Hamburg. 54-Jährige engagiert sich in Volksinitiative „Rettet Hamburgs Grün“, die ein Volksbegehren plant. Warum jede Grünfläche wichtig ist.

Katja Haack (54) aus Billwerder engagiert sich in der Volksinitiative Rettet Hamburgs Grün – Klimaschutz jetzt!“. Die Initiative verfolgt nur ein einziges Ziel: Alle Grünflächen, die größer als ein Hektar sind, sollen erhalten bleiben. Denn Klimaschutz könne nur erfolgreich sein, wenn Grünflächen geschützt werden. Erreicht die Initiative dieses Ziel mit ihrem geplanten Volksbegehren und -entscheid, hätte das für die Stadt Hamburg deutliche Folgen. Dann könnte unter anderem der geplante neue Stadtteil Oberbillwerder nicht gebaut werden.

„Grünflächen sind bereits ab einer Mindestgröße von 0,5 Hektar relevant für den Kaltluftaustausch und können eigene Kaltluftströme induzieren, die nachts eine kühlende Wirkung auf die umliegenden Stadtteile haben“, sagt Katja Haack und ergänzt: „Dies wird in den nächsten Jahren immer wichtiger werden.“

Katja Haack gehört zu der Gruppe, die mit den Fraktionschefs der Regierungsfraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft (SPD und Grüne) über das Vorhaben der Volksinitiative gesprochen hat. Von Verhandlungen mag sie aber nicht sprechen: „Nicht nur ,Rettet Hamburgs Grün – Klimaschutz jetzt!’, sondern alle Bürger- und Volksinitiativen, die sich dem Klimaschutz verschrieben haben, werden mit allen möglichen Tricks und Gründen ausgebremst, statt gemeinsam Wege für Hamburgs Zukunft zu suchen“, sagt sie und fügt hinzu: „Sämtliche Gespräche zwischen den Regierungsfraktionen und unserer Initiative blieben auf der Ebene von unverbindlichen Sondierungen. Und selbst dazu haben SPD und Grüne jetzt keine Lust mehr.“

Katja Haack engagiert sich in Volksinitiative „Rettet Hamburgs Grün“

Die Regierungsfraktionen würden sich „in alten Denkmustern bewegen“, kritisierte die Initiative bereits im März 2022 nach dem ersten Treffen. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass Klimaschutz, Artenschutz und Lebensqualität immer wieder gegen Wohnen, Arbeiten und soziales ausgespielt werden sollen“, sagt Michael Heering, Vertrauensperson der Initiative. „Grünflächen sind keine billigen Baulandreserven, sondern artenreiche Lebensinseln für Hamburgs Zukunft.“

Es sei Aufgabe der Politik, Lösungsansätze zu präsentieren, die die angeblichen Gegensätze von Klimaschutz und Wohnungsbau überwinden, heißt es in einer Mitteilung der Initiative. Doch zukunftsweisende Vorschläge habe es bei den Gesprächen keine gegeben. Auf die Notwendigkeit, Hamburg auf den unausweichlichen Klimawandel vorzubereiten, sei von den Politikern nicht eingegangen worden.

Deshalb wollen Katja Haack und ihre Mitstreiter schnellstmöglich ein bereits angemeldetes Volksbegehren starten. Dafür sollen innerhalb von drei Wochen 80.000 Unterschriften gesammelt werden, von denen 65.000 gültige benötigt werden. Doch bevor das Volksbegehren starten kann, muss erst das Hamburgische Verfassungsgericht ein Urteil über einen sogenannten Überprüfungsantrag sprechen: „Der Senat hat im Sommer 2022 das Gericht eingeschaltet, weil er der Meinung ist, dass unsere Ein-Hektar-Forderung die Rechte der Bürgerschaftsabgeordneten einschränken würde“, sagt die 54-Jährige und fügt hinzu: „Die Regierung will auf diese Weise das Verfahren beenden. Sie hat ein Problem mit direkter Demokratie.“

Die Regierungsfraktionen seien der Meinung, dass der vom Naturschutzbund Deutschland initiierte, im Juni 2021 geschlossene „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ ausreiche, betont Katja Haack. Der Vertrag hat nach Auskunft der Stadt „das Ziel, die Siedlungsentwicklung in Hamburg bei gleichzeitigem Schutz des Stadtgrüns zu ermöglichen.“ Auf hamburg.de heißt es: „Die Einigung sieht vor, dass die Stadt einen großen Prozentsatz der Fläche unter Natur- und Landschaftsschutz stellt und für die Zukunft garantiert und Flächen des Grünen Netzes der inneren Stadt bis inkl. des 2. Grünen Rings zukünftig nicht bebaut werden. Wo kleinere Flächen dennoch bebaut werden, sind Grünverluste durch Kompensationsmaßnahmen auszugleichen.“

Viele Flächen bisher nicht vor Bebauung geschützt

Doch viele große Grünflächen – etwa Landschaftsschutzgebiete, Brachflächen, landwirtschaftlich genutzte Flächen, Wiesen, Moore, Wälder und Kleingartenanlagen – seien durch den Vertrag nicht vor Bebauung geschützt, sagt Katja Haack. Diese Flächen seien aber ebenfalls „klimarelevant und deshalb schützenswert“. Ihre Zahl sei allerdings schwer zu beziffern, etwa „weil einige Grünflächen von Straßen durchquert werden“. Sie ärgere sich auch darüber, dass die in dem Vertrag festgeschriebenen Grünflächenausgleichsmaßnahmen nicht eins zu eins durchgeführt würden: „Für die Erweiterung der Justizvollzugsanstalt Billwerder beispielsweise müssen Flächen entsiegelt und in Grünflächen umgewandelt werden. Dies ist bisher nicht passiert.“ Die Ein-Hektar-Forderung der Initiative widerspreche nicht dem Vertrag, sondern ergänze und verschärfe ihn, betont Katja Haack.

Jan Diegelmann (54), Lebenspartner von Katja Haack und ebenfalls in der Volksinitiative aktiv, rechnet mit einer gerichtlichen Klärung „bis Anfang 2024“. Diegelmann sieht in dem Verfahren eine „Verzögerungstaktik“ des Senats. Auf einen aus Sicht der Initiative positiven Gerichtsentscheid solle dann schnell das Volksbegehren starten, „das eigentlich bereits für September 2022 geplant war“. Kommen genug Unterschriften zusammen, ist die Tür geöffnet für einen Volksentscheid, bei dem dann jeder erwachsene Hamburger abstimmen kann. Volksentscheide würden gern mit Wahlen zusammengelegt, um den organisatorischen Aufwand zu reduzieren, weiß Diegelmann: „2024 gibt es eine Bezirks- und eine Europawahl, im Jahr darauf steht die Hamburg-Wahl an.“ Der 54-Jährige fürchtet, dass mit Blick auf Oberbillwerder die Zeit knapp wird: „Bei der Vorbereitung und Umsetzung des Bauvorhabens wird aufgrund der Initiative sicher noch mehr Gas gegeben.“

Auch Diegelmann gehe es um mehr als nur Oberbillwerder, das quasi vor seiner Haustür entstehen soll: „Die Vier- und Marschlande sollten als ländliches Gebiet erhalten bleiben. Wenn überall ein Stück abgeknipst wird, ist am Ende alles städtisch. Und 5733 Bergedorfer Bürger, die 2019/2020 für das erfolgreiche Bürgerbegehren ,Vier- und Marschlande erhalten’ unterschrieben haben, sehen das genauso.“