Lohbrügge. Im Streit mit dem Energiekonzern hatten sich 7500 Lohbrügger durchgesetzt und sollten 4,5 Millionen Euro erstattet bekommen.

Es gibt offensichtlich an mehreren Stellen Unklarheiten, Verärgerung und Frust über die Handhabung des Energiekonzerns E.on, was die angekündigten Gutschriften in einer Gesamthöhe von 4,5 Millionen Euro für gebeutelte Fernwärmekunden im Lohbrügger Norden angeht. Im April hatten sich die Energierebellen der Interessengemeinschaft IG Wir mit politischer Unterstützung noch eindrucksvoll gegen den Energieriesen behauptet. Bisher ist aber nicht ein einziger Cent an die Kunden zurückgeflossen.

Einer, der im ständigen Austausch mit Vertretern des Energiekonzerns steht, ist Manuel Mrochem aus der IG Wir. Diese hatte seit Oktober 2022 den Protest gegen den Konzern organisiert, als E.on Rechnungen an etwa 7500 Fernwärme-Kunden mit deutlichen Preissteigerungen bei monatlichen Abschlägen und Vorauszahlungen verschickt hatte.

E.on liefert „keine plausible Erklärung“

Mrochem ist stinksauer. Weil der Austausch keine Früchte trägt: „Eine Riesenfrechheit. Wir haben mehrfach bei der E.on nachgefragt, wann denn die Rechnungen für dieses Jahr veröffentlicht werden. Dabei stehen die Preise doch seit Februar, März fest. Es fehlt eine plausible Erklärung, warum die Veröffentlichung so lange dauert.“ Die Preisstruktur sei eine dringende Voraussetzung, um dann auch folgerichtig zu ermitteln, wie viel vom Gutschriftbetrag denn nun jeder einzelne Bezieher von Fernwärme aus dem Holzheizkraftwerk am Havighorster Weg erhalte. Der Interessenvertreter drosselt hierbei allerdings die Erwartungen. Es sei bei der Preisentwicklung davon auszugehen, dass weiterhin Nachzahlungen zu leisten seien, die aber „nicht mehr in den Dimensionen“ von Herbst 2022 hätten – bis zu 2000 Euro Nachzahlungen, bis zu 850 Euro Monatsbeitrag.

Doch die Abrechnungen sind nicht das einzige leidige Thema: Gern hätte die IG Wir auch etwas zum Sanierungsstand des Fernwärmenetzes erfahren. Und auch die von der E.on angekündigten Beratungsgespräche im Holzheizkraftwerk hätten nicht wirklich gefruchtet, wie Manuel Mrochem erwähnt.

Fortlaufende Verfahren und neue Regularien

Eine Sprecherin der E.on begründet auf Anfrage unserer Redaktion die Verzögerung bei den Jahresabrechnungen aller Versorgungsgebiete sowohl mit einem „fortlaufenden Verfahren“ sowie mit „neuen regulatorischen Vorgaben“. Das solle aber „so schnell wie möglich“ nachgeholt werden, ein genauer Termin könne aber weiterhin nicht genannt werden.

Wie groß das Kommunikationsdesaster um die Gutschriften ist, zeigt auch das Beispiel des Ehepaars Wesenberg: Klaus und Hanna Wesenberg (beide 83) wohnen seit acht Jahren an der Leuschnerstraße in einer 68 Quadratmeter großen Zweizimmerwohnung in der Seniorenwohnanlage der Georg und Emma Poensgen-Stiftung. In der Vergangenheit erhielten sie aufgrund eines sparsamen Energieverbrauchs zumeist eine jährliche Gutschrift von etwa 200 Euro. Bis zum Herbst 2022: Dann nämlich sollten sie auf einmal 421,28 Euro nachzahlen. Dazu gab es eine monatliche Beitragserhöhung um 25 Euro.

Mieter sauer auf Stiftung: Warum nicht schon im Oktober 2021 informiert?

„Wie ich höre, mussten einige im Haus mehr als 800 Euro nachzahlen“, so Klaus Wesenberg. Er selbst hat nur die Hälfte seiner Nachzahlung beglichen, „weil unsere Stiftung schon im Oktober 2021 von den Preiserhöhungen Bescheid wusste und das seinen Mieter hätte vermitteln müssen. Wir hätten doch auch gespart, wenn wir das alles gewusst hätten.“ So wie im vergangenen Winter, als die Heizung über Wochen von 22 auf 20 Grad runtergedreht und nachts ganz abgeschaltet wurde.

Antworten von der Poensgen-Stiftung blieben aber aus, auch nicht aus der Hauptverwaltung des Zusammenschlusses der fünf gemeinnützigen Stiftungen. Wesenberg protestierte, schrieb die Poensgen-Stiftung an, reklamierte, dass es doch eine Gutschriftabmachung mit der E.on für Fernwärmekunden gebe: „Ich bin erbost, dass ich bis zum heutigen Tage nichts gehört habe von unserem Vermieter.“ Nur, dass die Angelegenheit vom Vermieter aus an den Rechtsanwalt weitergegeben wurde.

Von den Gutschriften profitieren alle – in der Zukunft

Dass ein Rechtsstreit anhängig sei, bestätigt auch die Stiftungs-Geschäftsführerin Christina Baumeister. Sie sagt weiter: „Wir haben uns auch erkundigt, haben aber dazu keine Information von der E.on bekommen. Sonst hätten wir das direkt an unsere Mieter weitergegeben.“ Auch einen weiteren Vorwurf, nicht auf die Nachfragen des Mieters Wesenberg eingegangen zu sein, verneint Baumeister. „Wir haben ein langes Gespräch geführt, die Abrechnungen erläutert.“ Irgendwann jedoch sei ihrerseits der Punkt erreicht worden, wo nur noch ein Rechtsanwalt Klarheit schaffen könne.

Die E.on-Sprecherin stellt heraus, dass die Gutschriftenregelung nicht mehr rückwirkend, sondern nur auf zukünftige Rechnungen mindernden Effekt haben wird. Und: „Von den Gutschriften profitieren sowohl Einzelhausbesitzer als auch Bewohner von Mietwohnungen je nach den Daten ihres Verbrauchs.“ Die Anwendung der Gutschrift reduziere den Arbeitspreis auf unter elf Cent pro Kilowattstunde, was preisdämpfend für die Kunden wirke.

Musterfeststellungsklage gegen E.on in Vorbereitung

Diese Gutschrift in Höhe von 4,5 Millionen Euro hatte die IG Wir im Verbund mit dem Lohbrügger SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Ali Simsek in Verhandlungen mit der E.on im Frühjahr 2023 erwirkt. IG Wir und Simsek wollen am 16. August zu einem nächsten Gespräch zusammenkommen. Nebenbei wird die Musterfeststellungsklage gegen den Energiemulti vorangetrieben, die voraussichtlich zum Sommerende ausformuliert sein soll. In dieser Klage gegen E.on Deutschland wird es einige explizite Nebenkläger geben, unter anderem auch den Lohbrügger Norden.