Hamburg. Bisher gab es nur wenige Infektionen. Doch die Kontaktbeschränkungen treffen die Häftlinge besonders hart.
Während Deutschland sich im zweiten Lockdown befindet, hat die Corona-Krise auch das Leben in Hamburgs Gefängnissen verändert. Die Gefangenen in den Justizvollzugsanstalten der Stadt müssen schon seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr mit erheblichen Einschränkungen zurechtkommen, wie aus einem Antrag hervorgeht, den die Fraktion der Linkspartei in der Bürgerschaft gestellt hat. Besonders heftig trifft demnach viele von ihnen die Beschneidung der Besuchszeit.
So dürfen etwa die Strafgefangenen in der JVA Billwerder, wo am Mittwoch der erste Corona-Fall nachgewiesen wurde, und in Fuhlsbüttel im Moment nur eine Stunde Besuch pro Monat empfangen, was dem gesetzlich vorgeschriebenen Minimum entspricht. Bei allen Besuchen steht zwischen den Gefangenen und ihren Angehörigen eine Trennscheibe, Berührungen sind nicht gestattet, und die Masken dürfen erst am Tisch abgenommen werden. Seit Pandemiebeginn haben sich in Hamburg 16 Gefangene infiziert, heißt es aus der Justizbehörde. In der JVA Billwerder sollen nach dem gestrigen Fall nun 58 weitere Häftlinge auf das Virus getestet werden.
Auch für die Bediensteten hat sich einiges geändert
Auch für die Bediensteten hat sich einiges geändert, wie Dennis Sulzmann, stellvertretender Sprecher der Justizbehörde, sagt. Neben den üblichen Bestimmungen wie dem Einhalten von Abstands- und Hygieneregeln oder dem regelmäßigen Lüften mussten sich die Beamten von manch lieb gewonnener Tradition verabschieden. So fiel etwa der Handschlag zum Schichtbeginn weg. Und permanent eine Gesichtsmaske zu tragen ist für die Bediensteten genauso verpflichtend wie für die Gefangenen, denen es nur in ihrem Haftraum und je nach Situation in den Betrieben erlaubt ist, den Schutz abzunehmen.
Um das Infektionsgeschehen aus den Anstalten fernzuhalten, werden alle Neuzugänge zunächst für 14 Tage von den anderen Gefangenen getrennt. Corona habe man dadurch gut im Griff. „Durch die Maßnahmen konnten im Hamburger Vollzug Infektionsketten bisher verhindert werden“, sagt Sulzmann. Ausdrücklich lobt er den Einsatz der Bediensteten: „Es ist eine tolle Gesamtleistung unserer Justizvollzugsbeamtinnen und -beamten, deren Aufgabe es nicht nur ist, durch die Maßnahmen Infektionen zu verhindern und auch sich selbst zu schützen, sondern auch die Gefangenen zu informieren und Ängste zu nehmen.“
Keine grundsätzlichen Maskenverweigerer
Wie wirken sich die Maßnahmen aber auf die Stimmung und das psychische Wohlergehen der Gefangenen aus? Christina Schermaul, die Leiterin der Sozialtherapeutischen Anstalt in Fuhlsbüttel, bezeichnet die Stimmung in ihrem Haus als „den Umständen entsprechend gut“. Hier sei die Situation insofern eine besondere, als die Gefangenen ein starkes Interesse hätten, am Vollzugsziel mitzuarbeiten. So gebe es etwa keine grundsätzlichen Maskenverweigerer. Anders als außerhalb des Gefängnisses gebe es in den Anstalten auch keine Corona-Leugner, berichtet Angela Biermann, die die JVA Glasmoor leitet. Vielmehr mache vielen Gefangenen die augenblickliche Lage Sorgen.
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Man befürchte nicht nur, dass weitere Einschränkungen Lockerungen und Freigänge unmöglich machen könnten, sondern habe auch bereits im Frühjahr gesehen, wie schnell man sich mit dem Covid-19-Erreger anstecken könne. Damals hat es nämlich zwei Fälle in der Sozialtherapeutischen Anstalt und einen in Glasmoor gegeben. Alle drei Gefangenen hatten sich außerhalb der Anstalt angesteckt. Die Folge: strikte Quarantäne. Gespräche mit Häftlingen oder Bediensteten konnte die Behörde „angesichts der aktuellen Lage und der Belastung der Anstalten“ nicht vermitteln.
Vorübergehend durften Gefangene Handys benutzen
Zum Ausgleich für die strengen Besuchsregeln war es den Gefangenen bis zum 30. September dieses Jahres gestattet, ein Handy zu benutzen, um mit ihren Angehörigen telefonisch in Kontakt zu treten. Trotz neuerlichen Lockdowns und der Aufrechterhaltung des eingeschränkten Besuchsrechts wurde diese Maßnahme jedoch nicht verlängert. Ende September mussten alle Gefangenen ihre Telefone wieder abgeben, wobei etliche juristisch dagegen vorgingen. Die Verfahren laufen zum jetzigen Zeitpunkt noch, und die klagenden Gefangenen dürfen ihre Handys bis auf Weiteres weiter benutzen.
Scharfe Kritik übt die Fraktion der Linkspartei in der Hamburgischen Bürgerschaft an der Aufhebung der Handy-Erlaubnis. Für sie steht das aktuelle Besuchsreglement gar im „Widerspruch zum verfassungsrechtlich normierten Resozialisierungsgebot“ des Grundgesetzes. Sie forderte deshalb eine Verlängerung der Maßnahme bis zum 31. Dezember. Der Antrag wurde von allen anderen Parteien abgelehnt. „Wir beobachten die derzeitige Lage mit großer Sorge“, bemerkt dazu Nathalie Meyer, die Referentin für Justiz der Linken-Fraktion. Aus ihrer Sicht müsste den Gefangenen in Anbetracht der gegenwärtigen Lage die Mobilfunknutzung wieder erlaubt werden.
Gefangene wollen die bestmögliche Vorbereitung auf die Haftentlassung
Für den offenen Vollzug stelle die Frage nach den Handys nicht das Kernproblem dar, sagt dagegen Angela Biermann. Viel wichtiger für die Gefangenen ihres Hauses sei, dass es im Hinblick auf das Vollzugsziel vorangehe und sie die bestmögliche Vorbereitung auf die Haftentlassung bekämen. Dafür seien sie bereit mitzuziehen. Biermann ist sogar erstaunt, wie gut die Regeln im Großen und Ganzen angenommen würden, auch wenn manche Einschränkung durchaus als schmerzhaft empfunden werde. So werde etwa die Möglichkeit, in den Fitnessräumen Kraftsport zu betreiben, sehr vermisst.
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Die Anstaltsleitungen, denen die Anliegen der Gefangenen regelmäßig in Treffen mit den gewählten Vertretern der Gefangenenmitverantwortung vorgetragen werden, bemühen sich, die Unannehmlichkeiten so gut es geht zu kompensieren. In Glasmoor habe man etwa Outdoor-Sportgeräte angeschafft, und in verschiedenen anderen Anstalten ist die Möglichkeit von Video-Telefonaten via Tablet eingeführt worden. Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten laufe dies nun gut und werde gerne angenommen.
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