Zollenspieker. Zum Saisonauftakt informierte die Polizei am Zollenspieker über Sicherheit auf dem Zweirad. Was Biker im Hasenoutfit dort machten.
Schon oben auf dem Deich stehen Polizisten im Bereich der Zufahrt zum Fähranleger Zollenspieker. Als zwei Rennradfahrer sich nähern, winken die Beamten den Sportlern zu und bitten sie per Handzeichen anzuhalten. Doch die Polizisten führen keine Verkehrskontrolle durch. Sie haben sogar Präsente für die Radfahrer dabei, Studentenfutter und Schokoriegel. Sie wollen nämlich mit den Freizeitsportlern ins Gespräch kommen, im Rahmen der Aktion „Kopf hoch“ auf die Gefahren des Rennradfahrens auf dem Hauptdeich hinweisen. Dort kommt es im Sommerhalbjahr immer wieder zu schweren Unfällen, weil Radfahrer mit gesenktem Blick gegen am Straßenrand geparkte Autos prallen. Zum Saisonauftakt für Rad-, aber auch für Motorradfahrer, informierte die Verkehrspolizei am Sonntag, 16. April, über eine sichere und rücksichtsvolle Fahrweise. Unterstützt wurde sie von zahlreichen Partnern wie der Motorradstaffel der Johanniter-Unfall-Hilfe, der ADFC-Bezirksgruppe Bergedorf oder dem TÜV Nord.
Ansprachen auf allen Ebenen zu Sicherheit auf dem Zweirad
Kathrin Heinelt und Jan Eschermann sind von der Fahrradstaffel der Polizei Hamburg, zählen zu den knapp 20 Polizisten, die hamburgweit auf Trekkingrädern im Einsatz sind. „Wir kommen hier auch mit vielen Senioren ins Gespräch, die auf normalen Fahrrädern unterwegs sind“, sagt Kathrin Heinelt. Von den Rennradfahrern seien sich die meisten der Gefahr durch die geparkten Pkw bewusst, betont die Hauptkommissarin, „aber manche bewegen sich trotzdem in einer Art Tunnel, mit dem Kopf nach unten, Sonnenbrille auf und Kopfhörern in den Ohren“. Auch von Autofahrern würden Rennradfahrer oft nicht wahrgenommen, ergänzt Heinelts Kollege Jan Eschermann: „An den Rädern befinden sich keine Reflektoren und keine Klingeln. Warnwesten werden oft nicht getragen, weil sie nicht windschnittig genug sind.“
Sonja Eilers (51) kam mit ihrem Rennrad vorbeigefahren, wusste von der Präventions-Aktion und wollte schauen, was am Fähranleger los ist: „Ich bin viel im Team unterwegs, fahre mit dem Radsportteam Weißer Ring Hamburg“, sagt sie und fügt hinzu: „Die Rennradfahrer, die auf den Boden starren, sind meist Einzelfahrer.“ Auf dem langgezogenen Hauptdeich, wo der Weg meist frei ist und nur gelegentlich ein Auto parkt, seien die Radfahrer ungestörter, meint Reinhold Reumann, Sprecher des ADFC Bergedorf. „Im städtischen Bereich, auf Radwegen, muss auf Fußgänger und Hunde geachtet werden. Hier auf dem Hauptdeich fahren einige wie in Trance.“ Thorsten Keller, Leiter der Verkehrsprävention der Polizei Hamburg (Verkehrsdirektion 6) bestätigt: „Einigen besonders ambitionierten Fahrern geht es nur darum, eine gute Zeit zu fahren. Sie achten nicht mehr auf den sie umgebenden Verkehr.“
Nur wenige Meter von den Fahrrad-Polizisten entfernt stehen Männer und Frauen in Hasenkostümen. Sie gehören zur Streetbunnycrew. Mitglieder des eingetragenen Motorradvereins sind bundesweit im Hasen-Outfit unterwegs, um Spenden für Kinder in Not zu sammeln. „Deutschlandweit gibt es knapp 400 Bunnys“, sagt Yvonne „Yvy“ Bierwolf (26). Die Bunnys – männliche tragen oft rosa Hasenkostüme – haben natürlich auch Schutzkleidung an, wenn sie auf ihren Motorrädern unterwegs sind. „Die tragen wir drunter“, sagt Nicola „Nici“ Rehfeld (20) und Yvy Bierwolf ergänzt: „Wir schwitzen für einen guten Zweck.“ Die Streetbunnys organisieren bei Events wie den Harley-Days in Hamburg Aktionen wie Dosenwerfen oder Schminken – einerseits um notleidenden Kindern eine Freude zu machen, andererseits um Spenden zu generieren.
ProVida-Motorräder präsentiert
Thorsten Keller war mit dem Verlauf der Aktion zufrieden: „Besonders am Vormittag war das hier gut besucht. Über den Tag hatten wir mehrere Hundert Besucher.“ Es gehe darum, die Zweiradfahrer immer wieder mit den Gefahren des Straßenverkehrs zu konfrontieren. Zum einen werden gelbe Warnwesten verteilt, zum anderen präsentiert die Polizei zwei ihrer ProVida-Motorräder, zivile, mit Videokameras ausgestattete Maschinen, die rasende Biker verfolgen. „Wir versuchen Ansprachen auf allen Ebenen“, sagt Keller.
Für das erste Quartal 2023 konnte die Polizei noch keine Verkehrsunfallstatistik vorlegen, aber für das Jahr 2022. Demnach ereigneten sich im Bezirk Bergedorf im vergangenen Jahr 41 Verkehrsunfälle, an denen Kraftradfahrer beteiligt waren. Im Jahr zuvor waren es 55. Die Unfälle in 2021 verliefen allerdings meist glimpflicher: 2022 gab es neun Schwerverletzte, 2021 waren es sechs. 2022 zählte die Polizei 17 Leichtverletzte, im Jahr zuvor 18. Es gab in beiden Jahren keine Toten.
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Im Jahr 2022 wurden zudem eine Mitfahrerin schwer verletzt sowie zwei Mitfahrer und eine Mitfahrerin leicht verletzt. Darüber hinaus verletzten sich 2021 ein Radfahrer und im vergangenen Jahr zwei Lkw-Fahrer leicht bei Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Krädern, teilt die Polizei mit. Hamburgweit verunglückten in 2022 insgesamt 1492 Motorradfahrer. 2021 waren es 1232 gewesen und im Jahr 2019 zählte man 1328 verunglückte Biker.
Unachtsame Autofahrer für Biker besonders gefährlich
In ganz Hamburg gab es im vergangenen Jahr 24 Verkehrstote, 2021 waren es 21 und in 2019 betrug ihre Zahl 28. Unter den 24 Verkehrstoten von 2022 waren drei Kradfahrer. In diesem Jahr gab es bisher einen toten Motorradfahrer zu beklagen. Der 24-jährige Schwarzenbeker verunglückte am 22. Februar auf der Autobahn 25 kurz hinter der Anschlussstelle Nettelnburg in Fahrtrichtung Hamburg.
Die Zahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Radfahrern in Bergedorf lag im vergangenen Jahr bei 211 – 17 Prozent mehr als im Vorjahr (181) und 20 Prozent mehr als 2019, als es 176 Unfälle mit Radfahrer-Beteiligung gab. 170 Radfahrer wurden in 2022 bei Unfällen verletzt. Im Vorjahr waren es 141 und in 2019 zählte die Polizei 134 „verunglückte, aktiv beteiligte“ Radfahrer.
Die mit Abstand häufigste Ursache für Verkehrsunfälle mit Personenschaden ist laut Polizei ein zu geringer Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug in Kombination mit erhöhter Geschwindigkeit (18,3 Prozent). Auf Platz zwei der Unfallursachen rangiert „Fehler beim Abbiegen“ (zwölf Prozent), gefolgt von „Vorfahrt/Vorrang und Rotlicht“ (elf Prozent). Die Hauptursache bei Unfällen mit der Beteiligung von Bikern waren allerdings in den vergangenen drei Jahren „unachtsame Abbiege- und Wendemanöver von mehrspurigen Kfz, vor allem von Pkw“, sagt Thorsten Keller.