Hamburg. In der KZ-Gedenkstätte Neuengamme wird an das Kriegsende vor 78 Jahren erinnert –mit ehemaligen Häftlingen und Politikprominenz.

Vor zwei Jahren musste Dr. Peter Tschentscher in Neuengamme noch vor 1000 leeren Stühlen sprechen. Die waren symbolisch im ehemaligen Klinkerwerk aufgestellt worden, als dort während der Corona-Pandemie keine Gäste empfangen werden konnten, um gemeinsam des Kriegsendes und der Befreiung der Häftlinge des KZ Neuengamme zu gedenken.

Zum 78. Jahrestag konnte Hamburgs Erster Bürgermeister bei seinem Grußwort nun wieder in viele aufmerksame Augenpaare blicken. Denn die KZ-Gedenkstätte Neuengamme empfing am Mittwoch, 3. Mai, mehrere Hundert internationale Gäste, darunter auch fünf ehemalige KZ-Häftlinge, die mit Familienangehörigen nach Hamburg reisten.

KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Ehemalige Häftlinge kamen mit Angehörigen

Delegationen der Mitgliedsverbände der Amicale Internationale KZ Neuengamme und weitere Angehörige ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Polen, Spanien, Israel und der Ukraine waren zu der Gedenkfeier ebenso nach Neuengamme gereist wie Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda und Peter Tschentscher.

„Der 3. Mai 1945 ist ein bedeutender Gedenktag in Hamburg. Wir erinnern an das Ende des Zweiten Weltkrieges in unserer Stadt und die Befreiung des Konzentrationslagers Neuengamme. Der 3. Mai 1945 steht zugleich für unsere historische Verantwortung, Demokratie und Freiheit zu verteidigen und entschlossen gegen Antisemitismus und Diskriminierung einzutreten“, sagte der Bürgermeister.

Bei der Gedenkfeier in den ehemaligen Walther-Werken der KZ-Gedenkstätte waren mehrere Hundert Gäste dabei.
Bei der Gedenkfeier in den ehemaligen Walther-Werken der KZ-Gedenkstätte waren mehrere Hundert Gäste dabei. © Lena Diekmann

Barbara Piotrowska wurde 1944 mit ihrer Familie aus Warschau nach Deutschland deportiert. Gemeinsam mit ihrer Mutter landete sie im Konzentrationslager Ravensbrück, ihr Vater kam nach Neuengamme – wo er noch im selben Jahr starb. Barbara Piotrowska und ihre Mutter überlebten und kehrten 1946 in das zerstörte Warschau zurück – ohne jeglichen Besitz. Schon seit vielen Jahren setzt sie sich dafür ein, „dass die Erinnerung an das tragische Schicksal der Menschen in den Konzentrationslagern als Mahnung gegen Hass, Verachtung, Machtgier, die zu Kriegen und zur unmenschlichen Behandlung wehrloser Opfer führen, bestehen bleibt.“

KZ Gedenkstätte hält die Erinnerung an NS-Verbrechen wach

Die Gedenkveranstaltung gemeinsam mit ehemaligen Häftlingen und ihren Angehörigen erleben zu können, erfülle sie mit großem Dank, betonte Claudia Roth. „Gemeinsam mit ihnen wollen wir an das hier begangene Unrecht erinnern und der Opfer gedenken,“ sagte die Ministerin. Wie das, was in Neuengamme geschehen ist, heute in Familiengeschichten von Opfern und Tätern fortwirkt, habe das dreijährige Multimediaprojekt „#WaswillstDutun?“ gezeigt, das im Rahmen des Förderprogramms „Jugend erinnert“ der BKM entwickelt werden konnte.

Am ehemaligen Arrestbunker wurden Kränze niedergelegt.
Am ehemaligen Arrestbunker wurden Kränze niedergelegt. © Lena Diekmann

„Wie wir mit diesen Geschichten in der Gegenwart umgehen, wird auch unsere Zukunft bestimmen. Wir müssen dem Vergessen, Verleugnen und Verharmlosen entgegenwirken und Mitstreiter für die Bewahrung unserer Demokratie und ihrer Grundwerte gewinnen“, sagte Claudia Roth. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme leiste hervorragende Arbeit darin, die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen wach zu halten, der Opfer zu gedenken und eine lebendige Bildungsarbeit zu gestalten.

Allerdings seien KZ-Gedenkstätten als zentrale Erinnerungsorte der Gesellschaft in ihrer Arbeit stark von aktuellen Ereignissen geprägt, wie Prof. Dr. Oliver von Wrochem, Vorstand Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, betonte: „So begehen wir das gemeinsame Gedenken am 3. Mai nun bereits im zweiten Jahr vor dem Hintergrund des andauernden völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, der unendliches Leid über so viele Menschen gebracht hat. Der Krieg verändert auch unsere Arbeit und den Blick auf die Erinnerungskulturen im östlichen Europa.“

Information zum KZ Neuengamme
Das KZ Neuengamme war das größte nationalsozialistische Konzentrationslager in Nordwestdeutschland. Mehr als 100.000 Menschen aus ganz Europa waren im Hauptlager und in über 85 Außenlagern inhaftiert. Mindestens 42.900 von ihnen kamen nachweislich ums Leben. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme ist eine der größten Gedenkstätten in Deutschland.