Kirchwerder. Senior aus Kirchwerder arbeitet seit 17 Jahren als freier Trauerredner. Bei welcher Ansprache selbst er einen Kloß im Hals hatte.

Als Gerd Josenhans in den Ruhestand ging, war ihm schnell langweilig. Der gelernte Verlagskaufmann, der lange für „Die Zeit“ und „Stern“ tätig war, suchte eine neue Beschäftigung – und fand sie schnell, als Trauerredner. Das ist nun 17 Jahre her. Damals verabschiedete Josenhans einen Senior, der an Krebs gestorben war. Seitdem hat der freie Redner aus Kirchwerder mehr als 1000 Reden bei Trauerfeiern gehalten.

„Über einen Bekannten bin ich damals zu meiner neuen Tätigkeit gekommen“, sagt Josenhans. Der Bekannte war Mitglied der Rednergemeinschaft Hamburg und Umgebung, der seitdem auch Josenhans angehört. Sie zählt aktuell 13 Trauerredner, darunter vier Frauen und auch Redner, die noch nicht im Rentenalter sind.

Als Trauerredner einst „einfach ins kalte Wasser gesprungen“

„Die Gruppe wurde bereits vor rund 100 Jahren gegründet“, sagt Josenhans. Der Vorteil der renommierten Rednergemeinschaft sei, dass aufgrund ihrer Personalstärke stets ein Redner verfügbar sei, „im Gegensatz zu den Einzelkämpfern, die das nebenberuflich machen und deshalb oft keine Zeit haben“, betont der Senior, der sein Alter grundsätzlich nicht gern preisgebe, um nicht abgestempelt zu werden. Die Rednergemeinschaft werde in der Regel von den Bestattern beauftragt.

Damals sei er „einfach ins kalte Wasser gesprungen“. Ohne zuvor erfahrene Redner zu begleiten, verzichtete er darauf, angelernt zu werden. Eine Berufsausbildung, Schulung oder ein Zertifikat würden nicht verlangt: „Das kann man nicht lernen, da muss man ein Naturtalent sein“, sagt Josenhans, der nach eigener Auskunft schon immer gut Reden halten und frei sprechen konnte. Er sei jemand, der gern Kontakt zu Menschen habe.

Vier bis fünf Trauerreden hält Gerd Josenhans pro Woche

Gerd Josenhans, der als Selbstständiger in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen tätig ist, hat viel zu tun: Durchschnittlich vier bis fünf Trauerreden halte er pro Woche, „manchmal drei an einem Tag“. Diese Tage ist er beruflich in St. Michaelisdonn (Dithmarschen), ansonsten spreche er auch in Schwarzenbek, Lüneburg, Kaltenkirchen, Stade oder Lauenburg.

Für die Einsätze der Mitglieder der Rednergemeinschaft gelten festgelegte Honorar-Pauschalen, die je nach Entfernung berechnet werden, berichtet der Senior, der in der Regel für jeden Einsatz als Redner einmal die Angehörigen besucht und dann zur Bestattung erscheint. „Jeder Redner rechnet über den Bestatter ab.“

Ein bis zwei Stunden dauern die Gespräche mit den Hinterbliebenen

Grobe Patzer habe es bei ihm noch nie gegeben, sagt Josenhans nicht ohne Stolz. „Ich habe auch nie Namen oder Daten verwechselt. Mich hat nie eine Beschwerde erreicht. Stattdessen habe ich einen ganzen Ordner voller Danksagungen.“

In einer Trauerrede komme es darauf an, „etwas rüberzubringen“, sich nicht in allgemeinen Formulierungen zu verlieren und einen klaren, individuellen Bezug zum Verstorbenen herzustellen und ihn und seinen Lebensweg zu würdigen, betont der Josenhans. „Man darf nicht abschweifen.“ Dafür spricht er mit den Angehörigen, „ein bis zwei Stunden“, macht sich viele Notizen. Zu Hause arbeitet er die Rede aus, „meist in Stichworten“. Seine Reden halte er weitgehend frei, auf Basis der Notizen. Nur selten lese er sie Wort für Wort ab.

Die Zuhörer zum Innehalten und Nachdenken bringen

30 bis 35 Minuten dauere eine Trauerfeier normalerweise. „Die Rede wird von zwei, drei Musikstücken unterbrochen.“ Die Netto-Redezeit betrage 20 bis 25 Minuten. Er spreche natürlich am Ende seiner Rede immer – weltlich – über den Tod, „denn der gehört zum Leben dazu“. Seine Reden seien chronologisch aufgebaut, um das Leben des Toten Revue passieren lassen zu können. Er wolle seine Zuhörer zum Innehalten und Nachdenken darüber bewegen, was der Verstorbene ihnen bedeutet hat.

Natürlich würden gewissen Formulierungen wiederholt, werde nicht mit jeder Ansprache das Rad neu erfunden, sagt Josenhans, der gelegentlich auch Gedichte oder Anekdoten einfließen lasse. „Ich freue mich, wenn ich dann ein Lächeln auf den traurigen Gesichtern sehe. Auch Lachen ist wichtig.“

In einigen Kirchen sind freie Trauerredner nicht willkommen

Die meisten Verstorbenen, die Josenhans würdigt, waren nicht in der Kirche. „Andere aber schon, doch sie hatten zu Lebzeiten festgelegt, dass die Trauerrede nicht von einem Pastor gehalten werden soll, weil der zu viel aus der Liturgie erzählt.“ Er habe aber auch schon gemeinsam mit evangelischen und auch mit katholischen Geistlichen die Trauerfeier gestaltet, „dann war ich für den nicht-konfessionellen Teil zuständig“, sagt Josenhans, der selbst Mitglied der Kirchengemeinde Kirchwerder ist. „Mir hat auch schon mal ein Pastor nach meiner Ansprache gesagt, dass er etwas dazugelernt habe.“

Nur selten spreche er in einer Kirche, „meist wollen die Pastoren oder die Kirchengemeinden das nicht“. In Ochsenwerder, Billwerder und Moorfleet seien freie Redner in den Gotteshäusern willkommen, berichtet Josenhans, „in den anderen Kirchen im Landgebiet nicht, auch nicht in Kirchwerder“. In seinem Heimatdorf halte er Trauerreden in der Kapelle. „Die Kapellen auf den Friedhöfen stehen grundsätzlich auch nicht-kirchlichen Gemeinschaften offen.“

In der Kirche St. Pankratius in Ochsenwerder sind freie Trauerredner bei Beerdigungen willkommen.
In der Kirche St. Pankratius in Ochsenwerder sind freie Trauerredner bei Beerdigungen willkommen. © NEWS & ART | Carsten Neff

Mahnende Worte bei der Abschiednahme für ein junges Unfallopfer

Wenn die Trauerfeier vorbei sei, „ist das aus meinem Kopf raus“, berichtet Gerd Josenhans, der auch schon bei den Beerdigungen von Kindern, Unfallopfern, Todkranken und Selbstmördern gesprochen hat. Selbst für ein Mordopfer hielt er die letzte Ansprache. „Ich habe noch keine einzige Anfrage abgelehnt, weil es mir zu nahe ging.“

Als ein junger Mann beerdigt wurde, der als Beifahrer bei einem Autounfall sein Leben verlor, richtete Josenhans – nach Absprache mit den Eltern des Verstorbenen – mahnende Worte an die vielen jungen Menschen, die die Trauerfeier besuchten: „Der Fahrer war nämlich betrunken.“ Wenn es um Selbstmord geht, betone der Redner, dass die Hinterbliebenen, die meist mit vielen unbeantworteten Fragen zurückbleiben, „kein Recht zu urteilen“ hätten. „Für sie gibt es nur die Pflicht der Akzeptanz.“

Auch bei den Trauerfeiern für frühere Arbeitskollegen aus seiner Zeit als Verlagskaufmann habe Josenhans gesprochen. Zu Beginn dieses Jahres stellte er sich dann einer besonderen Herausforderung und sprach bei der Beerdigung eines engen Freundes – „natürlich als Freund und nicht als bezahlter Redner“. Er könne vermutlich sogar eine Trauerrede halten, wenn es um seine Frau oder seine Tochter ginge, meint Josenhans: „Ich schalte dann ab und habe in dem Moment, in dem ich die Rede halte, eine gewisse Distanz.“ Trotzdem habe er „einmal einen Kloß im Hals gehabt“: Als es um eine junge Frau ging, die an Krebs gestorben war. Deren Mann hatte sie und ihre kleine Tochter verlassen. „Damals musste ich an meine gleichaltrige Tochter denken.“

Krebskranker schilderte seine Wünsche für die Trauerrede

Er lerne mitunter auch Sterbende kennen, die ihre letzten Tage auf dieser Erde verbringen: „Einmal schilderte mir ein älterer Mann, der Krebs im Endstadium hatte, zweieinhalb Stunden lang, was ich in der Trauerrede auf ihn sagen sollte. Wir sprachen auch über den Tod. Er sagte zu mir, dass ihm das Gespräch gutgetan habe. Am Ende haben wir uns umarmt. Zwei Tage später war er tot.“

Das er stets dunkel gekleidet im altmodischen Zweireiher erscheine, habe ihm in Kollegen- und Bestatterkreisen den Spitznamen „Der feine Herr“ beschert. „Aber das gehört dazu, auch wenn die Trauergäste sich bunt kleiden sollen, da bin ich konservativ.“ Zu seinen Kollegen habe der Senior einen guten Draht: „Wir sind freundschaftlich miteinander verbunden, treffen uns alle zwei Monate zu einem gemeinsamen Essen und tauschen unsere Gedanken aus.“

Gedenkfeier für die Verstorbenen am Totensonntag in Ohlsdorf

Für Totensonntag (20. November), 11 Uhr, bittet die Rednergemeinschaft zu einer Gedenkfeier in der Cordeshalle im Bestattungsforum des Ohlsdorfer Friedhofs an der Fuhlsbüttler Straße 758. Die Gedenkstunde richtet sich an Angehörige, die einen geliebten Menschen verloren haben. Die Besucher werden von Josenhans mit einer Rede begrüßt.

Musikalisch begleitet wird die Feierstunde durch die Solisten Julia Semenova (Violine) und Winfried Geßler (Violoncello). Wer möchte, dass der Namen seines verstorbenen Angehörigen vorgelesen wird, kann den Namen zu Beginn der Feier notieren lassen. Es werden Kerzen angezündet, und ein Kollege von Josenhans trägt eine plattdeutsche Geschichte vor. Jedermann ist willkommen, eine Anmeldung ist nicht notwendig.