Neuallermöhe. „EchtFair“ in der Gretel-Bergmann-Schule in Neuallermöhe startet am Montag, 22. Mai. Und darum geht es bei den sechs Stationen.
Einladung zum Casting: „Stell dir vor, du bist ein Junge, der gerade von einem Klassenkameraden verprügelt wurde.“ Neben dieser Aufforderung hängt ein Spiegel: Mimik erwünscht. Das jedenfalls können von Montag, 22. Mai, an alle Fünft- bis Siebtklässler der Gretel-Bergmann-Schule üben, wenn sie die neue Ausstellung „EchtFair“ am Von-Moltke-Bogen besuchen. Es geht um Gewalt an Kindern und Jugendlichen – ein selbst von den Opfern oft unterschätztes Thema.
„Ich hätte nicht gedacht, dass das schon Gewalt ist“, lautet die häufigste Reaktion junger Menschen, die sich über verbale und auch digitale Gewalt informieren. Aber auch sexualisierte Gewalt müssen viele erfahren – „etwa ein bis zwei Schüler pro Klasse, das sind zehn Prozent. Dass sie in der U-Bahn ein Penisbild von einem fremden Mann über Airdrop aufs Handy geschickt bekommen, erleben viele als Realität“, sagt Heike Holz. Sie ist Geschäftsführerin des Kieler Instituts für Gewaltprävention: PETZE steht für die Prävention von sexualisierter Gewalt und sexuellem Missbrauch.
Gretel-Bergmann-Schule: Wann wird es dunkelrot auf dem „Gewalt-Barometer“?
Was bedeutet eigentlich Gewalt? Welche Grundrechte haben alle Menschen – egal ob jung oder alt? Wie und wo gibt es Hilfe und Unterstützung? Darüber klärt die Ausstellung an sechs Stationen auf – zum Mitmachen: „Wie fair streitest du?“ lässt sich etwa bei einem Test herausfinden. Auch kann ein „Gewalt-Barometer“ eingestellt werden: „Jemand hat die Autoreifen des ekligen Chemielehrers durchstochen“, steht auf einem Button. „Fast täglich schütten Mitschüler Janas Schultasche aus und verhöhnen sie“, heißt es auf einem anderen Button oder auch „Tom und Kim können nicht schlafen, weil Vater wieder die Mutter schlägt.“
„Bis zu 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland erleben, dass die Mutter vom Vater geschlagen wird. Jede vierte Frau hat schon Gewalt durch den Partner erlebt“, berichtet Heike Holz und betont, wie wichtig es ist, dass Schule ein Schutzraum ist, dem man sich anvertrauen kann. Denn: „Hilfe holen ist kein Petzen!“, betont die Ausstellung, die einen Schwerpunkt auf häuslichen Gewalt legt.
Lange Ärmel sollen blaue Flecken verstecken
Manche Kinder werden plötzlich aggressiv, oder sie können sich nicht mehr konzentrieren. „Andere ziehen lange Ärmel an oder mögen sich nicht mehr in der Sportumkleide umziehen“, hat Schulsozialpädagogin Susanne Seipel beobachtet, die eine BEOS-Fortbildung machte zur Begleitung von Opfern an Schulen. Ihre Kolleginnen und Kollegen an anderen Bergedorfer Schulen sowie die Jugendhilfe im Bezirk hat sie in die Ausstellung eingeladen, ebenso alle interessieren Eltern, die sich für Dienstag, 23. Mai, anmelden können. Wer zwischen 14 und 18 Uhr dabei sein möchte, meldet sich per Mail an susanne.seipel@gretel-bergmann-schule.de.
Junge Menschen haben ein Recht darauf, gewaltfrei aufzuwachsen. Doch die Polizei registriert eine andere Wirklichkeit – mit „deutlichen Fallzahlsteigerungen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“, da wäre 2022 ein Plus von 12,1 Prozent zu nennen im Vergleich zum Vorjahr. „Im vergangenen Jahr gab es 15.500 angezeigte Fälle von sexualisierter Gewalt an Kindern“, sagt Heike Holz, die ebenso die Zahl kennt zur Verbreitung von Kinderpornografien und Missbrauchsdarstellungen: 54.188 Anzeigen.
Bundesweites Hilfetelefon ist rund um die Uhr besetzt
An dieser Stelle ist eine Zahl besonders wichtig: Die bundesweite Telefonnummer der rund um die Uhr besetzten Hotline bei Gewalt gegen Frauen lautet 08000/116 016.
Was lässt sich im Notfall tun? „Wir bitten zunächst das Jugendamt um eine anonyme Beratung“, sagt Lehrerin Seipel und weiß doch um dessen Fachkräftemangel: „Das dauert manchmal, bis endlich etwas passiert.“ Meist aber würden auch die Eltern in die Schule gebeten: „Wir sagen dann, dass wir uns um ihr Kind sorgen. Und betonen, dass wir nicht hinter dem Rücken der Eltern handeln.“
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Niemand sollte sich ohnmächtig fühlen. Niemand sollte Angst haben müssen – auch nicht vor lästigen oder verwirrenden Gefühlen. Das können die Stadtteilschüler sowie die Unterstufe des Gymnasiums Allermöhe noch bis zum 7. Juni lernen – dank finanzieller Unterstützung der Buhck-Stiftung.