Hamburg. Regionalausschuss hatte erstmals zur XXL-Bürgerfragestunde geladen. In den zwei Stunden Austausch kam so einiges auf den Tisch.

Fehlende Buswartehäuschen im Landgebiet, Raser in der Tempo-30-Zone bis hin zu möglichen Baugebieten und Stellflächen für Windkraftanlagen in den Vier - und Marschlanden – die Vielfalt der Themen, die am Dienstagabend im Regionalausschuss zur Sprache kamen, war groß. Statt strikt einer Tagesordnung zu folgen, bestimmten dieses Mal einzig und allein Bürger den Ablauf der Sitzung. Denn der Ausschuss hatte erstmals zur XXL-Bürgerfragestunde geladen.

Festes und häufig genutztes Element des Regionalausschusses war vor Beginn der Pandemie stets die Bürgerfragestunde. Zu Beginn jeder Sitzung hatten Bürgerinnen und Bürger die Chance, ihre Fragen direkt an Lokalpolitik und Verwaltung zu stellen. Während Corona sei dies entschieden zu kurz gekommen, ist Ausschussvorsitzende Stephanie Pelch (CDU) überzeugt. Daher hatte der Ausschuss gemeinsam entschieden, die Bürger wieder zu Wort kommen zu lassen – und ihnen dafür deutlich mehr Zeit als die sonst üblichen 30 Minuten einzuräumen.

Regionalausschuss: Vier- und Marschländer Lösung für Buswartehäuschen?

Am Dienstagabend nahmen sich Lokalpolitik und Verwaltung im Stuhlkreis mit Bürgern die dreifache Zeit – doch nicht einmal die reichte aus. Der Gesprächsbedarf war so groß, dass erst um 20.15 Uhr der öffentliche Teil der Sitzung beendet wurde. Als „erfolgreiches Forum mit einem offenen, ehrlichen und direkten Austausch“ wertete Regionalbeauftragter Lars Rosinski aus Sicht der Verwaltung den Abend, aus dem die Lokalpolitik einige Anregungen für ihre künftige Arbeit mitnehmen konnte.

Auf Anregung von Karsten Paulssen aus Ochsenwerder soll das Thema Buswartehäuschen aufgegriffen werden, die aus Sicht des Marschländers an vielen Haltestellen im Landgebiet fehlen würden. Ein Thema, das der Ausschuss schon mehrfach versucht habe zu bewegen, erinnert sich Jörg Froh (CDU). Aufgrund von zu geringen Ein- und Ausstiegszahlen oder vielerorts auch Platzmangel scheiterte das Vorhaben. In Zeiten einer angestrebten Mobilitätswende und dem Ziel, den Öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen, sei nun der Zeitpunkt gekommen, das Thema erneut zu diskutieren, meint auch Ernst Heilmann (Die Linke). Um nach einer „Vier- und Marschländer Lösung“, bei der die Häuschen nicht unbedingt die Standardmaße wie in der Innenstadt haben müssten, wolle man nun erneut das Gespräch mit der Verkehrsbehörde (BVM) suchen, erklärt Stephan Meyns (FDP).

Doppelte Geschwindigkeit statt Tempo 30

Über Raser vor ihrer Haustür beschwerten sich Anwohner vom Curslacker Deich. Sie sind „extrem in Sorge“ um ihre Kinder – insgesamt 15 Mädchen und Jungen im Alter von 1,5 bis 14 Jahren wohnen in dem Bereich etwa auf Höhe der Einmündung zum Vierländer Bahndamm. Einen Gehweg gibt es dort nicht, doch in der Tempo-30-Zone werde oftmals das Doppelte der erlaubten Geschwindigkeit gefahren, sind die Familienväter überzeugt. Sie würden daher bereits ihre Autos auf der Straße parken, um den Verkehr zum Abbremsen zu zwingen. Hilfesuchend wandten sie sich an Politik und Verwaltung: „Muss denn erst etwas passieren, bevor etwas getan wird?“

Es sei in der Tat ein „schwer lösbares Problem“ erklärte Björn Schramm, Leiter der Bergedorfer Verkehrspolizei. Bauliche Veränderungen wie eine Einengung oder die Einrichtung einer Einbahnstraße seien bereits geprüft und verworfen worden, so die Verwaltung. Auch künstliche Bodenwellen, wie von Herbert Meyer (AfD) vorgeschlagen, werden in Hamburg nicht mehr eingebaut, erklärte Björn Schramm. Die Polizei nehme die Sorgen aber ernst, betonte der Verkehrschef und habe die Häufigkeit von Geschwindigkeitsmessungen an der Stelle bereits erhöht, um mögliche Tempoüberschreitungen mit Fakten belegen zu können.

Selber Potenziale suchen, bevor der Senat die Entscheidung evoziert

Um die Frage, wo in Zukunft weitere Baugebiete in den Vier- und Marschlanden entstehen oder Windkraftanlagen aufgestellt werden könnten, entbrannte die kontroverseste Diskussion des Abends. Die Entscheidung von Bergedorfs rot-grüner Koalition aus dem Jahr 2017, Potenzialflächen aus dem Wohnungsbauprogramm zugunsten von Oberbillwerder zu streichen, wurde abermals von Christdemokrat Froh kritisiert, der statt des neuen Stadtteils lieber die Potenzialflächen entwickelt sehen würde.

Stephan Meyns (FDP) hält dies für zu kurz gegriffen und appelliert in der weiteren Entwicklung des Landgebiets vor allem zu Augenmaß und einer Weiterentwicklung der Ortskerne inklusive bestehender Infrastruktur. Dem pflichtet auch Heinz Jarchow (SPD) bei, der zur Einhaltung einer Balance appelliert, um die Kulturlandschaft zu erhalten. Irgendwann müsse man definieren, wo Stopp ist, meint auch Ernst Heilmann (Die Linke). Schließlich würden die Vier- und Marschlande aus Sicht von Hamburg als Flächenreserve verstanden.


Damit – wie von der Bundesregierung gefordert – die Entscheidung zur Ausweisung neuer Potenzialflächen für Windkraftanlagen nicht vom Senat evoziert werde – wie zuletzt bei Oberbillwerder und auch dem Bau des Jugendgefängnisses in Billwerder geschehen – , sollte selbst nach Lösungen gesucht werden: „Es kann nicht unser Weg sein, wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren, sondern wir sollten selbst Vorschläge entwickeln, wo wir Potenziale sehen“, meint Stephan Meyns (FDP).