Hamburg. Im Reallabor Elbfiets lässt das Bezirksamt Bergedorf fünf Räder in der Alltagsmobilität im Landgebiet testen. Eine Zwischenbilanz.
Als Bea Edelmann das „Elbfiets“ wieder abgeben musste, da habe sie schon einen großen Abschiedsschmerz verspürt, gesteht die 36-Jährige. Sie gehört zu dem Personenkreis, der für den E-Lastenrad-Test des Bergedorfer Bezirksamtes ausgewählt wurde und trat vier Wochen lang ordentlich in die Pedale. „Und ich hätte das Rad auch noch gerne länger behalten“, sagt die Grundschullehrerin, die mit ihrem Mann und den beiden Töchtern (1 und 5 Jahre alt) in Neuengamme lebt.
In dem sogenannten Reallabor stellt das Bezirksamt fünf E-Lastenräder zur Verfügung. In drei jeweils vierwöchigen Testphasen sollen die Räder in der Alltagsmobilität getestet werden. Dadurch möchte die Stabsstelle Klimaschutz erfahren, ob das Lastenrad in den Vier- und Marschlanden eine Alternative zum Auto sein kann – oder eben auch nicht.
Im Reallabor Elbfiets werden E-Lastenräder getestet
Bea Edelmann ist nach dem Test überzeugt, dass das Lastenrad, auch durch die Unterstützung des E-Motors, viele Fahrten mit dem Auto ersetzen kann – wenn auch längst nicht alle. Vor allem für Distanzen bis nach Bergedorf und Lohbrügge habe die Familie das Elbfiets viel und gern genutzt, berichtet die 36-Jährige. Auch wenn sie anfangs eine gewisse Hemmschwelle hatte und sich erstmal an das Handling des Lastenrads gewöhnen musste. „Dann war es aber echt toll und im Prinzip kann man alles damit machen“, ist Bea Edelmann überzeugt.
Dennoch hat sie für sich festgestellt, dass es für gewisse Fahrten auch unpraktisch ist. Etwa für eine Kurzstrecke, um die Kinder in die 300 Meter entfernte Kita zu bringen: „Da ist man länger damit beschäftigt, das Rad aus der Garage zu holen, alle anzuschnallen und wieder abzustellen und anzuschließen, als das man unterwegs ist“, resümiert Bea Edelmann.
Und auch für den Wocheneinkauf der jungen Familie würde sich das Rad nicht eignen, selbst wenn der gesamte Einkauf in die Transportbox passt. Häufig müsste aber eben nicht nur ein Supermarkt, sondern zusätzlich auch eine Drogerie angesteuert werden. „Und wo soll man die bereits getätigten Einkäufe dann lassen?“, fragt sich die 36-Jährige.
„Elbfiets-Fan“ würde trotzdem nicht auf ein Auto verzichten
Auch wenn Bea Edelmann sich jetzt wohl als „Elbfiets-Fan“ bezeichnen würde, ist sie noch nicht soweit, auf ein Auto zu verzichten. „Dafür ist unser Mobilitätsverhalten mit zwei kleinen Kindern noch zu unregelmäßig“, meint die 36-Jährige, die in einem Auto mehr Flexibilität erkennt als in dem E-Lastenrad. Dennoch sei das Paar nicht abgeneigt, sich ein Lastenrad anzuschaffen. Um diese Entscheidung nicht einfach aus dem Bauch heraus treffen zu müssen, sei es eine tolle Chance gewesen, ein Rad im Reallabor erstmal testen zu können, stellt Bea Edelmann fest.
Dem stimmt Tim Ullner zu: Der 58-Jährige aus Curslack wollte das Rad eigentlich gemeinsam mit seiner Frau Christine und seiner Tochter Hannah (20) testen, doch seine Familie hatte nach wenigen Versuchen beschlossen, nicht mit dem Rad am öffentlichen Verkehr teilzunehmen – „zu unhandlich“, stellt Tim Ullner fest.
Viele Autofahrten könnten mit einem E-Lastenrad vermieden werden
Das muss auch er eingestehen, selbst wenn er weitestgehend gut mit dem 2,5 Meter langen Gefährt zurecht kam. „Das Anfahren muss quasi im ersten Anlauf passieren, sonst läuft man Gefahr umzukippen. Insbesondere, wenn man schwer geladen hat“, stellt der Entwicklungsingenieur fest. Der Fahrkomfort sei auf geraden Strecken sehr gut. „Sobald man allerdings in der Stadt unterwegs ist, wird es schnell eng. Hier stört die Länge und Unhandlichkeit des Gefährts“, so der 58-Jährige.
Er habe sich aber schnell daran gewöhnt und das Rad täglich genutzt: Viel in der näheren Umgebung, zur Arbeit in Bergedorf, aber auch bis nach Ottensen und zu den Landungsbrücken. „Der E-Antrieb ist klasse! Die Unterstützung, dass man immer Rückenwind hat und immer bergab fährt, ist sehr bequem“, sagt Tim Ullner. Das gelte auch, wenn das Rad voll beladen ist und die Reichweite sei immer ausreichend.
Potenzial auf Strecken zwischen zwei und zehn Kilometern?
Viele Autofahrten könnten aus seiner Sicht mit einem Lastenrad mit E-Unterstützung, insbesondere im Nahbereich, vermieden werden. Nach der vierwöchigen Testphase ist Tim Ullner nun wieder mit einem konventionellen Zweirad unterwegs und überrascht, wie sehr er sich an den E-Antrieb gewöhnt hatte. „Jetzt tritt man in die Pedale und hat den Eindruck, dass man in Treibsand tritt“, sagt er.
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Den Test noch weitestgehend vor sich hat Christian Teuchert. Gemeinsam mit seiner Frau Inken gehört der 41-Jährige zu den fünf Haushalten, die das Elbfiets in der dritten und damit letzten Welle bis zum 21. Juli ausprobieren. Das Paar wohnt in Altengamme und nutzte öffentliche Verkehrsmittel in den vergangenen Jahren mangels praktikablem Angebot überhaupt nicht, stellt Christian Teuchert fest.
Stabsstelle Klimaschutz zieht positives Zwischenfazit
Ihre regelmäßigen Wege seien entweder extrem kurz (50 bis maximal 500 Meter) oder „lang“ (mindestens sechs bis 300 Kilometer). „Dazwischen gibt es nichts“, stellt Christian Teuchert fest. Insofern habe das Paar schon fast klassisch zwei Pkw, um flexibel mobil sein zu können. Nun möchten sie aber erfahren, ob gerade auf den Strecken „dazwischen“, etwa zum Einkaufen, Kinder zur Spielverabredung bringen, Pakete zur Post fahren oder einen Ausflug nach Bergedorf machen, das Lastenrad das Auto ersetzen kann, erklärt Christian Teuchert.
Die Zwischenbilanz des Reallabors im Bezirksamt fällt derweil bereits sehr positiv aus: „Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren ausnahmslos gut und konstruktiv. Wir freuen uns sehr, dass wir bereits jetzt von einer erfolgreichen Aktion sprechen können. Den Sommer über werden nun die Ergebnisse ausgewertet, um dann im Herbst noch mal alle Teilnehmenden zu einer Elbfiets-Abschlussveranstaltung einzuladen“, sagt Marlen Fürich, Leiterin der Stabstelle Klimaschutz.