagerten Moränen

Was wäre die Alster ohne diese Quellbäche: Sie heißen Rodenbek, Bredenbek, Lottbek und Mühlenbek, darüber hinaus sprudeln in Hamburgs Westen weitere Quellen, die alle zur Alster fließen und in diese Lebensader münden. Das Quellental besteht aus abgelagerten Moränen (von Gletschern transportiertes Material) der letzten Eiszeit und wurde vor rund 20.000 Jahren geformt, sagt Alf Grube.

Das Rodenbeker Quellental wurde vor 20.000 Jahren geformt.
Das Rodenbeker Quellental wurde vor 20.000 Jahren geformt. © Stadt Hamburg

Die Quellen gehören zu den wenigen erhaltenen natürlichen Grundwasseraustritten auf Hamburger Landesgebiet. Wer durch die Täler von Alster und Rodenbek wandert, entdeckt an den Hängen Rinnsale von Hang- und Sickerwässern, die aus den wasserführenden Erdschichten ins Tal fließen. Rund um die verwaist wirkende Gaststätte Rodenbeker Quellental laden Wege zu Spaziergängen durch die Laubmischwälder und das 84 Hektar große Naturschutzgebiet ein.

Location: Das Rodenbeker Quellental erreicht man über die U 1, Haltestelle Ohlstedt. Von dort geht man zu Fuß Richtung Bredenbekstraße in den Haselknick hinein. Das Naturschutzgebiet lässt sich auf vielen Wegen durchqueren, einer davon ist der Alsterwanderweg.


Duvenstedter Brook
wurde in der letzten Eiszeit geformt

Alf Grube parkt das E-Mobil vor dem Duvenstedter Nabu-Haus (Book-Hus). Es dient vielen Naturfreunden als Treffpunkt für Exkursionen durch Hamburgs zweitgrößtes Naturschutzgebiet. Der Geologe empfiehlt eine Wanderung durch die abwechslungsreiche Landschaft aus Wäldern und Wiesen, Äckern und Teichen, Fließgewässern und Mooren, vorbei an den im Herbst stark frequentierten Brunftwiesen der kapitalen Rothirsche.

Die abwechslungsreiche Landschaft im Duvenstedter Brook
Die abwechslungsreiche Landschaft im Duvenstedter Brook © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Die heutige Gestalt des Brooks wurde in der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren geformt. Die sich zurückziehenden Gletschermassen formten im nordwestlichen Teil ein flach hügeliges Gelände, während im südöstlichen Teil flache Senken mit einem später verlandeten Eisstausee entstanden „Das heutige Nabu-Haus“, sagt Grube, „steht auf der Randmoräne einer Gletscherzunge.“ Weil das Wasser auf den Eisstauseesedimenten nicht abfließen konnte, entwickelten sich darauf Moore. Wo urwaldähnliche Laubwälder, Moore, Wiesen und Sümpfe nahtlos ineinander übergehen, leben mehr als 150 Vogelarten. Doch dafür sind nicht die Geologen zuständig, sondern die kundigen Biologen und Ornithologen des Naturschutzbundes Nabu, die regelmäßig zu Führungen einladen.

Location: Von der U-Bahn-Station Ohlstedt (U 1) führt ein drei Kilometer langer Fußweg entlang des Kupferredders zum Nabu-Haus (Duvenstedter Triftweg 140).


Alter Schwede, Övelgönne

Er ist 1,8 Milliarden Jahre alt, wiegt 217 Tonnen und gelangte per Gletschertransport vor 400.000 Jahren von Südschweden über die Ostseesenke in die Elbregion. Die Spuren dieser „Elstereiszeit“ und der langen Wanderung sind noch heute zu sehen. So finden sich an der nördlichen Seite des Kolosses sogenannte Gletscherschrammen – eingeritzte Furchen, die parallel verlaufen. Sie entstanden, als andere Gesteinsbrocken an der Oberfläche des Findlings vorbeischrammten.

Der Alte Schwede am Elbstrand bei Övelgönne
Der Alte Schwede am Elbstrand bei Övelgönne © Andreas Laible / Funke Foto Services

Geologen haben herausgefunden, dass der Mineralbestand des Steins auf eine Herkunft aus den Graniten Ostsmalands (Grauer Växjö-Granit) hinweist. Der Stein wurde bei Baggerarbeiten für die Elbvertiefung 1999 im Strom entdeckt. Dass das eingetragene Naturdenkmal vor einem Jahr mit goldener Farbe bemalt wurde, findet Alf Grube noch heute geschmacklos.


Location: Alter Schwede, Övelgönne, Hans-Leip-Ufer (südöstlich von Schröders Elbpark)