Hamburg. 90 Prozent der Haftplätze sind aktuell belegt: In der JVA Billwerder gibt es gar keine leeren Zellen mehr. Was besonders Einfluss hat.

Die Hamburger Gefängnisse sind so ausgelastet wie seit Langem nicht. Zum Stichtag 30. Juni saßen 1893 Männer und Frauen hinter Gittern. Die Gesamtkapazität der sechs Justizvollzugsanstalten liegt bei 2099 Haftplätzen, von denen aktuell 90,2 Prozent belegt sind. Das hat der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Justizpolitikers Richard Seelmaecker mitgeteilt. Im September 2021 betrug die Quote noch 84,8 Prozent.

Im Strafvollzug gilt eine Auslastung von 85 bis 90 Prozent bereits als Vollbelegung. Mindestens zehn Prozent der Haftplätze müssen nach Einschätzung von Vollzugsexperten als erforderliche Reserve frei gehalten werden, um kurzfristig Gruppen von Häftlingen trennen und auf unerwartete Entwicklungen des kriminellen Geschehens reagieren zu können.

Justiz: JVA Billwerden vollständig ausgelastet

Besonders prekär ist die Lage auf den Männer-Stationen des größten Gefängnisses, der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder: Mit einer Belegung von 620 Gefangenen bei 614 Plätzen ist der Bereich rechnerisch sogar überbelegt. Im offenen Vollzug der JVA Glasmoor (Kreis Segeberg) sind 146 der 153 Plätze (95,4 Prozent) belegt. In der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis sitzen 443 männliche Tatverdächtige bei 475 Plätzen (93,3 Prozent Auslastung) ein, in der JVA Fuhlsbüttel mit dem berühmten Sternbau („Santa Fu“) sind es 342 Gefangene bei 386 Plätzen (88,6 Prozent).

In der Sozialtherapeutischen Anstalt wurden zum Stichtag 157 der 178 Plätze genutzt (88,2 Prozent). Etwas entspannter ist die Lage in der Frauenanstalt Billwerder, in der 78 der 96 Plätze belegt sind (81,1 Prozent), und in der JVA Hahnöfersand mit einer Quote von nur 54 Prozent (87 der 161 Plätze).

Justizbehörde sieht keine Probleme

„Es ist inzwischen trauriger Dauerzustand in der grünen Justizpolitik, dass nicht einmal die rechtsstaatlichen Mindeststandards eingehalten werden“, sagt Seelmaecker. „Dem Bürgermeister sind die Missstände bekannt. Er will weiterregieren. Deswegen hält er um jeden Preis an der grünen Senatorin Anna Gallina fest“, so der stellvertretende CDU-Bürgerschafts-Fraktionschef.

Den Experten in der Justizbehörde bereitet die hohe Auslastung der Gefängnisse offensichtlich keine Probleme. „Die Belegung der Justizvollzugsanstalten unterliegt regelmäßigen Schwankungen. Die Anstalten verfügen über ausreichende Kapazitäten“, sagt Dennis Sulzmann, Sprecher der Justizbehörde. Während der Hochphase der Corona-Pandemie galt ein Vollstreckungsaufschub für Ersatzfreiheitsstrafen.

Justiz: Enchrochat-Verfahren hat großen Einfluss

„Sowohl das Ende des Vollstreckungsaufschubs als auch – in etwas geringerem Umfang – die Enchrochat-Verfahren sind wesentliche Faktoren, die Einfluss auf den Anstieg der Gefangenenzahlen haben“, sagt der Sprecher.

Im Monat Juni wurden laut Senatsantwort in den Haftanstalten vier Tätlichkeiten gegen Bedienstete und sieben Tätlichkeiten gegen andere Gefangene regis­triert. In 22 Fällen mussten Vollzugsbedienstete „unmittelbaren Zwang“ gegen Häftlinge anwenden, also körperliche Gewalt. Die Statistik weist 58 Fälle des Verdachts strafbarer Handlungen hinter Gittern aus. In den meisten Fällen handelt es sich nach Angaben der Justizbehörde um zur Anzeige gebrachte Delikte zwischen Gefangenen wie einfache Körperverletzungen und Beleidigungen.