Hamburg. Etwa 15 Erwachsene wollen gemeinsam leben – in kleinen Holzhäusern, Bauwagen und Jurten. Gesucht wird ein geeignetes Grundstück.

Jack Sturm und seine Familie wollen anders wohnen – in einem kleinen Haus oder Bauwagen in einer Mini-Siedlung in den Vier- und Marschlanden. Sie wollen sich mit einer Gemeinschaft aus Gleichgesinnten zusammentun, zwölf bis 15 Erwachsenen, die generationenübergreifend, solidarisch, ökologisch und möglichst autark leben. Doch die Suche nach einem geeigneten Grundstück – benötigt werden mindestens 3500 Quadratmeter, unbebaut oder bebaut – verlief bisher erfolglos.

Solidarisch bedeutet – wie bei der Solidarischen Landwirtschaft Vierlande, in deren Vorstand sich Sturm engagiert –, dass einige Siedler mehr als den Durchschnittspreis zahlen, damit sich andere, die weniger Geld haben, auch diesen Traum vom gemeinsamen Wohnen erfüllen können. Doch es geht nicht nur ums Geld: Jeder soll sich nach seinen Möglichkeiten tatkräftig in der Gemeinschaft einbringen und etwa die Tiere des Nachbarn im Urlaub versorgen, Einkäufe erledigen, ältere Nachbarn zum Arzt begleiten oder die Gemeinschaftsflächen pflegen. Einen Namen hat das Projekt bereits: Solidarisches Wohnkonzept (SoWoko) Vierlande.

Wohnen in Hamburg: Grundstück für Mini-Siedlung gesucht

Der harte Kern an Interessenten umfasse inzwischen sieben Erwachsene im Alter von Anfang 30 bis Mitte 50. Von potenziellen Mitstreitern, die ebenfalls anders leben wollen, erhalte er immer wieder neue Anfragen, berichtet der Familienvater. Doch die meisten Interessenten, darunter vor allem ältere Menschen, würden wieder abspringen: „Sie wollen sofort umziehen, oder sie haben bei weitem nicht genügend Geld oder Corona hat bei ihnen alles verändert. Andere haben wiederum Familienzuwachs und planen nun doch was anderes.“ Wer dabei sein möchte, benötigt einen langen Atem, zumal das Projekt vermutlich erst ein mehrjähriges Bebauungsplanverfahren auf den Weg bringen muss.

Vermutlich müsse auch jeder Teilnehmer einen fünfstelligen Betrag einbringen, betont Sturm, „aber wir können noch nicht wirklich kalkulieren“. Denn ein Finanzplan könne erst erstellt werden, nachdem die SoWoko-Aktiven eine Baugenossenschaft gegründet haben. Die wiederum könne erst gegründet werden, wenn es ein konkretes Grundstück gibt. „Die Genossenschafts-Gründung ist zum Glück kein langwieriger Prozess.“ Sturm und seine Mitstreiter suchen auch Investoren, „die dort nicht wohnen, aber in ein nachhaltiges Projekt gewinnbringend investieren wollen“.

Tiny-Houses sind ebenso denkbar wie Jurten oder Bauwagen

Tiny Houses sind kleine, zumeist transportable Häuser, die trotz geringer Grundfläche ihren Bewohnern alles bieten sollen, was sie zum Leben brauchen.
Tiny Houses sind kleine, zumeist transportable Häuser, die trotz geringer Grundfläche ihren Bewohnern alles bieten sollen, was sie zum Leben brauchen. © dpa

Neben drei bis fünf Wohneinheiten soll es auch ein Haupthaus für die Gemeinschaft und zwei Gästeunterkünfte geben. Sturm und seine Mitstreiter legen sich auf die Art der Unterkünfte nicht fest: Sogenannte Tiny-Houses (kleine Holzhäuser) seien ebenso denkbar wie Jurten (große Zelte, als Gästeunterkünfte im Sommer) oder Bauwagen. „Durch Vermietungen können wir weiteren Menschen autarkes Leben zumindest für einige Tage ermöglichen“, sagt Sturm. Die Mieteinnahmen sollen in das Projekt fließen und weitere Investitionen ermöglichen – oder den Preis für die Miete der Dauerbewohner senken.

Er sei viel mit dem Rad auf dem Lande unterwegs, berichtet Sturm: „Dann sehe ich alte Häuser, die abgerissen werden, Ruinen, Geisterhäuser und kaputte, leerstehende Gewächshäuser. Das ist schade.“ Denn das SoWoko würde gern ein altes Haus sanieren „und das Gesicht der Vier- und Marschlande bewahren“, kann sich auch den Bau kleiner Wohnhäuser in altgedienten Gewächshäusern vorstellen. „Anderswo gibt es so was“, sagt der 34-jährige IT-Designer. Er möchte „klein anfangen“ und kann sich vorstellen, das Projekt „an verschiedenen Orten“ auszubauen.

Politik findet das Vorhaben grundsätzlich gut

Jeweils eine Fläche in Neuengamme und in Kirchwerder, die Sturm und seine Mitstreiter im Blick hatten, seien inzwischen anderweitig vergeben. Doch bei der einen sei Bebauung nicht möglich gewesen, bei der anderen Fläche sei die Realisierung eines SoWoko an der Finanzierung gescheitert. Nun würden die SoWoko-Aktiven an einer Übersicht arbeiten: Wo gibt es freie Flächen und leerstehende Häuser? Dann gelte es zu klären, wer der jeweilige Eigentümer ist, was er mit dem Objekt vorhat und welchen Status die Fläche hat.

Sturm hat auch die lokale Politik eingeschaltet, etwa eine Sitzung des SPD-Distrikts Vier- und Marschlande besucht: „Die finden unser Vorhaben grundsätzlich gut“, sagt der 34-Jährige. Doch er erhofft sich Taten: „Es handelt sich um ein Pilotprojekt, für das die Politik den Weg bereiten muss.“

Jarchow: „Wir Politiker können für das Projekt keine Fläche eruieren“

Heinz Jarchow, Fachsprecher der SPD für die Vier- und Marschlande und mit Baurecht bestens vertraut, nimmt Sturm Wind aus den Segeln: „Wir haben die baurechtliche Situation dargelegt. Es muss eine konkrete Fläche gefunden werden, über die dann mit dem Bauamt zu sprechen ist. Wir Politiker können für das Projekt keine Fläche eruieren.“ Wer beim Bezirksamt einen Bauvorbescheid einreicht, bekommt detaillierte Auskünfte zu der betreffenden Fläche. Grundsätzlich sei die SPD gegenüber besonderen Wohnformen aufgeschlossen, betont Jarchow: „Wir fördern ja auch Baugemeinschaften.“

Wohnen in Treibhäusern sei grundsätzlich nicht möglich: „Sie sind durchgängig sogenannter Außenbereich. Wohnen ist dort nicht erlaubt.“ Zwar könne durch Erstellen eines Bebauungsplans aus einem Außen- ein Wohnbereich werden, „aber einen B-Plan erstellt man nicht für ein Grundstück“. Jarchow empfiehlt Sturm und dem SoWoko „nicht nur ein Konzept zu haben, sondern sich auch um die baurechtlichen Voraussetzungen zu kümmern“.

Infos und Kontakt zum Solidarischen Wohnkonzept im Internet: sowoko-vierlande.jimdofree.com.