Lohbrügge. Pilotprojekt für 2,1 Millionen Euro: Baugenossenschaft Bergedorf-Bille stellt 88 Wohnungen ab Herbst ganz auf grüne Wärme um.
Der Weg in die Unabhängigkeit vom Erdgas ist laut und arbeitsreich. Das wissen die gut 300 Bewohner des Quartiers Billwerder Straße/Billwiese mittlerweile genau: Seit über einem Jahr ist die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille dabei, die Heizanlage von neun Mehrfamilienhäusern aus den 1960er-Jahren auf erneuerbare Energie umzustellen. Und zwar zu 100 Prozent auf Erdwärme – ganz ohne die sonst übliche Erdgas-Ergänzung für mögliche Spitzenbedarfe in besonders strengen Wintern.
„Es ist unser technisches Pilotprojekt, aus dem wir Erkenntnisse für die energetische Anpassung weiterer Immobilien und Quartiere in unserem Bestand gewinnen wollen“, sagt Alf Kiesel, Leiter Technik-Bauprojekte bei der Bergedorf-Bille. Starten wird die Datenerhebung im Oktober oder November, wenn die neue Heizanlage für die insgesamt 88 Wohnungen in Betrieb gehen soll – fast eineinhalb Jahre nach den ersten Testbohrungen auf dem Gelände.
Energiewende: Bergedorf Bille stellt Heizung auf Erdwärme um
„Wir setzen hier komplett auf Erdwärme, ergänzt um Solar-Luftkollektoren auf den Dächern“, sagt Thomas Schmidt, zuständiger Projektleiter für die Umstellung des Wohnquartiers. Um das zu realisieren, wurden ab Juni 2022 umfangreiche Bohrungen in den Untergrund des gut 10.000 Quadratmeter großen Areals gebracht. Die große Frage: Eignet sich der Untergrund, um hier Wasser hinunter und erwärmt wieder hinauf zu pumpen?
In 54 Meter Tiefe wurden die Experten fündig. „Wir haben jetzt ein Geothermiefeld mit 42 Erdwärmesonden in Form eines saisonalen Erdspeichers unter dem Grundstück“, erklärt Schmidt das insgesamt rund 2,1 Millionen Euro teure Pilotprojekt, zu dem neben den 42 Tiefbohrungen auch 36 Solar-Luft-Kollektoren auf einem der Dächer gehört, die insgesamt 185 Quadratmeter Fläche einnehmen.
Für Warmwasser muss jeder Mieter jetzt per Durchlauferhitzer selbst sorgen
Zusammen sollen sie garantieren, dass ganz ohne fossile Absicherung keiner der Mieter jemals frieren muss. Nur die sonst mit der Heizung kombinierte Warmwasserbereitung wurde bei der kompletten Erneuerung des Nahwärmenetzes seit Mitte 2022 abgetrennt. Heißwasser muss über Durchlauferhitzer von jedem Haushalt selbst erzeugt werden.
„Die Anlage wird komplett mit 100 Prozent Ökostrom aus dem Netz versorgt. Das gilt auch für die beiden neuen Wärmepumpen, die im Herbst ihren Betrieb aufnehmen“, sagt Alf Kiesel. An eine eigene Stromerzeugung über Photovoltaik-Elemente auf dem Dach werde zumindest vorerst nicht gedacht. Auch dieser Verzicht sei Teil des Pilotprojekts, das den Fokus eben ganz auf die Wärmeerzeugung setze.
Geschickte Kombination mit Solar-Luft-Kollektoren auf dem Dach der Anlage
Tatsächlich handelt es sich im Quartier Billwerder Straße/Billwiese nur zu einem Teil um Geothermie. Bedingt durch Auflagen der Umweltbehörde sieht die seit Mai dieses Jahres vorliegende Genehmigung vor, das Wasser in 54 Meter Tiefe nur als eine Art Speicher zu nutzen. Der muss durch das in den Solar-Luft-Kollektoren auf dem Dach der Anlage erhitzte Wasser immer wieder aufgefüllt werden, damit die Erdschichten nicht längerfristig auskühlen.
Eine Vorgabe, die die Techniker der Bergedorf-Bille zusammen mit den ausführenden Firmen zu einer besonderen Konstruktion bewegt hat: Fällt die Außentemperatur nicht unter sechs Grad, sollen die 185 Quadratmeter Sonnenkollektoren auf dem Dach ausreichen, die gesamte Anlage mit einer Vorlauftemperatur von 55 bis 60 Grad zu versorgen. Erst wenn der Winter kälter wird, fördern die beiden Wärmepumpen das in der Tiefe gespeicherte Wasser.
Nächste Umrüstung auf Wärmepumpen im Ladenbeker Furtweg/Dünenweg
Klappt das alles wie geplant, hat die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille bereits das nächste, dann gut viermal so große Nachfolgeprojekt ausgeguckt: „Dann steht unser Quartier zwischen Ladenbeker Furtweg und Dünenweg im Fokus – einschließlich des Hochhauses. Auch dort soll neben anderen energetischen Maßnahmen die Gas-Zentralheizung gegen Wärmepumpen ausgetauscht werden, möglichst in Kombination mit Geothermie“, sagt Alf Kiesel.
Ob Erdwärme oder doch nur Luft-Wärmetauscher möglich sind, müssen in jedem Einzelfall Bodenuntersuchungen ergeben. Auch im Quartier Billwerder Straße/Billwiese hatte die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille seit 2020 verschiedene Heizungskonzepte auf Umsetzbarkeit geprüft, nachdem bereits 2011 umfangreiche Isolierungen der Gebäudeaußenhüllen erfolgt waren.
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Auch jetzt waren neben der Technik-Umstellung wieder umfangreiche Eingriffe in das Gebäude und sogar die Wohnungen erforderlich: Fast alle Heizkörper mussten ausgetauscht werden, ebenso die Leitungen und Ventile in den Kellern. Bei den Gesamtkosten erwartet die Baugenossenschaft eine Förderung von rund 45 Prozent, also rund eine Million Euro.