Hamburg. Die Mitglieder des Wohnprojekts Vierlande leben in dem historischen Haus. Um mehr über das Gebäude zu erfahren, suchen sie alte Fotos.
An den Moment, als sie die Schule Seefeld das erste Mal gesehen hat, kann sich Mia Weselmann noch ganz genau erinnern. Im Jahr 2011 war sie kurz zuvor in die Vierlande gezogen und paddelte auf der Gose-Elbe an dem historischen Fachwerkbau vorbei. Damals herrschte in dem Haus noch Schulbetrieb. Trotzdem habe sie gleich gedacht: „So ein wunderschönes Haus, da müsste man drin wohnen können“, erinnert sich die 53-Jährige. Zwölf Jahre später ist das nun zur Realität und die alte Schule ihr Zuhause geworden: „Und das ist ein absoluter Traum“, sagt Mia Weselmann.
Mia Weselmann ist Teil des Wohnprojekts Vierlanden, das im März in das ehemalige Schulgebäude an der Heinrich-Osterath-Straße eingezogen ist. Ende 2022 hatte die Jugendbauhütte Hamburg gGmbh das denkmalgeschützte Anwesen gekauft, nachdem es zuvor mehr als vier Jahre lang leergestanden hatte. Das Nutzungskonzept für das Haus hatten die Jugendbauhütte und das Wohnprojekt Vierlanden gemeinsam ausgearbeitet und letztlich vom Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) den Zuschlag bekommen.
Wohnprojekt Vierlanden seit März in der alten Schule Seefeld
Nachdem ihnen im Januar der Schlüssel zum Haus übergeben worden war, hätte die Wohngruppe den Einzug kaum abwarten können, erinnert sich Mia Weselmann. Zwei Monate später war es dann endlich soweit, auch wenn es bitterkalt war und die Gasheizung noch nicht funktioniert habe. In einem der ehemaligen Unterrichtsräume im Obergeschoss schlugen die neuen Bewohner ein Zelt auf, um darin zu schlafen. „Darin wurde es dann etwas wärmer“, erinnert sich Mia Weselmann.
Das Wohnprojekt ist aus einer Wohngemeinschaft initiiert worden, die bereits seit vielen Jahren in den Vierlanden lebt. Nachdem das alte Zuhause in der Nähe der Reitbrooker Mühle 2019 abgerissen wurde, wohnte die Gruppe übergangsweise in zwei Wohnungen in Kirchwerder und hat von da aus nach einer dauerhaften Bleibe gesucht – und in der alten Schule Seefeld gefunden. „Ich feiere jeden Tag, dass wir hier sein dürfen. Das Haus ist wunderschön und inspirierend“, sagt Mia Weselmann, Pädagogin und Historikerin und seit 2004 Leiterin der Abteilung Projekte in der BürgerStiftung Hamburg.
Nach dem Umbau sollen weitere Menschen einziehen
Mit ihr gehören derzeit vier weitere Frauen und ein Mann im Alter von 39 bis 65 Jahren zum Wohnprojekt Vierlanden. Die Gruppe soll künftig noch weiter auf etwa zehn bis zwölf Personen wachsen, gern dürfte dann auch eine Familie dazugehören, erklärt die Wohngruppe. Zudem soll das Haus auch für interessierte Besucherinnen und Besucher geöffnet werden und dort nachbarschaftliche, soziokulturelle und ökologische Projekte gestartet und unterstützt werden – wie Lesungen, Musik oder auch Brotbacken im Lehmbackofen auf dem Hof.
Bis es soweit ist, muss das Gebäude aber noch umgebaut und saniert werden. Mit dem Erhalt historischer Bausubstanz und einem sensiblen Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden kennt sich die Jugendbauhütte Hamburg als Eigentümerin bestens aus: Sie restauriert seit 2015 ein Hufnerhaus am Moorfleeter Deich und rettete eines der ältesten Häuser Hamburgs damit vor dem Abriss.
Projektschule für Grund-, Haupt- und Realschulen des Schulkreises Bergedorf
Das Schulgebäude an der Heinrich-Osterath-Straße wurde 1882 erbaut und in den Jahren 1909 und 1910 erweitert und umgebaut. Im ursprünglichen Teil befindet sich der Schultrakt mit je zwei ehemaligen Unterrichtsräumen im Erd- und Obergeschoss. Im historisch neueren Trakt gibt es eine Lehrerwohnung, in der bis 1982 wohl noch der Schulleiter gewohnt hat, erzählt Mia Weselmann.
In dem Jahr wurde die ehemals selbstständige Schule zur Zweigstelle der Schule Ernst-Henning-Straße. Als Projektschule Seefeld bot sie allen Grund-, Haupt- und Realschulen des Schulkreises Bergedorf die Möglichkeit, dort Projekttage in Kunst und Biologie zu organisieren. Zudem gibt es im Hinterhof ein historisches Toilettenhäuschen sowie ein Backhaus und einen ehemaligen Bootsschuppen. Mit den Kanus und Kajaks überquerten die Schüler einst auch gern die Gose-Elbe, denn die auf der anderen Seite gelegene Schulwiese war ein beliebter Zeltplatz für Klassen.
Fotos und Erzählungen, um Schulgeschichte zu erforschen
Noch immer sind in dem Haus vereinzelt Zeugnisse seiner Schulgeschichte zu finden: Auf einer Schiefertafel im Erdgeschoss stehen noch Arbeitsaufgaben aus dem letzten Kunstunterricht, ein großes Wandbild stellt vor dem Treppenaufgang die Menschwerdung dar und beim Erkunden des verwinkelten Dachbodens stand auf einmal ein Katzenskelett aus dem Biounterricht im Licht der Taschenlampe, erinnert sich Mia Weselmann.
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Für die 53-Jährige ist jeder dieser Funde und Gang durch die Treppenhäuser und langen Flure etwas Besonderes. „Das Haus atmet einfach Geschichte“, sagt sie. Um noch mehr über die Historie des Hauses zu erfahren und seine Entwicklung aufzuarbeiten, ist das Wohnprojekt auf der Suche nach Fotos – ob von innen oder außen. „Das könnte auch bei der Bauplanung sehr hilfreich sein“, erklärt Mia Weselmann. Zudem würden sie ehemalige Schülerinnen und Schüler auch gern einladen und aus erster Hand erfahren, wie sie ihr Schulleben in dem Haus erlebt haben.
Kontakt zum Wohnprojekt Vierlanden gibt es per E-Mail an info@wohnprojekt-vierlanden.de. Oder auch per Post an die Heinrich-Osterath-Straße 45, 21037 Hamburg. Internet: www.wohnprojekt-vierlanden.de.