Schwarzenbek. Nach dem Lockdown suchten viele Frauen nach einem Platz in der Einrichtung, die voll belegt ist. Ende 2022 steht ein Umzug an.

In Zeiten der Corona-Lockdowns war es im Schwarzenbeker Frauenhaus – der einzigen Einrichtung dieser Art im Kreis Herzogtum Lauenburg – relativ ruhig. „Danach kamen jedoch sehr viele Frauen zu uns“, sagt Vera Zingarini, Mitarbeiterin im Frauenhaus. Dabei hatten Politiker und Experten gerade für die Zeit der massiven Einschränkungen in der Pandemiezeit vor einem Anstieg der häuslichen Gewalt gewarnt. Die hat es möglicherweise auch gegeben, aber eben auch eine umfassende Kontrolle in der häuslichen Isolation durch die Partner, sagt Zingarini: „Im Lockdown hatten Frauen keine Möglichkeit, ihre Koffer zu packen, im Internet zu recherchieren oder zu telefonieren.“ Als das in den Lockerungsphasen wieder möglich war, zogen dann auch viele Frauen die Konsequenz.

Häusliche Gewalt: Immer mehr Frauen in Not im Herzogtum Lauenburg suchen Hilfe

Mit 16 Frauenhäusern schneidet Schleswig-Holstein im Bundesvergleich gut ab. Dennoch ist es schwierig, einen freien Platz zu finden. Die werden im Internet unter www.frauenhaus-suche.de aufgelistet. Vergangene Woche meldeten nur die Einrichtungen in Rendsburg und Elmshorn freie Plätze. Das Schwarzenbeker Frauenhaus mit 20 Plätzen, davon sechs in einer angemieteten Wohnung, ist derzeit ausgebucht.

Das bedeutet aber nicht, dass auch 20 Frauen dort Schutz gefunden haben: Die Anzahl bezieht sich auf die vorhandenen Betten, und viele Frauen bringen auch ihre Kinder mit. An der Zahl der Plätze wird sich nichts ändern, aber zum Jahreswechsel 2022/23 wird die Einrichtung in neue, großzügigere Räume umziehen und ist dann wieder unter einem Dach vereint. Die Adressen der Einrichtungen sind geheim um zu verhindern, dass gewalttätige Partner ihren Frauen dort auflauern können.

Spende fürs Frauenhaus Schwarzenbek statt Geschenke für Geschäftspartner

Für die Einrichtung des neuen Domizils, aber auch für Verschönerungen am alten Standort kommen die 2500 Euro gerade recht, die Thomas Buhck, Geschäftsführender Gesellschafter der Buhck-Gruppe, jetzt überreichte. „Wir verdienen unser Geld in der Region und geben es deshalb auch gerne wieder an Institutionen vor Ort zurück“, sagt Buhck. Neben der Buhck-Stiftung, die Projekte im Bereich Umwelterziehung und Migration unterstützt, spendet das Unternehmen jährlich bis zu 10.000 Euro für soziale Projekte in der Region.

Wie viele Unternehmen hat auch die Buhck-Gruppe sich irgendwann entschlossen, auf Weihnachts­geschenke für Geschäftspartner zu verzichten und den Betrag zu spenden. „Das war der Ursprung“, so der Unternehmer. Mittlerweile profitierten das Hospiz in Geesthacht oder die Bergedorfer Tafel von der Großzügigkeit des Unternehmens, das mit 1200 Mitarbeitern einer der größten Umweltdienstleister in Norddeutschland ist.

Schleswig-Holstein ist vorbildlich beim Gewaltschutz gegen Frauen

„Wir haben uns in diesem Jahr für das Frauenhaus entschieden, da wir sehen, dass es hier – auch pandemiebedingt – zur Zeit einen akuten Bedarf gibt“, so Buhck. Träger von Frauenhaus, Frauenberatungsstelle, dem Netzwerk KIK sowie das Projekt Frauen Wohnen, das Frauen, die in Frauenhäusern oder gewalttätigen Beziehungen leben, bei der Wohnungssuche unterstützt, ist der Verein Hilfe für Frauen in Not. Finanziert werden die Einrichtungen und deren neun Mitarbeiterinnen vom Kieler Gleichstellungsministerium.

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Bundesweit gilt Schleswig-Holstein bei der Finanzierung der Frauenhäuser als vorbildgebend, denn hier werden die Frauenhaus-Plätze pauschal über das Finanzausgleichsgesetz finanziert. In anderen Bundesländern müssen Frauen, wenn sie Einkommensgrenzen überschreiten, selber für den Aufenthalt aufkommen.

Die Wegweisung gilt nur für eine sehr eng begrenzte Zeit

„Dennoch reicht es nicht“, sagt Zingarini. Denn viele Frauen kommen mit buchstäblich nichts ins Frauenhaus. Sperrt dann noch der verlassene Partner das gemeinsame Konto, dauert es oft Wochen, bis die Frau wieder über eigenes Geld verfügen kann. Die meisten Bewohnerinnen haben sich selbstständig im Internet die Adresse des Frauenhauses gesucht, dann zunächst telefonischen Kontakt aufgenommen.

„Wenn die Krise in der Beziehung eskaliert, melden sie sich oft bei der Polizei. Die Beamten können eine Wegweisung anordnen, der gewalttätige Partner muss dann die Wohnung verlassen“, erläutert Zingarini. Die Wegweisung gilt jedoch nur für maximal 14 Tage. Allerdings wird die Frauenberatungsstelle in so einem Fall informiert und nimmt Kontakt zur Frau auf. „Wenn die Lage zu gefährlich wird, raten wir zum Auszug“, sagt die Sozialpädagogin.

Frauen aus Schwarzenbek werden zum Schutz ins Umland vermittelt

Lebt aber die Familie in Schwarzenbek, kann es immer wieder auf der Straße oder im Supermarkt zu gefährlichen Begegnungen der ehemaligen Partner kommen. Deshalb werden diese Frauen dann in andere Frauenhäuser vermittelt.

Zingarini: „Für die Frauen bedeutet es, sich komplett neu aufzustellen: Neue Wohnung, neue Arbeit, neue Kita oder Schule für die Kinder. Wir unterstützen sie bei Behördengängen, aber auch, wenn es um Kindergeldzuschuss oder ausländerrechtliche Fragen geht.“ Das ist in der Pandemie schwieriger geworden, weil die Rathäuser für den Pu­blikumsverkehr geschlossen, Termine nur nach Voranmeldung erteilt werden und Mitarbeiter im Homeoffice nicht immer alle Akten vorliegen haben, um zeitnah eine Entscheidung zu treffen.

Wohnungssuche für Frauen in Not ist überaus schwierig

Auch die Wohnungssuche ist schwierig: Der Markt sei zäh, sagt Zingarini, denn in der Pandemie blieben die Menschen in der Regel in ihren Wohnungen. Zudem würde bei frei werdenden Wohnungen die Miete erhöht – das verringere die Auswahl zusätzlich.

Eine spezielle Gruppe gibt es nicht: Zuflucht im Frauenhaus suchen Frauen aller Schichten, Religionen und Nationalitäten. Auffällig sei jedoch die Zahl junger Frauen. Das sei möglicherweise eine Folge der Gewaltpräventionsarbeit an den Schulen: „Kommt es zu Gewalt in der Beziehung, gehen die.“

Vielfach fehle es gerade jungen Frauen jedoch an einer Tagesstruktur. Hinzu komme bei einigen Bewohnerinnen auch eine Suchtpro­blematik. Es gebe aber auch Frauen jenseits der 70, die sich nach einem Leben ohne Gewalt sehnen. In einigen Beziehungen eskaliert die Gewalt nach dem Ruhestand, andere Frauen haben bereits eine gewalttätige Beziehung hinter sich und sind in der nächsten Beziehung schneller bereit, zu gehen. Zingarini: „Sie wollen ihren Lebensabend einfach nur ohne Gewalt genießen.“

Vera Zangarini: „Wir arbeiten parteilich für die Frauen“

Ein Platz im Frauenhaus steht nicht nur Frauen zur Verfügung, die körperliche Gewalt erfahren haben. „Manche Männer sind sehr schlau, die vermeiden körperliche Gewalt“, sagt Zingarini. Diese Frauen erleiden jedoch sexualisierte Gewalt oder Psychoterror, wenn etwa die gesamte Wohnung mit Kameras zur Überwachung ausgestattet ist.

Auch wenn nicht geschlagen wird, leiden darunter natürlich auch die Kinder. Zingarini: „Wir erleben oft, wie sie aufblühen, nachdem sie zuvor sehr verschüchtert zu uns gekommen sind.“ Problematisch werde die Aufnahme jedoch bei Jungen in der Pubertät. „Ein heranwachsender Junge unter zehn Frauen, da suchen wir nach anderen Unterbringungsmöglichkeiten“, so Zingarini. Gibt es die nicht, wird im Haus improvisiert.

Ebenfalls problematisch ist das Umgangsrecht: Weil die Väter nicht wissen dürfen, wo ihre Frauen wohnen, gleichwohl ein Recht auf den Umgang mit ihren Kindern haben, gibt es zunächst einen begleiteten Umgang, bei dem sich Kinder, Betreuer und Väter an einem neutralen Ort treffen. „Manchmal funktioniert es gut. Es bleibt aber eine Sicherheitslücke, die dazu führen kann, dass es wieder zu Übergriffen kommt“, so die Sozialpädagogin.

Gewaltbereite Männer brauchen eine Therapie

Um die verlassenen gewalttätigen Männer kümmert sich niemand – es sei denn, es kommt zu einem Gerichtsverfahren. Der Richter kann dem Täter dann eine Therapie vorschreiben. Unterhalb dieser Schwelle müssen sich Männer selber um eine Aufarbeitung ihrer misslungenen Beziehung kümmern. „Wir arbeiten parteilich für die Frauen“, sagt Zingarini, gibt aber zu, dass auch da eine Lücke besteht, denn die Gewalttätigkeit der Männer gründet oft in traumatischen Erlebnissen in deren Kindheit.

Werden diese nicht aufgearbeitet, kann es auch in der nächsten Beziehung für Frauen gefährlich werden. Tatsächlich gibt es in Kiel auch eine Männerberatungsstelle (www.maennerberatung.de), die sich aber an solche Männer wendet, die in ihren Beziehungen selber Opfer von Gewalt geworden sind.

Wer es Thomas Buhck gleichtun und das Frauenhaus unterstützen will, kann sich unter 0 41 51/8 13 06 oder per E-Mail an Frauen@BeratungsstelleSchwarzenbek.de melden.