Boberg. Der Abiturient engagiert sich im Jugendvorstand des Boberger Clippo. Warum der 19-Jährige den Neubau selbstbewusst mitplant.
Tischtennis und Kicker waren cool, auch die Gesellschaftsspiele mit den anderen Kindern. „Und auf die großen Koch-Events am Freitag habe ich mich auch immer gefreut, das war ein familiäres Miteinander.“ Als Zehnjähriger kam Jendrik Mattar mindestens dreimal in der Woche in den Boberger Jugendtreff Clippo. Damals ahnte er noch nicht mal ansatzweise, dass er einmal intensiv an der Planung eines 1,6 Millionen Euro teuren Hauses mitarbeiten würde.
Als langjähriges Mitglied des Jugendvorstands ist der inzwischen 19-jährige Abiturient nun für den Bergedorfer Bürgerpreis nominiert, den die Bergedorfer Zeitung gemeinsam mit der Volksbank Bergedorf am 21. September im Spiegelsaal des Rathauses verleiht. Das Preisgeld beträgt 6000 Euro.
Bürgerpreis Bergedorf: Jendrik Mattar engagiert sich für das neue Clippo
Es regnet, wir treffen uns am etwas verwahrlosten „Chiller-Platz“ vor dem eingezäunten Jugendtreff am Bockhorster Weg – ziemlich versteckt hinter dem Bürgerhaus. Hier war er lange nicht mehr. Nicht nur, weil Jendrik gerade als FSJ-ler im Betriebskindergarten des Boberger Klinikums arbeitet. Sondern weil der Treffpunkt Ende 2021 sehr kurzfristig geschlossen wurde: Mehrere Gutachten bestätigen, dass das Haus komplett sanierungsbedürftig und damit ein Neubau wohl rentabler sei.
Jetzt hieß es also, die Ärmel hochkrempeln, mitreden und fordern. Zum Glück hatte er längst gelernt, selbstbewusst mit Politikern zu sprechen. „Auch weiß ich jetzt, wie demokratisch gewählte Gremien arbeiten, wie man sich an Prozessen beteiligt, wie Partizipation funktioniert“, sagt Jendrik Mattar im Rückblick – und lobt die offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) des Trägervereins In Via.
Schon für den Bolzplatz gekämpft
Die ließ ihn nach und nach immer mehr Vertrauen gewinnen und Verantwortung übernehmen: „Als kleine Besucher haben wir anfangs beim Müllsammeln mitgemacht und auf dem Dorffest Kuchen verkauft, dazu Kinderpunsch beim Laternenfest. Von dem Gewinn konnten wir Fahrkarten zum Hansa-Park kaufen“, erinnert er sich. Dann folgte die Teilnahme am politischen Stammtisch in Boberg und der Kampf um den Bolzplatz, der schließlich für 100.000 Euro umgestaltet wurde. Auch eine U-18-Wahl wurde organisiert. Der größte Paukenschlag gelang aber wohl mit einem offenen Brief des Jugendvorstands, der den Hamburger Senat erreichte: „Wir wollen unser Clippo behalten!“
Sehr schnell gab es eine finanzielle Zusicherung, sehr schnell machten sich die Stadtplaner der Sprinkenhof AG ans Werk, sehr spät indes wurde die Baugenehmigung eingereicht: „Die Planer waren überrascht, dass es da plötzlich noch Wünsche von Jugendlichen gab. Inzwischen ist die Zusammenarbeit aber ganz ordentlich“, sagt Jendrik Mattar und spricht von Kompromissen.
Für die neue Küche fehlt noch Geld
Denn zweigeschossig soll der alte Grundriss genutzt werden, für die Barrierefreiheit aber erkämpfte der Jugendvorstand einen Lift. Und eine kleine Teeküche reicht auch nicht: „Wir planen eine große Küche, die locker 15.000 Euro kostet und haben einige Stiftungen um Geld gebeten.“ Gut 5000 Euro fehlen aber noch: „Wäre also toll, wenn wir den Bürgerpreis gewinnen“, meint der 19-Jährige grinsend.
Zunächst folgt der Abriss im August. Für den Neubau mit begrüntem Schrägdach sei immerhin schon die Statik abgesegnet. Aber ein paar „Hausaufgaben“ hat das Bezirksamt den Jugendlichen noch mit auf den Weg gegeben: „Bis September müssen wir die finale Planung vorlegen, also wo wir Zwischenwände haben wollen und wo Steckdosen und einen Außenwasserhahn. Die Terrasse soll unbedingt nach unten vor den Eingang kommen. Aber die Farbe der Fassade in Holzoptik bestimmen wir erst später.“
Treffen mit Camilla und Charles
In der Zwischenzeit gaben die Jugendlichen dem NDR ein Interview, nahmen an einer wissenschaftlichen Studie der HAW teil, gingen zur Sitzung des Bergedorfer Jugendhilfe-Ausschusses. . . und wurden so bekannt, dass Hamburgs Sozialbehörde ihnen eine ungewöhnliche Einladung schickte: Noch auf dem Shuttleboot an der Überseebrücke blieb geheim, wohin es gehen sollte. Doch kurz später stand Jendrik Mattar am Rand des roten Teppichs, der im ehemaligen Kaispeicher „Schuppen 52“ ausgerollt war, um das englische Königspaar Camilla und Charles zu empfangen.
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„Schon beim Sicherheitscheck mit Taschenkontrolle und Armbändchen stieg die Aufregung. Es war schon ein einzigartiges Erlebnis“, meint der 19-Jährige. Schließlich trifft man auch nicht so oft mit Bürgermeister Tschentscher oder Bundespräsident Steinmeier zusammen. An diese vier Stunden wird sich auch Studentin Sarah Lehmkühler gern erinnern, die ihn begleitete. Sie zählt ebenso seit vielen Jahren zum Boberger Jugendvorstand wie der 18-jährige Arian Sundiry, Feinmechanik-Azubi Carlo Ihlefeld und Maya Schuster, die inzwischen in Göttingen studiert.
„Wir fünf im Vorstand gehen inzwischen alle unsere eigenen Wege“, meint Jendrik, der noch überlegt, ob er ein naturwissenschaftliches Studium beginnen will. Noch aber sind alle ehrenamtlich engagiert und treffen sich regelmäßig. Denn: „Den neuen Treffpunkt, den ziehen wir noch durch. Aus Dankbarkeit. Und für die nächsten Generationen in Boberg“, sagt Jendrik Mattar. Wenn also nach eineinhalbjähriger Planung alles glatt läuft, wird der Jugendvorstand Mitte 2024 bei der Einweihung dabei sein.